Warum Trump Teile des Weissen Hauses niederreissen lässt
Karoline Leavitt, die Sprecherin des Weissen Hauses, spricht Klartext. Nicht etwa der Handelsstreit mit China, der Kampf gegen die Inflation, Gaza, die Ukraine oder der verdeckte Krieg gegen Venezuela würden Donald Trump umtreiben. «Derzeit», so Leavitt, «ist der Ballroom die höchste Priorität des Präsidenten».
Das gilt nicht nur für Trump. Der Abriss von Teilen des Weissen Hauses, die Zerstörung des östlichen Flügels, wühlt die Amerikanerinnen und Amerikaner auf wie kaum etwas anderes. Das hängt nicht nur mit der Grösse des Projekts zusammen. Der geplante Ballroom soll gegen 9000 Quadratmeter gross werden und Platz für 999 Gäste bieten. Damit wird er deutlich grösser sein als der Rest des Weissen Hauses.
Es geht um weit mehr. Gebäude und Monumente prägen nicht nur ein Stadtbild, sie graben sich auch in das kollektive Bewusstsein der Menschen ein. Was wäre Paris ohne den Eiffelturm, Moskau ohne den Kreml oder London ohne den Tower?
Dabei gibt es auch rationale Argumente für Trumps Ballroom. Für grosse Anlässe, Staatsdiners beispielsweise, ist das Weisse Haus zu klein. Jedes Mal müssen notfallmässig Zelte aufgestellt und massenhaft Geschirr und Besteck herangekarrt werden. Höchste Zeit also, diesen Missstand zu beheben, schliesslich hat Trump 2012 schon Präsident Barack Obama angeboten, einen Ballroom zu errichten.
Und wenn wir bei Obama sind, auch der hat den Tennisplatz um eine Basketball-Halle erweitert. Der jetzt zerstörte Ostflügel wurde erst in den Dreissigerjahren von Franklin Roosevelt gebaut, und Jimmy Carter hat einst Solarpanels auf dem Dach errichten lassen. Schliesslich haben die Briten 1812 bei einem kurzen Rachefeldzug gegen die junge Republik das Haus vollständig niedergebrannt.
Was soll also das Geschrei? Schliesslich hat Trump nichts anderes getan, als seinem Ruf als Macher, ganz speziell was Immobilien betrifft, gerecht zu werden. Er hat gezeigt, dass es selbst im NIMBY-Zeitalter (die Abkürzung steht für «nicht in meinem Hinterhof») noch möglich ist, nicht nur rasch zu entscheiden, sondern auch rasch zu handeln und den ganzen Bürokraten-Kram ganz einfach nicht zu beachten.
Als Präsident kann er das, ganz anders als normale Bürger. So hat sich der Comedian Bill Maher jahrelang gleichzeitig darüber beklagt und auch lustig gemacht, dass er in Los Angeles 1000 Tage brauchte und viele Besuche von Beamten über sich hatte ergehen lassen müssen, um die Erlaubnis zu erhalten, auf seinem Dach ein Solarpanel aufzustellen.
Den Steuerzahler kostet der Ballroom zudem keinen Cent. Die Kosten – inzwischen sind sie bereits von einst 200 auf 300 Millionen Dollar geklettert – übernehmen Sponsoren wie Apple, Amazon & Co. «Das Weisse Haus darf kein Museum bleiben», schreibt die «Washington Post» deshalb in einem redaktionellen Kommentar. «Um seine Grösse zu erhalten, muss es sich wie Amerika stets weiter entwickeln. Starke Führer weisen Anzeichen von Verkalkung zurück. So gesehen erteilt Trump allen NIMBY-Anhängern eine Lektion.»
Gemach, gemach, schliesslich haben Gebäude, und vor allem Regierungsgebäude, wie erwähnt eine grosse symbolische Wirkung. Was Trump errichten will, mag für die Scheichs in den Golfstaaten und für den modernen Zaren im Kreml passen, für das amerikanische «Haus des Volkes» wirkt es wie eine Faust aufs Auge. Einen Vorgeschmack liefern bereits die Goldverzierung und Engel im Oval Office, die Trump hat installieren lassen, oder seine Verwandlung des schlichten Rosengartens in einen mondänen Club.
Weil das Ganze auch von privaten Spendern bezahlt wird, drängt sich der Verdacht, dass hier einmal mehr offene Korruption am Werk ist, geradezu auf. Zudem hält sich der Schaden für die edlen Spender in Grenzen. Sie können den Betrag an den Steuern abziehen und können – was ihre Interessen betrifft – auf grosszügiges Entgegenkommen der Regierung hoffen.
Als ob es das noch gebraucht hätte, ist die Gold-und-Kronleuchter-Orgie ein weiterer Beweis, wie Trump das Amt des amerikanischen Präsidenten bereits nicht nur vulgarisiert und in den Dreck gezogen hat, er will die ganze Nation auf seinen abscheulichen Mar-a-Lago-Stil einschwören.
Vor allem jedoch macht Trump seinen Anspruch, ein absoluter König sein zu wollen, damit auch physisch bemerkbar. «Der Akt der Zerstörung ist der Kern der Sache», stellt Adam Gopnik im «New Yorker» fest. «Es ist eine Performance, welche Trumps willkürliche Macht zur Schau stellen soll. (…) Die zentralen Werte der Demokratie werden vor unseren Augen zerstört. Wir können es nicht nur erahnen. Wir können es sehen.»
Einen Schritt weiter geht Peggy Noonan. Sie war einst Beraterin und enge Vertraute von Ronald Reagan. Heute ist sie regelmässige und viel beachtete Kolumnistin im «Wall Street Journal».
Noonan sieht weniger die Demokratie in Gefahr – Demokratien wie in Ungarn und in der Türkei zeigen, dass man Demokratie auch faken kann –, sondern die Grundlage der amerikanischen Gesellschaft, die Republik. Mit wachsender Besorgnis verfolgt sie, wie die «strikten Trennungslinien unserer sorgfältig ausbalancierten Republik verwischt werden». Konkret bedeutet dies, dass die Gewaltentrennung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative, wie sie in der amerikanischen Verfassung festgelegt sind, im Auflösen begriffen ist.
Die Gründungsväter waren sich dessen bewusst, wie wichtig diese Gewaltentrennung für eine stabile Republik ist. James Madison, einer der Väter der US-Verfassung, erklärte einst: «Wären Menschen Engel, bräuchten wir keine Regierung.» Alexander Hamilton, gleichzeitig sein Partner und Rivale, betonte derweil die Wichtigkeit des Rechtsstaates. «Kein Gesetz, das der Verfassung widerspricht, darf je Gültigkeit erhalten.»
Trump erlässt reihenweise präsidiale Durchführungsverordnungen, welche die Verfassung nicht nur ritzen, sondern klar verletzen. Auch die Zerstörung des East Wing steht verfassungsrechtlich auf sehr wackligen Füssen. Für Peggy Noonan ist dies ein Symbol dafür, dass sich die USA in einer Art Endgame befinden, in dem die Republik auf dem Spiel steht. Deshalb kommt sie zu einem niederschmetternden Fazit:
