Marco Bayer – von der ZSC-Wirklichkeit eingeholt
Wer als Nothelfer kommt und die Meisterschaft und die Champions League gewinnt, ist ein grosser Trainer. Punkt. Und doch gibt es seit Saisonbeginn eine bange Frage: Wird sich Marco Bayer, der die Flitterwochen zwischen Anfang Januar und Ende April so grandios gemeistert hat, auch im Alltag der Qualifikation durchsetzen können?
Die boshafte Diagnose nach seiner Amtsübernahme am 30. Dezember 2024: Diese Mannschaft kann er am Telefon zum Titel coachen. Damit wurde nichts gegen Marco Bayers Kompetenz gesagt. Die stand und die steht weiterhin nicht zur Debatte. Es war schlicht der richtige Satz zur richtigen Zeit: Atemlos flog die Zeit zwischen Januar und April dahin. Champions Hockey League, Playoffs, ein Ziel jagte das nächste. Kein Raum für Zweifel, keine Zeit für Selbstreflexion. In so intensiven, emotionalen Zeiten funktioniert ein Team fast autark. Es brauchte keinen Chef mit kabinenfüllendem Charisma.
Bayer tat, was kluge Trainer in dieser Situation tun: Er dosierte seine Präsenz, sparte mit Pathos, vertraute auf die Eigendynamik eines funktionierenden Systems. Das Wohl der Mannschaft war ihm wichtiger als das eigene Ego. Es waren sportliche Flitterwochen. Die ZSC Lions auf einer Mission, er der diskrete Dirigent im Hintergrund. Mehr Berater, Helfer und Spielerflüsterer als grosser Zampano und «Einpeitscher».
Spätestens nach dem 1:5 in Lugano, der 7. Niederlage hintereinander inklusive Champions League, sind die rauschhaften Zeiten nur noch Erinnerung. Der Alltag ist eingekehrt. Monoton und unerbittlich. Qualifikationsspiele, wichtig, aber ohne das Adrenalin der Playoffs. Jetzt braucht es einen Coach, der die Kabine mit Autorität füllt, der Tacheles redet (= tobt) – und zwar so, dass jeder mucksmäuschenstill und demütig zuhört. Doch das ist nicht so einfach für Spieler, die alles erreicht haben, was erreichbar war: Meistertitel, Champions-League-Triumph und einige auch noch den WM-Final. Kann Marco Bayer toben? Nein. Und wenn er es versucht, glaubt es ihm keiner.
Wenn eine der teuersten und talentiertesten Mannschaften Europas siebenmal in Folge verliert, ist die Trainerdiskussion keine Option mehr. Sie ist Pflicht. Alles andere wäre Realitätsverweigerung. Offen bleibt einzig, welche Schlüsse Sportchef Sven Leuenberger daraus zieht. Denn Sportchefs gleichen in solchen Momenten unglücklich Verliebten: Sie deuten jedes Stirnrunzeln, jedes Lächeln, jedes Powerplay als Zeichen der Hoffnung.
In dieser Beziehung ist ZSC-Sportchef Sven Leuenberger keine Ausnahme. Alles, was in den letzten Wochen passierte, ist zu Gunsten des Trainers interpretiert worden. Einmal mehr erweisen sich die vielen neumodischen Statistiken als das, was sie in Tat und Wahrheit sind: Eine geniale Geschäftsidee und eine Ausredenmaschine für Sportchefs und Trainer. Denn die einzige Statistik, die zählt, wenn es um die finale Beurteilung des Trainers geht, ist bei einer auf Erfolg und Resultat programmierte Organisation wie jener der ZSC Lions die Tabelle. Und die einzige Wahrheit steht oben auf der Resultatanzeige. Punkt.
Rationale Gründe für Geduld gibt es. Aber mit jeder Niederlage wird die ZSC-Trainer-Debatte emotionaler. Selbst der dem Klub nahestehende und jeder Polemik abholde «Tages-Anzeiger» kommt nach dem 1:5 in Lugano, der 7. Niederlage in Serie zum Schluss: «In Lugano wurde er vom Team derart im Stich gelassen, dass sein Stuhl nicht anders kann, als ganz fest zu wackeln.» Nicht ein bisschen – ganz fest.
Ach, hätte Marco Bayer nach der Meisterfeier nur gesagt, seine Mission sei erfüllt und wäre zurückgekehrt zu den GCK Lions und wieder Ausbildner geworden. Sein Vertrag hätte es ihm erlaubt. Er wäre heute eine lebende Legende und die allerhöchste ZSC-Autorität in allen sportlichen Dingen. Ein Mann, dessen Wort mehr Gewicht hätte als das von Sportchef Sven Leuenberger oder General Manager Peter Zahner. Romantiker sähen ihn wohl sogar als möglichen Nachfolger von Präsident Walter Frei.
Doch Marco Bayer hat vom süssen Nektar des Ruhms gekostet, hat auf die Unsterblichkeit seines Ruhmes verzichtet und ist an der Bande und in der Kabine geblieben. Obwohl er nichts mehr gewinnen und nur noch verlieren kann. Ein wahrer, echter Mann des Eishockeys. Das ehrt ihn.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
-
Er ist
-
Er kann
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Erwarte
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