Jetzt muss der Bundesrat kreativ werden. Nur bis Mittwoch bleibt Zeit, um den US-Präsidenten von seiner Absicht abzubringen, der Schweiz den horrenden Zollsatz von 39 Prozent aufzubrummen. Ein solcher würde in der hiesigen Exportindustrie Tausende Arbeitsplätze gefährden.
Überzeugt werden müssen nicht die technischen Unterhändler und auch nicht US-Finanzminister Scott Bessent. Die wären ja bereit für einen privilegierten Zoll von 10 Prozent für die Schweiz. Ihre Vorarbeit wurde von Trump aus einer Laune heraus desavouiert. Im 35-minütigen Telefonat mit Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter ging alles kaputt. Die rationale Argumentation der Finanzministerin, wonach das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber der Schweiz effektiv gar nicht so gross sei, kam bei Trump schlecht an. Und provozierte ihn zum willkürlichen Zollsatz von 39 Prozent.
So erratisch der US-Präsident handelt, so berechenbar ist er in einem Punkt. Ehemalige Mitarbeiter und Journalisten wie Bob Woodward, der für sein neustes Buch 20 Gespräche mit Trump geführt hat, sagen übereinstimmend: «Ich» und «Sieg» sind die Schlüsselwörter. Ein Deal kommt bei ihm dann zustande, wenn er aus diesem einen persönlichen (Prestige-)Gewinn zieht. Dieser sollte maximale Aufmerksamkeit erzeugen und hohe symbolische Kraft haben.
Wie könnte die Schweiz dem Ego Trumps schmeicheln, ohne dass sie dies viel kostet? Die Frage ist eine Provokation. Mit einem «Neofaschisten» wie Trump dürfe man gar nicht verhandeln, sagte SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Das mag eine hehre Haltung sein, aber sie kippt schnell ins Zynische. Wie erklärt man diese Verweigerung einer Familie, deren Ernährerin oder Ernährer wegen Trumps Zöllen den Job verliert?
Die Schweiz könnte Trump auf dem Silbertablett etwas servieren, das hierzulande viele – nicht nur Linke – ohnehin loswerden wollen: den Weltfussballverband Fifa mit Sitz in Zürich.
Trump vergöttert die Fifa. Jüngst lobte er sie für ihre «hervorragende Arbeit» bei der Förderung des Fussballs in Amerika, der dort «immer mehr aufblüht» und «grossartig» werde. Die WM 2026 werde das «grösste Sportereignis der Geschichte» sein. Den Final der Klub-WM in New York verfolgte Trump mit Ehefrau Melania live. Er übergab die Trophäe persönlich; ihr Original durfte Trump sogar für sich behalten.
Fifa-Präsident Gianni Infantino ist der Schweizer, der bislang am meisten Kontakt mit Trump hatte. Der Walliser nahm im Januar an der Inauguration teil und sagte danach zu unserer Zeitung: «Es war super!» Infantino wurde als Türöffner für den Bundesrat ins Spiel gebracht: Er könne jetzt auch sehr kurzfristig ein Gespräch mit dem US-Präsidenten vermitteln. Doch die Überlegung müsste einen Schritt weitergehen. Infantino und Keller-Sutter könnten vereinbaren, Trump den Fifa-Hauptsitz anzubieten.
Trump würde dann vor die Kameras treten, die Faust ballen und verkünden: «Ich habe den grössten Sportverband der Welt in die USA geholt!» In Miami ist heute schon die Rechtsabteilung der Fifa domiziliert. Miami liegt in Florida, eine gute Autostunde von Trumps Resort Mar-a-Lago entfernt. Die Schlagzeilen wären Trump gewiss, würde in Miami der Hauptsitz eröffnet.
Es wäre ein Kniefall der Schweiz, der kaum jemandem wehtäte (was Trump ja nicht zu wissen bräuchte). Steuern zahlt der Milliardenkonzern Fifa nur ein paar Millionen, weil er als Verein einen privilegierten Satz hat. Von den aktuell 900 Arbeitsplätzen im «Home of Fifa» gingen einige verloren, aber Zürich bliebe die grösste Filiale des Verbands. Der Stellenabbau wäre verkraftbar im Vergleich zu dem, was in der Maschinen- und Techindustrie droht.
Folgenlos wäre ein Wegzug für den Tourismus. Der «Ballon d’Or» findet längst nicht mehr in Zürich statt, und Kongresse wurden auch bereits ins Ausland verlagert. In der Schweiz und im weiteren Europa ist das Image der Fifa wegen Korruptionsfällen so schlecht, dass kaum jemand dem Verbandssitz nachtrauern würde.
Für die Fifa selbst hätte der US-Hauptsitz Vorteile. Infantino verbringt ohnehin die meiste Zeit in Amerika. Bei einem US-Domizil wäre die Fifa vor Strafverfolgung durch die gefürchteten US-Behörden sicher, zumindest so lange Trump autokratisch regiert und seine Justiz unter Kontrolle hat. Und eine Sitzverlegung würde gleich noch ein aktuelles Problem lösen: Die Fifa-Niederlassung in Miami sucht zurzeit händeringend Personal, kriegt es aber wegen Visa-Restriktionen nicht in ausreichendem Mass.
Stellt sich die Frage: Ist ein Wegzug aus Zürich rechtlich überhaupt möglich? Die Antwort wäre noch vor einem Jahr «nein» gewesen. Doch am Fifa-Kongress in Bangkok wurden die Statuten kürzlich geändert. Neuerdings müssen der Hauptsitz und der rechtliche Sitz der Fifa nicht mehr zwingend in Zürich sein.
Infantino und Keller-Sutter könnten ihr Angebot an Trump noch auf die Spitze treiben. Sollte allein der Fifa-Sitz die Zölle nicht unter 20 Prozent drücken, könnten sie ihm das Ehrenpräsidium der Fifa anbieten. Am Tag des WM-Finals 2026 würde dieses dann in Kraft treten.
Damit wären wir wohl bei 15 Prozent. Das Versprechen, dieses Ehrenamt gelte lebenslang, könnte helfen, die angestrebten 10 Prozent zu erreichen. Wenn nicht, bräuchte es vielleicht eine subtile Drohung. Man könnte Trump signalisieren, dass auch Putin an diesem exklusiven Titel interessiert wäre. Deal!
Trump hätte seinen Pokal, die Schweiz wäre ihr schlechtes Gewissen los – und alle könnten behaupten, sie hätten gewonnen.