International
Analyse

Trump und Putin schweissen Europa zusammen

FILE - President Donald Trump, right, shakes the hand of Russia's President Vladimir Putin during a joint press conference at Joint Base Elmendorf-Richardson, Alaska, Aug. 15, 2025. (AP Photo/Jae ...
Bild: keystone
Analyse

Trump und Putin schweissen Europa zusammen

Die Einsicht wächst: Nur gemeinsam kann sich Europa gegen die beiden Machthaber zur Wehr setzen.
13.12.2025, 09:3713.12.2025, 09:37

Herfried Münkler gilt als führender Politologe Deutschlands. In seinem jüngsten Buch «Macht im Umbruch» analysiert er, wie sich Deutschland in einer Welt behaupten kann, in der die bisher gültigen Regeln über Bord geworfen und durch ein Grossmachts-Denken ersetzt werden, ein Denken, das eigentlich als längst überholt gegolten hatte.

Anders als andere Politologen verfällt Münkler jedoch deswegen nicht in einen abgrundtiefen Pessimismus. Natürlich weiss er auch um die enormen Schwierigkeiten, die in der nicht mehr regelbasierten Welt auf den alten Kontinent zukommen. Er sieht jedoch auch die Chancen, konkret, er sieht, dass Europa unter dem Druck aus Moskau und Washington gar nicht mehr anders kann, als enger zusammenzurücken.

Herfried Münkler
Sieht auch Chancen: der Politologe Herfried Münkler.Bild: Ralf U. Heinrich

Tatsächlich hat der Krieg in der Ukraine auch die EU verändert. Es hat sich mittlerweile eine Kerngruppe gebildet, eine «Koalition der Willigen». Dazu zählen Deutschland, Frankreich und Polen. Auch das Vereinigte Königreich macht dabei mit, und mit Abstrichen auch Italien. Die Oberhäupter dieser Koalition treffen sich mittlerweile fast wöchentlich, oft ist auch Wolodymyr Selenskyj, der Präsident der Ukraine, dabei.

Zwei Dinge schweissen diese Koalition zusammen: Einerseits ist allen klar, dass es Wladimir Putin längst nicht mehr bloss darum geht, die Nato-Ost-Erweiterung zu verhindern. Münkler geht davon aus, dass dem russischen Präsidenten mit rationalen Kriterien wie dem Homo oeconomicus nicht beizukommen ist, denn der Krieg in der Ukraine ist auch für sein Land eine wirtschaftliche Katastrophe, deren Folgen noch für Jahrzehnte anhalten werden.

Putin verfolgt vielmehr einen grössenwahnsinnigen Plan: Er will das Russische Reich, wie es zu Zeiten von Katharina der Grossen bestanden hat, wieder herstellen. Das bedeutet konkret, dass er sowohl das Schwarze Meer als auch die Ostsee unter russischer Kontrolle bringen will. Und das wiederum bedeutet, dass sich Putin keineswegs mit der Eroberung des Donbass zufriedengeben wird. Er will die gesamte Ukraine und wohl auch die baltischen Staaten wieder unter seine Knute zwingen.

Andererseits ist auch klar geworden, dass die USA unter Donald Trump kein verlässlicher Partner von Europa mehr sind. Was in der Rede von J.D. Vance im Mai an der Münchner Sicherheitskonferenz sichtbar wurde, ist seit der Veröffentlichung der neuen nationalen Sicherheitsstrategie glasklar geworden: Auch wenn Trump das ominöse Strategiepapier wahrscheinlich gar nicht gelesen hat, ist es offensichtlich, dass er die EU schwächen, gar am liebsten zerstören will. Deshalb ist er bereit, mit rechtsradikalen Parteien wie der AfD zusammenzuarbeiten. Nicht bereit ist er hingegen, seinen Kumpel Putin fallenzulassen.

Vice President JD Vance speaking at the Munich Leaders Meeting, Wednesday, May 7, 2025, in Washington. (AP Photo/Julia Demaree Nikhinson)
Vance
J.D. Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz.Bild: keystone

Angesichts dieser Lage kann sich Münkler vorstellen, dass Trump nicht nur die Ukraine unter den Bus wirft, sondern dass er auch die Nato verlässt. Ein Austritt der USA würde jedoch nicht das Ende dieses Verteidigungsbündnisses bedeuten, sondern den Anfang einer Nato unter europäischer Kontrolle und damit einer gemeinsamen europäischen Armee.

Auch die Schleimereien im Oval Office dürften vorerst keine Fortsetzung finden. Auf den von Moskau ausgearbeiteten amerikanischen «Friedensplan» reagierte die Koalition der Willigen entschieden und arbeitete zusammen mit der Ukraine einen Gegenentwurf aus. Gleichzeitig sind Friedrich Merz, Emmanuel Macron & Co. auch dabei, die eingefrorenen russischen Vermögen in der Höhe von rund 200 Milliarden Dollar loszueisen. So berichtet die «Financial Times» von einem Plan, der gleichzeitig den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán austricksen und den belgischen Premierminister Bart De Wever ins Boot holen soll. Belgien ist wichtig, weil dort der russische Staatsschatz gelagert ist.

President Donald Trump, center, speaks as from foreground right, European Commission President Ursula von der Leyen, Finland's President Alexander Stubb, Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy,  ...
Ein Bild aus alten Schleimertagen: die europäischen Staatsoberhäupter im Weissen Haus.Bild: keystone

Was die russischen Gelder betrifft, haben Trump und die Europäer ebenfalls unterschiedliche Absichten. Der US-Präsident sieht darin einmal mehr vor allem einen profitablen Deal. Das weckt das Misstrauen der Europäer. Das «Wall Street Journal» berichtet daher: «Ein (hoher europäischer Beamter) hat Trumps Vision mit seiner Vorstellung vom Gaza-Streifen als neue Riviera verglichen. Ein anderer verglich es mit der wirtschaftlichen Version der Aufteilung Europas nach dem 2. Weltkrieg. ‹Es ist wie Jalta›, so der Beamte.» (Anm. d. Verf.: Im Vertrag von Jalta hat Josef Stalin seinerzeit Franklin Roosevelt über den Tisch gezogen.)

Europa hingegen will die eingefrorenen russischen Staatsgelder für den Kauf von Waffen für die Ukraine und den Wiederaufbau des Landes verwenden. Putin scheint Trump einmal mehr davon überzeugt zu haben, dass der Sieg seiner Armee bloss eine Frage der Zeit und ein Ende mit Schrecken daher einem Schrecken ohne Ende vorzuziehen sei.

Was die militärische Lage betrifft, liegen jedoch sehr widersprüchliche Meldungen vor. Klar ist hingegen, dass Selenskyj einem Landtausch, wie ihn der Immobilien-Tycoon Steve Witkoff mit gütiger russischer Hilfe vorschlägt, auf keinen Fall zustimmen kann.

In this photo taken on Sunday, Nov. 9, 2025 and provided by Ukraine's 127th Separate Brigade of the Territorial Defence press service, soldiers practice military skills on a training ground near  ...
Denken nicht an Kapitulation: Soldaten einer ukrainischen Brigade.Bild: keystone

Die ukrainische Verfassung verlangt, dass er dazu die Zustimmung des Parlaments haben muss. Es ist unwahrscheinlich, dass er sie erhalten würde. Nur in einem Punkt macht der Präsident der Ukraine deshalb Konzessionen an Trump: Er ist bereit, Neuwahlen zu akzeptieren, obwohl dies ebenfalls gemäss Verfassung nur in Friedenszeiten möglich ist.

Wladimir Putin blufft derweil weiter. Dabei ist die Situation in Russland «viel weniger komfortabel», als er vorgibt, wie der «Economist» schreibt. Seine schlecht ausgebildete Armee erobert bloss kleine Abschnitte im Donbass im Schneckentempo und mit immensen Verlusten, die Unterstützung für den Krieg in der Bevölkerung nimmt ab und die Wirtschaft befindet sich in einer Stagflation, will heissen, hohe Inflation und stagnierendes Wachstum.

Bedeutet dies, dass der brutale Abnützungskrieg in der Ukraine noch jahrelang weitergeht? Nicht zwingend. So meldet David Ignatius, ein in der Regel gut informierter Kolumnist der «Washington Post», dass sich ein möglicher Friedensplan abzeichne. Er sieht unter anderem vor, dass die Ukraine schon 2027 der EU beitritt, die USA verbindliche Sicherheits-Garantien leisten und die ukrainische Souveränität geschützt wird.

«Trump sollte einen vernünftigen Deal aushandeln, der lange halten wird», so Ignatius. «Andernfalls steht er mit leeren Händen da, und der schreckliche Konflikt könnte sich in eine noch destruktivere Phase entwickeln.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Ukraine Gipfel im Weissen Haus
1 / 15
Ukraine Gipfel im Weissen Haus

In Washington fand am Montag, dem 18. August 2025 ein Sondergipfel zum Ukraine-Krieg statt. Mit dabei waren neben Gastgeber Trump der ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Begleitet wurde Selenskyj von zahlreichen europäischen Staatschefs sowie EU- und Nato-Vertretern:

quelle: keystone / alex brandon
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Ukraine setzt vermehrt auf Bodendrohnen – und macht damit sogar Kriegsgefangene
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
133 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Gurgelhals
13.12.2025 10:14registriert Mai 2015
Das Problem ist halt: Die europäischen Regierungsschefs mögen aussenpolitisch und auf EU-Ebene schon das Richtige tun, aber in der Innenpolitik versagen sie praktisch alle auf der ganzen Linie (egal ob Merz, Macron, Starmer, etc) und treiben damit mittel- bis langfristig die eigene Wählerschaft immer mehr in der Arme der antidemokratischen, rechtsextremen Putinfreunde. Rus. mag auf dem Schlachtfeld ein Papiertiger sein, aber die Destablisierung der EU von innen mittels psychologischer Kriegsführung (tatkräftig unterstützt von den Silicon Valley-Techbros) funktioniert halt leider doch prächtig.
1119
Melden
Zum Kommentar
avatar
suppenteller73
13.12.2025 10:02registriert Oktober 2025
Gute Zusammenstellung und Analyse.

Jetzt wäre es schön, in dieser Aufstellung auch noch die Rolle der Schweiz einzuflechten.
6919
Melden
Zum Kommentar
avatar
The man who shot liberty valance
13.12.2025 09:59registriert September 2020
Gleichzeitig sind Friedrich Merz, Emmanuel Macron & Co. auch dabei, die eingefrorenen russischen Vermögen in der Höhe von rund 200 Milliarden Dollar loszueisen.

Genau. Das wird die Antwort sein auf das elende, amerikanische Maga-Gequengel: ver**sst euch, wenn ihr meint das Völkerrecht und alle Demokratischen Errungenschaften so zu missachten wie Russland!
Die Amerikaner müssen eine Entscheidung treffen .. den Bach runter, oder endlich aufwachen. Schon damals Sarah Palin hat ja gezeigt, was für Figuren sich in der amerikanischen Politik tummeln.
5810
Melden
Zum Kommentar
133
Nemo schickt Pokal zurück: So reagiert die ESC-Welt
Nemo gibt den ESC-Pokal 2024 zurück an den EBU-Hauptsitz in Genf, um gegen Israels Teilnahme am Wettbewerb zu protestieren. Die Ankündigung machte Nemo am Donnerstag auf Instagram, wo der Beitrag in weniger als 24 Stunden bereits über 6000 Kommentare erhielt.
Zur Story