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Hat Jesus wirklich gelebt?

This is a handout photo, released on Tuesday, March 27, 2001 by the British Broadcasting Corp., showing a computer-generated image of what Jesus may have looked like. The photo is part of a BBC docum ...
Wenn Jesus tatsächlich existiert hat, sah er vermutlich etwa so aus. Der forensische Anthropologe Richard Neave schuf dieses Modell eines galiläischen Mannes 2001 für eine BBC-Dokumentation. Grundlage war ein in dieser Region gefundener Schädel. Das Modell sollte ein realistischeres Bild von Jesus als Mann aus der Levante vermitteln.Bild: BBC RED VISION

Hat Jesus wirklich gelebt?

Die global mitgliederstärkste Religion beruft sich auf ihn, und zu Weihnachten feiern Milliarden seine Geburt: Jesus Christus. Doch hat der Wanderprediger aus Nazareth tatsächlich existiert?
24.12.2025, 17:1324.12.2025, 17:13

Geboren von einer Jungfrau vor gut 2000 Jahren in einem ärmlichen Stall zu Bethlehem, gestorben etwa 33 Jahre später am Kreuz auf dem Schädelhügel von Golgota, am dritten Tag von den Toten wiederauferstanden, Messias und Gottes Sohn, Begründer der derzeit grössten Religionsgemeinschaft. Jesus Christus ist laut einer Studie der Universität von Cambridge der bedeutendste Mensch der Geschichte. Aber hat er überhaupt wirklich gelebt?

Diese Frage negativ zu beantworten – oder nur schon sie zu stellen – hätte in Zeiten, als das Christentum noch intoleranter mächtiger war, vermutlich zu unguten Konsequenzen geführt. Seit dem Zeitalter der Aufklärung aber konnte die Frage, ob hinter der religiös überlieferten Figur Jesus ein realer Mensch steckt, immer mehr ohne Furcht vor der Inquisition diskutiert werden.

Lückenhafte Quellenlage

Wie sieht es also mit den historischen Quellen aus? Bevor wir diese würdigen, ist eine Vorbemerkung nötig: Die Quellenlage ist für die längst vergangene Zeit der Antike notorisch lückenhaft, auch wenn damals weit mehr schriftlich festgehalten wurde als etwa danach in der Zeit des Frühmittelalters. Doch viele Dokumente haben nicht bis in unsere Zeit überdauert, viele nur in Abschriften, und manche wurden verfälscht. Überdies verfassten einige Chronisten ihre Texte bewusst zur Überlieferung und bemühten sich dabei, ein bestimmtes Bild zu vermitteln.

So kann es keinesfalls verwundern, dass wir heute kein einziges Schriftstück kennen, das einen relativ unbedeutenden jüdischen Wanderprediger zu dessen Lebzeiten in einer relativ unbedeutenden Provinz des Römischen Reichs erwähnt. Zu Jesu Lebzeiten also nicht – falls es zeitgenössische Berichte über Jesus gab, sind sie verloren gegangen. Auch archäologische Belege für seine Existenz gibt es nicht – was überhaupt nicht verwunderlich ist.

Imperium Romanum zur Zeit des Tiberius (14–37 n. Chr.)
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2641407
Das Römische Reich während der Regierungszeit des Tiberius (14–37 n. Chr.).Karte: Wikimedia/Cristiano64

Bald nach seinem Tod am Kreuz setzt jedoch die schriftliche Überlieferung ein. Sie lässt sich unterscheiden in innerchristliche Zeugnisse, die von Mitgliedern der jungen christlichen Glaubensgemeinschaft verfasst wurden, und ausserchristliche Erwähnungen durch Aussenstehende. Letztere gelten insgesamt als verlässlicher, da ihre Autoren keine christliche Botschaft verbreiten wollten. Aber auch sie dürfen nicht überschätzt werden – meist reagieren sie vermutlich auf Aussagen von christlicher Seite.

Paulus und die Evangelisten

Die frühesten innerchristlichen Zeugnisse über Jesus finden sich in den Paulusbriefen – der Brief an die Thessalonicher stammt aus dem Jahr 49, also 13 oder 14 Jahre nach dem Tod Jesu. Diese Briefe sind Teil des Neuen Testaments und werden zum grössten Teil auf die 50er-Jahre des 1. Jahrhunderts datiert. Doch sie enthalten nur wenige biografische Details zu Jesus. Der Apostel Paulus – bis zu seiner Bekehrung selbst ein Christenverfolger – war Zeitgenosse von Jesus, stammte aber nicht aus dem engsten Kreis seiner Jünger und kannte ihn nicht persönlich.

Statue des Heiligen Paulus mit Schwert vor der Basilika San Paolo Fuori le Mura (Heiliger Paulus außerhalb der Mauern), Rom.
Statue des Heiligen Paulus mit Schwert vor der Basilika San Paolo Fuori le Mura, Rom.Bild: Shutterstock

Ebenfalls Teil des Neuen Testaments sind die vier Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, die vom Leben Jesu berichten. Das älteste von ihnen, das Markusevangelium, entstand vermutlich im Zeitraum von 66 bis 71 n. Chr., also rund 30 Jahre nach dem Tod Jesu, als manche Augenzeugen noch gelebt haben dürften. Die anderen drei Evangelien entstanden später, wohl erst in den 70er- und 80er-Jahren.

Die vier Evangelisten, Gemälde von Jacob Jordaens, 1625–1630.
https://en.wikipedia.org/wiki/Four_Evangelists#/media/File:Four_Evangelists_Jordaens_Louvre_Inv1404.jpg
Die vier Evangelisten, Gemälde von Jacob Jordaens (1625–30).Bild: Wikimedia

Diese frühchristlichen Texte sind – wie auch die Apostelgeschichte, die vermutlich um das Jahr 90 herum entstand, und die apokryphen Schriften, die nicht in die Bibel aufgenommen wurden – allesamt von Leuten verfasst worden, die Jesus mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht persönlich kannten. Hinzu kommt, dass die Evangelien sich zum Teil stark unterscheiden und ihre christlichen Verfasser ohnehin vom Interesse geleitet sind, Jesus als Sohn Gottes und Messias darzustellen.

Nichtchristliche Historiker

Die ausserchristlichen Quellen bestehen aus Berichten von römischen und jüdischen Chronisten sowie aus einigen verstreuten Zeugnissen. Wichtig sind die Schriften der römischen Historiker Tacitus und Sueton, die im frühen 2. Jahrhundert verfasst wurden, und vor allen Dingen das Historienwerk Antiquitates Iudaicae des jüdisch-römischen Geschichtsschreibers Flavius Josephus. Es wurde bereits um 93 oder 94 n. Chr. veröffentlicht, ist jedoch nur in mittelalterlichen christlichen Handschriften erhalten.

Sueton erwähnt in seinem Werk De vita Caesarum (120 n. Chr.) einen «gewissen Chrestos», der die Juden aufgehetzt habe, worauf Kaiser Claudius sie im Jahr 49 aus Rom vertrieben habe. Die Textstelle liefert jedoch keine näheren Informationen zum historischen Jesus. Bei Tacitus hingegen erfahren wir mehr. Er schreibt in seinen Annales (116/117 n. Chr.) über die «Chrestianer»:

«Der Urheber dieses Namens ist Christus, der unter der Regierung des Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war.»
Print of Christus with Pontius Pilate. Made in the 16th century. Unknown author.
Jesus vor Pontius Pilatus, Darstellung aus dem 16. Jahrhundert. Bild: Gemeinfrei

In den Antiquitates von Josephus kommt Jesus an zwei Stellen vor. Eine davon halten die meisten Historiker für authentisch; dort berichtet Josephus von der Hinrichtung des Jakobus unter dem Hohepriester Hannas II.:

«Er berief deshalb den Hohen Rat zum Gericht und liess den Bruder Jesu, des sogenannten Christus, Jakobus mit Namen, sowie einige andere, die er der Gesetzesübertretung beschuldigte, zur Steinigung führen.»

Dagegen ist die andere Textstelle, die einst als sicherer Beweis dafür galt, dass Josephus von der Existenz des historischen Jesus wusste, seit der Reformation umstritten. Manche Kritiker hielten sie vollumfänglich für eine Fälschung; sie sei nachträglich – spätestens im 3. Jahrhundert – durch christliche Bearbeiter eingefügt worden. Sie lautet wie folgt:

«Um diese Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen darf. Er war nämlich der Vollbringer ganz unglaublicher Taten und der Lehrer aller Menschen, die mit Freuden die Wahrheit aufnahmen. So zog er viele Juden und auch viele Heiden an sich. Dieser war der Christus. Und obgleich ihn Pilatus auf Betreiben der Vornehmen unseres Volkes zum Kreuzestod verurteilte, wurden doch seine früheren Anhänger ihm nicht untreu. Denn er erschien ihnen am dritten Tage wieder lebend, wie gottgesandte Propheten dies und tausend andere wunderbare Dinge von ihm vorherverkündet hatten. Und noch bis auf den heutigen Tag besteht das Volk der Christen, die sich nach ihm nennen, fort.»

Heute betrachten die meisten Historiker diese als Testimonium Flavianum bekannte Textstelle jedoch als Mischung aus authentischen und gefälschten Passagen. Dass Josephus tatsächlich Jesus, dessen Wirken und Tod erwähnt hat, gilt aufgrund von textkritischen Analysen als plausibel. Jene Stellen indes, die so wirken, als spreche Josephus hier selbst als gläubiger Christ, dürften später durch christliche Autoren eingefügt worden sein.

Engraving of Flavius Josephus by John Sartain after an original drawing
https://en.wikipedia.org/wiki/Josephus#/media/File:Joseph,_son_of_Gorian,_called_Flavius_Josephus_(cropped).jpg
Darstellung von Flavius Josephus aus dem 19. Jahrhundert.Bild: Wikimedia

Jesus-Mythos

Auffällig ist bei Josephus allerdings, dass er ausgerechnet in seinem anderen Hauptwerk Bellum Judaicum, das von 75 bis 79 n. Chr. und damit zeitlich viel näher bei den Lebensdaten Jesu entstand, den Wanderprediger aus Galiläa mit keinem Wort erwähnt. Doch wir sollten bedenken, dass Jesus und dann seine Anhängerschar mindestens bis zum Jahr 90 wohl noch zu unbedeutend waren, um von damaligen jüdischen Historikern überhaupt erwähnt zu werden. Dies bedeutet nicht, dass sie keine Kenntnis seiner Person hatten – denn andere, zweifelsfrei historische Personen ihrer Zeit erwähnten sie ebenso wenig. Möglich ist auch, dass bestimmte jüdische Chronisten die Anhänger Jesu als häretische Bewegung wahrnahmen und Jesus deshalb absichtlich ignorierten.

Dass Josephus Jesus im Bellum Judaicum nicht erwähnt, ist allerdings Wasser auf die Mühlen jener eher seltenen Wissenschaftler, die der sogenannten Nichthistorizitäts-Hypothese (süffiger auch Jesus-Mythos genannt) anhängen. Für sie ist Jesus eine völlig fiktive Figur; je nach Standpunkt spontan erfunden, um die religiösen Bedürfnisse einer Gruppe zu befriedigen, oder übernommen aus anderen Götter- oder Heldenmythen.

Nur wenig Gesichertes

Die allermeisten Historiker gehen jedoch gemäss dem neuesten Forschungsstand davon aus, dass Jesus tatsächlich als reale Person existiert hat – wobei aber die religiöse Figur den Menschen aus Fleisch und Blut massiv überlagert hat.

JUAN DE JUSTO. ECCE HOMO. Credit: Album / Oronoz
Gottes Sohn als leidender Mensch: Ecce Homo, Gemälde von Juan de Justo, 17. Jahrhundert. Hinter der religiösen Figur Jesu ist der reale Mensch kaum mehr sichtbar.Bild: www.album-online.com

Entsprechend gilt nur wenig als gesichert, was über Jesus berichtet wird. Zu diesen wenigen Punkten gehören unter anderem seine Herkunft aus Nazareth in Galiläa, wo er aufwuchs und vielleicht auch geboren wurde, seine Taufe durch Johannes den Täufer und seine Hinrichtung am Kreuz. Sie sind glaubhaft gerade deswegen, weil die frühen Christen keinen Grund hatten, solche Geschichten später zu erfinden – so argumentiert etwa der amerikanische Religionswissenschaftler Bart D. Ehrman. Ehrman begann sein Studium als Evangelikaler, wurde dann aber zum Agnostiker.

So dürfte Jesu Herkunft aus Galiläa, also aus der Provinz, das Narrativ schwächen, Jesus sei der Messias. Dieser sollte nämlich gemäss Prophezeiungen aus Bethlehem, der Stadt König Davids, kommen. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass die frühen Christen die wiederholten Hinweise auf Nazareth erfunden haben. Vielmehr dürfte der Umstand, dass die Evangelien nach Matthäus und Lukas Bethlehem als Geburtsort Jesu nennen, der Absicht geschuldet sein, eine Verbindung von Jesus zum Haus Davids herzustellen.

Galiläa und Umgebung, die beiden wichtigen Städte Sepphoris und Tiberias sind optisch hervorgehoben. Jotapata erkennt man nördlich von Sepphoris. (Illustration einer Ausgabe des Jüdischen Krieges von  ...
Galiläa kurz nach der Zeit Jesu. Karte: Wikimedia

Auch die Taufe durch Johannes den Täufer dürfte aus diesem Grund nicht erfunden sein, denn dass Jesus, in christlichen Augen der Messias, durch eine ihm «spirituell unterlegene Person» getauft wurde, ergebe nach christlicher Tradition eigentlich keinen Sinn, betont Ehrman. Hätten Christen den Vorgang erfunden, dann hätte vielmehr Jesus Johannes getauft und nicht umgekehrt. Dasselbe gelte für die Hinrichtung. Die schmach- und qualvolle Kreuzigung des Messias hatte seine Anhänger mit Sicherheit in eine starke spirituelle Krise gestürzt, weil sie zu diesem Zeitpunkt als sinnlos erscheinen musste. Erst nachträglich luden sie diesen disruptiven Vorgang mit Sinn auf.

Fazit: Jesus hat ziemlich sicher wirklich gelebt

So lautet das Fazit: Ja, Jesus hat höchstwahrscheinlich als historische Person gelebt, kam aus Nazareth und starb am Kreuz. Zwar gibt es keine handfesten, jeden Zweifel ausschliessende Beweise dafür, etwa römische Gerichtsakten zu seiner Verurteilung durch den Präfekten Pontius Pilatus. Doch indirekte Hinweise sowohl christlicher als auch ausserchristlicher Herkunft lassen es zur Genüge als plausibel erscheinen, dass Jesus tatsächlich existiert hat. Über sein Leben wissen wir indes nur wenig Verlässliches.

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191 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hadock50
24.12.2025 17:29registriert Juli 2020
In 2000 Jahren wird man sich fragen:
Hat Jack Noris tatsächlich gelebt?
....was der alles konnte!
🥲😄😇
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Antaios
24.12.2025 18:08registriert Mai 2022
Da zieht ein Wanderprediger namens Yeschua (eventuell ein Essener) durch die Provinz Judäa, sammelt Leute der Unterschicht um sich und vermittelt ihnen, dass eigentlich alle Menschen gleichwertig sind.
Legt sich mir der korrupten Priesterschaft im Tempel an, welche den Ärmsten weis macht, sie müssten mindestens ein Täubchen als Brandopferj kaufen, um als guter Jude zu gelten.
Derweil der Marionettenkönig Herodes wie verrückt bauen lässt und sein Volk quetscht.
Nicht zu vergessen der römische Statthalter, welcher auch noch in die eigene Schatulle wirtschaftet und in die Kasse des Imperiums.
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FP
24.12.2025 18:10registriert Mai 2022
Wir haben in der heutigen Gesellschaft, Intoleranz, Eifersucht, Bosheit, wir sind nicht mal fähig Frieden auf Erden zu haben, sind den wir glaubwürdig? Egal wer was glaubt, aber der Frieden ist etwas Fondamentales und dies sollte in eimem Christen und einem Atheisten wohl möglich sein an den Frieden zu glauben, wie Jesus der auch für den Frieden kämpfte mit Worten. Die Weihnachten ist das symbol des Licht und den Friedens, es macht kein sinn alles immer zu hinterfragen.
Frohe Festtage an alle wir können gemeinsam unter uns und auf der gesammten Welt mehr Frieden Wünschen
💝
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