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Analyse

Wie Trump zum Sonnenkönig werden will

Fotomontage zeigt Donald Trump neben Louis XIV beide mit einer gezeichneten Krone. Trump wird vor dem Weissen Haus dargestellt und Louis XIV vor dem Palast von Versailles.
Bild: watson/keystone/imago
Analyse

Wie Trump zum Sonnenkönig werden will

Wie einst Ludwig XIV. strebt der US-Präsident die absolute Macht an.
03.10.2025, 12:0703.10.2025, 12:40

Vom französischen König Ludwig XIV. (1638–1715) stammt das legendäre Zitat «L’état c’est moi». Tatsächlich hat der auch Sonnenkönig genannte Herrscher den Traum aller Diktatoren verwirklichen können: Er besass die absolute Macht. In einem aufschlussreichen Essay in der «NZZ am Sonntag» hat der Historiker Volker Reinhardt aufgezeigt, dass sich ein Vergleich zwischen Ludwig XIV. und Trump deshalb geradezu aufdrängt. «Dafür bietet sich eine Unterteilung in Herrschaftsverständnis, Herrschaftsziele, Herrschaftsstil und Herrschaftsmethode an», so Reinhardt.

Der aktuelle Shutdown der amerikanischen Regierung wiederum bietet Trump eine Möglichkeit, seinem Traum, ein moderner Sonnenkönig zu werden, einen grossen Schritt näherzukommen. Schauen wir also genauer hin.

Costumed guests take photos as they arrive at the Great Masked Ball in Versailles, outside Paris, Saturday, June 21, 2025. (AP Photo/Christophe Ena)
Versailles Great Masked Ball
Maskenball vor dem Schloss Versailles.Bild: keystone

Der Sonnenkönig und Trump waren, respektive sind, pathologische Narzissten. Ihre Allmachts-Phantasien kennen keine Grenzen, und sie sind überzeugt, dass sie direkt von Gott eingesetzt worden und daher den Menschen keine Rechenschaft schuldig sind.

Beide zeichnen sich auch aus durch einen ausgeprägten Sadismus und die Lust, Menschen öffentlich blosszustellen. Ludwig XIV. zelebrierte daher seine Morgentoilette und machte sich einen Spass daraus, zu bestimmen, wer beim Mittagessen sein Hähnchen zerteilen durfte. Trump lässt sich vom gesamten Kabinett und von den Tech-Oligarchen vor laufenden Kameras in den höchsten und peinlichen Tönen loben. Wer nicht spurt, wird erniedrigt, wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in der denkwürdigen Szene im Oval Office.

Am Hof des Sonnenkönigs im Trump’schen Weissen Haus herrscht ein besonderes Klima, eine Mischung aus bedingungsloser Loyalität und permanenter Intrige. Niemand kann sich der Gunst des Herrschers sicher sein. Typisch das Schicksal von Elon Musk: Zunächst als «Schattenpräsident» gefeiert, wurde er kurz danach wie ein Hund vom Hof gejagt.

Beide Herrscher lieben Prunk. Das Schloss Versailles gilt bis heute als Massstab für alle Diktatoren, die ihre Macht und Pracht gegen aussen demonstrieren wollen. Damit kann Mar-a-Lago nicht mithalten. Überhaupt hat Trump gegenüber dem Franzosen einen entscheidenden Nachteil: Er hat null Geschmack. Seine Vorstellung von gutem Stil besteht darin, alles und jedes mit Gold zuzukleistern. In dieser Art will er jetzt das Weisse Haus um einen 200-Millionen-Dollar-Ballraum erweitern. Den Rosengarten hat er bereits in eine Betonwüste verwandelt.

FILE Nov. 21, 2016, photo, shows the Mar-a-Lago resort owned by President Donald Trump in Palm Beach, Fla. Protesters are demanding that charities move their upcoming galas from Trump’s Mar-a-Lago res ...
Geschmacklos: Mar-a-Lago.Bild: AP/AP

Nicht nur Äusserlichkeiten verbinden die beiden Herrscher. Auch ihre Politik zielt in die gleiche Richtung. «Donald Trumps Sicht der jüngeren amerikanischen Geschichte kommt dem Konzept Ludwigs XIV. ziemlich nahe: Die USA sind jahrzehntelang von anderen Staaten perfide ausgenützt worden», stellt Reinhardt fest. «Die historische Gerechtigkeit muss also wieder hergestellt werden, damit die amerikanische Nation den ihr zustehenden ersten Platz wieder einnehmen kann. Was wie eine Expansion aussieht, ist in Wirklichkeit die Rückeroberung historisch verbürgter Rechte, also kein aggressiver, sondern ein bewahrender Akt. So bezeichnete auch Ludwig XIV. seine territorialen Eroberungen: Das alles hat schon immer Frankreich gehört und wird jetzt mit diesem wiedervereint. Donald Trumps Ansprüche auf Grönland erinnern gar nicht einmal so fern an diese ‹Reunionen›.»

Intellektuelle und Künstler zähmte Ludwig XIV. damit, dass er sie an den Hof band. Schriftsteller wie Jean Racine adelte er gar, und wenn er krank war, «liess sich (der Sonnenkönig) Lebensbeschreibungen grosser Griechen und Römer vorlesen», so Reinhardt. Trump geht da weit plumper vor. Er streicht den Universitäten die staatlichen Subventionen und fordert von ihnen, eine Gesinnungserklärung zu unterzeichnen. Wenn er krank ist, guckt er noch mehr Fox News als üblich.

Was die Wirtschaftspolitik betrifft, sind beide Herrscher Anhänger des sogenannten Merkantilismus. Will heissen: Die einheimische Wirtschaft wird mit hohen Zollschranken geschützt. Das bekommt derzeit die Schweiz besonders schmerzhaft zu spüren.

Seit dem ersten Tag seiner zweiten Amtszeit bemüht sich Trump, die Macht des Kongresses zu dezimieren. Bereits zehnmal hat er einen Notstand ausgerufen, um so mit sogenannten «executive orders» Dinge zu erlassen, ohne dass sie vom Abgeordnetenhaus und dem Senat abgesegnet sind. Dabei kann er sich darauf verlassen, dass der Oberste Gerichtshof diesem Treiben mit wenigen Ausnahmen zusieht, selbst wenn dabei die Verfassung missachtet wird.

Der Shutdown bietet nun dem US-Präsidenten die Gelegenheit, einen weiteren grossen Schritt in einen modernen Absolutismus zu tun. Er gibt zu, was er im Wahlkampf noch heftig dementiert hat: Er will die Dinge, die im berühmt-berüchtigten Strategiepapier «Project 2025» umrissen sind, zügig umsetzen.

«Ich hatte heute ein Meeting mit Russ Vought, dem, der mit PROJECT 2025 berühmt wurde, um zu entscheiden, welche der vielen Betrüge der Demokraten wir wieder rückgängig machen können, und welche dabei permanent bleiben sollen», postete Trump jüngst auf Truth Social. «Ich kann nicht glauben, dass mir die Demokraten diese Gelegenheit geboten haben.»

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Eine Statue, die Donald Trump Hand in Hand mit Jeffrey Epstein zeigt, vor dem Kapitol.Bild: keystone

Es handelt sich dabei nicht um leere Worte. Budget-Zar Vought hat bereits – und wahrscheinlich verfassungswidrig – die Kredite für bereits bewilligte Projekte wieder gestrichen. So etwa 18 Milliarden Dollar für zwei Tunnels zwischen New York und New Jersey und 8 Milliarden Dollar für andere Umweltprojekte. Ganz gezielt sollen dabei die von den Demokraten dominierten Bundesstaaten bestraft werden.

Wie weit der Möchte-gern-Sonnenkönig damit durchkommt, wird sich weisen müssen. Erste Umfragen sprechen dagegen. Trumps Beliebtheitswerte rasseln weiter in den Keller und eine Mehrheit macht die Republikaner für den verhassten Shutdown verantwortlich.

Ludwig XIV. war sagenhafte 72 Jahre an der Macht. In dieser Zeit ist es ihm gelungen, Frankreich finanziell zu ruinieren und seine Stellung als führende Macht in Europa zu untergraben. So viel Zeit hat der 79-jährige Trump nicht. Doch auch er ist auf bestem Weg, den USA mit seiner Politik nachhaltigen Schaden zuzufügen. Er vergrault die Alliierten der USA nachhaltig und stärkt damit seinen Erzfeind China.

Adam Posen formuliert dies in «Foreign Affairs» wie folgt: «Es ist eine tragische und destruktive Ironie, dass die Vereinigten Staaten im Namen der nationalen Sicherheit die Verbündeten, die massgeblich zu ihrem wirtschaftlichen Wohlbefinden beigetragen haben, schwächen, während China kaum davon betroffen wird.»

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quelle: keystone / alastair grant
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139 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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rettetdiewelt-esstmehrbabies
03.10.2025 12:56registriert Dezember 2019
Bald hat unsere Firma Microsoft, 3M-Produkte etc. verbannt. Dann kann Donnie tun was er will.
Eine Nation, die einen solchen Herrscher zulässt, ist keiner Aufmerksamkeit würdig...
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Macca_the_Alpacca
03.10.2025 12:33registriert Oktober 2021
Nur ein König? Nein sicher nicht - er ist ein Kaiser nein er ist - ein GOTT!
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Callao
03.10.2025 12:27registriert April 2020
Das Schlechte hat bekanntlich auch seine guten Seiten, respektive Auswirkungen. Im aktuellen Fall beispielsweise, dass sich durch das sprunghafte Verhalten von DT Länder und auch Firmen ganz neue Strategien zurechtlegen. Wohlverstanden zu ihrem Vorteil und Nutzen.
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