Wer den Höhepunkt der US-Wahlen nicht verpassen will, der sollte den 7. Oktober dick in seiner Agenda anstreichen. Dann werden zwar nicht Joe Biden und Donald Trump gegeneinander zu einem TV-Duell antreten. Die Klingen kreuzen werden vielmehr Kamala Harris und Mike Pence.
Das Duell der beiden Vize verspricht spannender zu werden als die drei der beiden Alphatiere. Dabei besteht über den Ausgang kaum Zweifel: «Harris wird Pence zerstören», sagt etwa der bekannte Publizist Kurt Andersen am TV-Sender MSNBC. «Es wird brutal werden.»
Der Kontrast der beiden Politiker, die um den Posten eines amerikanischen Vize-Präsidenten kämpfen, könnte grösser nicht sein. Im Alter von 55 Jahren ist Kamala Harris relativ jung. Sie ist schwarz und sie ist extravertiert. Mike Pence hingegen ist weiss, konventionell und schrecklich langweilig.
Frank Bruni, Kolumnist bei der «New York Times», malt sich denn auch das Duell bereits wie folgt aus:
Kamala Harris passt perfekt in die Wahlstrategie von Joe Biden. Diese zielt darauf ab, die Unterschiede zu Trump überdeutlich herauszuschaffen. Der demokratische Herausforderer hat stets eine Maske auf, vermeidet grosse Ansammlungen von Menschen und spricht den Menschen in Zeiten von Corona Trost zu.
Der Präsident zeigt sich derweil demonstrativ maskenlos in einer Traube von Anhängern, will möglichst rasch wieder eine seiner geliebten Rallys durchführen und überschüttet seine Gegner mit Hass und Spott.
Mit der Wahl von Harris hat Biden diese Übung in Kontrasten perfektioniert. Hier die selbstständige Harris, die den ehemaligen Vize-Präsidenten in den Vorwahl-Duellen noch hart kritisiert hatte. Dort der blasse Ölgötze Pence, der stets im Schatten des Präsidenten steht, meist sowohl wort- als auch kritiklos.
Harris hat sich zuerst als Staatsanwältin, danach als Justizministerin im Bundesstaat Kalifornien einen Namen geschaffen. Dabei hat sie gezeigt, wie sie mit ihrem scharfen Verstand ihre Gegner unerbittlich in die Enge treiben kann. Biden hat dies am eigenen Leib erfahren, aber auch prominente Republikaner wie der ehemalige Justizminister Jeff Sessions, dessen Nachfolger William Barr oder der Oberste Richter Brett Kavanaugh.
Obwohl sie erst seit vier Jahren im US-Senat sitzt, ist Harris eine nationale Grösse mit Rockstar-Status geworden. Das Trump-Lager und Fox News werden sich alle Mühe geben, sie als durchgeknallte Linke darzustellen. Es wird ihnen kaum gelingen. Sowohl als Staatsanwältin wie auch als Justizministerin hat sich Harris einen Ruf als pragmatische Politikerin erworben. Zudem besitzt sie beste Beziehungen zur Wirtschaft.
Der einzige Makel von Harris besteht darin, dass sie aus dem falschen Staat kommt. Kalifornien würde Biden mit einem Esel als Partner gewinnen, darüber besteht kein Zweifel. Diesen Makel macht sie mehr als wett mit ihrem Geschlecht und ihrer Hautfarbe: Als schwarze Frau spricht sie genau die Wählerschaft an, welche die Wahlen im November entscheiden könnte.
Schwarze Frauen haben denn auch begeistert auf die Wahl von Harris reagiert. So erklärt etwa die altgediente demokratische Wahlkämpferin Leah Daughtry in der «New York Times»: «Manchmal lösen sichere Lösungen wie Harris wenig Begeisterung aus – aber diese Wahl ist berauschend. Sie steht für die schwarzen Frauen. Wir sind dabei.»
Letztlich ist Harris für Biden die logische Wahl, nicht nur, weil sie mit seinem geliebten und verstorbenen Sohn Beau – er war Justizminister im Bundesstaat Delaware und hat mit Harris zusammengearbeitet – bestens ausgekommen ist. Sie hat Regierungserfahrung, sie kennt Washington und sie ist national bekannt.
Biden hat damit auch bewiesen, dass er hat, was es für das Weisse Haus braucht. Dan Balz drückt es in der «Washington Post» wie folgt aus:
Ich hoffe schwer die Demokraten werden noch mit anderen Themen aufkreuzen als mit Identity Politics. Ja, Trump und viele Reps sind Rassisten und Sexisten. Aber hat es 2016 genügend Leute abgeschreckt sie zu wählen? Nein! It's the economy, stupid! Nehmt Trump für seine völlig unfähige Finanz- und Wirtschaftspolitik auseinander. Dank seinen Steuersenkungen für seine Freunde fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Einen Effekt aufs Wachstum hatten sie nicht!