Zur Wahlkampfstrategie Donald Trumps gehört es, sich als knallharter Dealmaker darzustellen. Besonders gegenüber China inszeniert sich der Republikaner als einsamer Held, der Peking – Stichwort Handelskrieg und Corona-Vertuschung – entschlossen die Stirn bietet. Zu dieser Strategie gehört für Trump auch, seinen Herausforderer Joe Biden als Pekings Schosshund darzustellen.
«China ate your lunch, Joe», sagte Trump in der ersten TV-Debatte der beiden Präsidentschaftskandidaten zu dem Demokraten – was heissen soll: China zieht dich in Handelsfragen über den Tisch.
Trump nennt seinen Herausforderer sogar oft «Beijing Biden», «Peking-Biden», um damit zu unterstellen, die kommunistischen Machthaber in Peking hätten den Demokraten in ihren Händen. Der Vorwurf ist substanzlos, Belege dafür gibt es nicht.
Das hindert Trumps Anhänger aber nicht daran, die Gerüchte weiterzuverbreiten. Auf der Webseite beijingbiden.com, die von einer Trump nahestehenden Lobbygruppe bezahlt wird, kann man nachlesen, dass Bidens Familie korrupte Beziehungen zur chinesischen Elite habe und dass es hinter seiner Haltung gegenüber China dunkle Motive gebe.
Klar ist: Dass Peking den Demokraten Biden liebt und den Republikaner Trump fürchtet, ist Trumps Inszenierung. Mit der Realität hat sie wenig zu tun. Viele Experten gehen eher vom Gegenteil aus. Sie glauben, dass China heimlich auf einen Trump-Sieg setzt.
Einer dieser Experten ist Noah Barkin. Der Amerikaner arbeitet für den German Marshall Fund in Berlin. Er beobachtet und analysiert die europäisch-chinesischen Beziehungen – und deren Bedeutung für das transatlantische Verhältnis. t-online erreicht Barkin am frühen Morgen per Videotelefonie in einem Berliner Coworking-Space.
Trump sei für Peking ziemlich unberechenbar, sagt der Experte. Noch 2017 empfing der Republikaner Xi Jinping in seinem Luxusanwesen Mar-a-Lago in Florida. «Wir hatten eine tolle Chemie», schwärmte der US-Präsident nach dem Treffen. Es dauerte nicht lange, da deuteten die ersten Beobachter das Verhältnis als eine «Bromance», eine innige Männerfreundschaft.
Doch nur ein Jahr später trat Trump den Handelskrieg los. Zwar handelten Washington und Peking im Januar eine vorläufige Einigung aus. Doch dann kam das Coronavirus – und liess das amerikanisch-chinesische Verhältnis eskalieren. Trump nutzt seitdem jede Gelegenheit, um Peking für die Pandemie verantwortlich zu machen.
«Ich habe dieses verrückte, furchtbare China-Virus besiegt», sagte er eine Woche nach seinem coronabedingten Krankenhausaufenthalt. Erst jüngst forderte er in einer Rede vor den Vereinten Nationen, dass China für die Seuche zur Rechenschaft gezogen werden müsse.
Und das ist noch längst nicht alles: Washington hat Visabeschränkungen gegen Huawei -Beschäftigte und Sanktionen gegen Politiker aus Hongkong erlassen. Inzwischen sind die Beziehungen, so das Urteil vieler Beobachter, auf dem schlechtesten Stand seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1979. Vor diesem Hintergrund könne die chinesische Staatsführung von einem Wahlsieg Trumps nicht begeistert sein, sagt Barkin.
Aber ironischerweise steckt in einem Sieg Trumps für die Volksrepublik auch eine grosse Chance. Denn der US-Präsident hat nicht nur für eine Entfremdung im amerikanisch-chinesischen Verhältnis gesorgt. Er verspiele auch, so Barkin, Amerikas grösste Stärke: das Vertrauen der Verbündeten.
So brachte der US-Präsident wiederholt seine Abneigung gegenüber der Nato zum Ausdruck. Seinem ehemaligen Sicherheitsberater John Bolton zufolge wollte er dem Bündnis sogar mit dem Austritt drohen. Auch die EU überzieht Trump regelmässig mit Schmähungen. Am Jahresanfang sagte er auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, in Sachen Handel sei Europa «schlimmer als China».
Und auch das Verhältnis zu Deutschland, einem traditionellen Verbündeten, ist angespannt. Streitpunkte sind das Pipelineprojekt Nord Stream 2 , die deutschen Militärausgaben und das amerikanische Handelsdefizit. Diese Abneigung gegenüber Verbündeten, so Barkin, spiele Peking in die Karten. Denn ein schwaches transatlantisches Bündnis lasse mehr Raum für chinesische Machtentfaltung.
Im Gegensatz dazu, sagt der Experte, stehe Joe Biden für eine transatlantische Rückbesinnung. Der Demokrat hat nicht nur angekündigt, eine konsistentere Chinapolitik fahren zu wollen. Er hat auch durchblicken lassen, dass er dafür die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern suchen werde. «Biden stellt für die Volksrepublik ein grösseres Risiko dar», sagt Barkin. «Deswegen wäre eine zweite Amtszeit Trumps für Peking ein grosser Sieg.»
Für Europa ist die Sache mit Biden vertrackt. Denn einerseits wünsche sich die EU den Demokraten, sagt Barkin. Aber anderseits komme mit Biden auch mehr Arbeit auf sie zu. Nicht nur werde der Demokrat von europäischen Politikern eine klarere Sprache gegenüber Peking fordern. Auch werde er versuchen, zusammen mit Europa die Welthandelsorganisation zu reformieren. Nicht zuletzt werde sich unter Biden der Trend fortsetzen, militärische Ressourcen nach Asien zu verlagern. Für Europa bedeute das: mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit.
Ein Wahlsieg Trumps hingegen wäre für die EU eine Katastrophe. Ein Triumph des Republikaners werde dazu führen, dass sich Brüssel zwischen zwei Supermächten zerrieben fühle, sagt Barkin. Europa werde dann nach strategischer Unabhängigkeit streben – aber diese sei nicht über Nacht zu haben. Genau darin liege für Peking der Gewinn. Denn je grösser die Entfremdung zwischen Europa und den USA , so Barkin, desto kleiner die europäische Bereitschaft, sich Peking in Streitfragen entgegenzustellen.
China bereitet sich derzeit auf eine Invasion in Taiwan vor. Das hat Xi Jinping letzte Woche indirekt bei einem Besuch der Marine in Guangzhou gesagt.
Das Zeitfenster ist ideal: Nächstes Jahr wird Taiwan grössere Rüstungslieferungen bekommen, die Welt wird sich wegen Corona nur halbherzige Sanktionen leisten wollen.
Laut Strategie soll zuerst die Versorgung gekappt werden mit "Militärübungen". Diese Phase ist bereits angelaufen. Schrecklich, dass keiner Taiwan hilft.