Russell Vought: Wahrscheinlich Trumps gefährlichster Mann
Das amerikanische «gilded age» dauerte ungefähr von 1870 bis zur Jahrhundertwende. Es war ein Zeitalter, in dem der Anarcho-Kapitalismus eine Blüte erlebte, in dem die Räuberbarone Rockefeller, Carnegie, Vanderbilt etc., riesige Vermögen zusammenrafften und Korruption allgegenwärtig war.
Dazu gesellten sich skandalöse Zustände in vielen Bereichen der Wirtschaft, beispielsweise in der Fleischindustrie. In seinem Roman «The Jungle» beschrieb Upton Sinclair die ekelerregenden Zustände in den Schlachthöfen von Chicago und löste damit einen breiten populistischen Zorn aus.
Das war gleichsam der Startschuss für die progressive Ära. Diese wird in der «New York Times» von David Brooks wie folgt beschrieben:
Die meisten Historiker schreiben den Progressiven den Verdienst zu, die USA zu einem modernen Rechtsstaat entwickelt zu haben. Nicht alle teilen jedoch diese Einschätzung und sehen in den Progressiven gar gottlose Marxisten. Einer davon ist Russell Vought, und ausgerechnet diesen Mann will Donald Trump mit einer grossen Machtfülle ausstatten.
Wird er vom Senat bestätigt – was wahrscheinlich geschehen wird –, soll Vought das Office of Management and Budget leiten, eine zentrale Stelle der amerikanischen Verwaltung. Vought selbst vergleicht sie mit der Luftverkehrskontrolle und sieht seine Aufgabe darin, dafür zu sorgen, «dass alle politischen Initiativen synchron fliegen».
Wer also ist dieser Russell Vought? Er selbst bezeichnet sich als christlichen Nationalisten und er hat es zu seiner Mission gemacht, die Errungenschaften der Progressiven wieder zunichtezumachen, insbesondere die Verwaltung zu zerschlagen. «Wir wollen, dass die Bürokraten traumatisiert werden», erklärte er in der Rede kurz vor den Wahlen. «Wir wollen, dass sie, wenn sie aufwachen, nicht mehr zur Arbeit gehen wollen, weil sie wissen, dass sie als Verbrecher angesehen werden.»
Vought war einer der treibenden Kräfte hinter dem «Project 2025» der Heritage Foundation, einer Blaupause zum Plan einer reaktionären Gegenreformation in den USA. Seine Mission umfasst vier Kernpunkte:
- Er will die bereits gewaltige Macht des Präsidenten noch weiter stärken und dafür sorgen, dass die Verwaltung seine Befehle blind befolgt.
- Ein Gesetz aus dem Jahr 1974 soll wieder rückgängig gemacht werden. Dieses Gesetz wurde nach dem Watergate-Skandal eingeführt und ermächtigt das Abgeordnetenhaus, das Staatsbudget absegnen zu können.
- Schon am Ende seiner ersten Amtszeit hat Trump eine präsidiale Verordnung mit dem Titel «Schedule F» erlassen. Diese macht es möglich, nicht nur die politischen Spitzenbeamten, sondern auch die Technokraten zu entlassen, sollten sie nicht loyal genug zum Präsidenten stehen. Joe Biden hat diesen Erlass wieder ausgesetzt. Vought will ihn nun mit aller Macht durchsetzen und alle «woken» Beamten feuern.
- Schliesslich will Vought einem angeblichen «deep state» den Garaus machen. Deshalb will er beispielsweise die Background-Checks des FBI für Kabinettsmitglieder abschaffen.
Es ist kein Zufall, dass Trump Russell Vougth so viel Macht einräumen will. Auch er ist fasziniert vom «gilded age» und hat schon mehrmals nicht etwa George Washington oder Abraham Lincoln als grössten Präsidenten gelobt, sondern William McKinley. Dieser heute weitgehend unbekannte Präsident hat in seiner Amtszeit (1897 bis 1901, dann wurde er ermordet) Strafzölle eingeführt und dafür gesorgt, dass die Räuberbarone ungehindert wüten konnten.
Auch Trump will eine Rückkehr zu einem Anarcho-Kapitalismus, verbunden mit uneingeschränkter Macht des Präsidenten. Er will «ein Amerika, das befreit ist von allen Normen, von politischer Korrektheit, von Bürokratie und in einigen Fällen auch vom Gesetz», stellt der «Economist» fest. «Was übrig bleibt, ist eine Mischung von alt und neu, eine Ideologie, die ins Eisenbahn-Zeitalter zurückreicht und sich mit der Ambition mischt, eine Flagge auf dem Mars zu platzieren.»
Die «imperiale Präsidentschaft», die Trump anstrebt, braucht willige Helfer wie Russell Vought. Selbst bei konservativen Kreisen macht sich indes ein Unbehagen breit. So schreibt Daniel Henninger auf der Meinungsseite im «Wall Street Journal»: «Die Spannbreite der präsidialen Verordnungen ist beeindruckend, aber sie ist auch ein Zeichen dafür, dass das System nicht mehr so funktioniert, wie es ursprünglich konzipiert wurde.»
In der «New York Times» erinnert derweil Damon Linker daran, dass sich die Welt nicht mehr mit derjenigen des «gilded age» vergleichen lässt. Er schreibt:
