Ein Auto rollt auf eine Kreuzung zu, die Ampel schaltet auf Rot. Der Fahrer will abbremsen, drückt aufs Pedal – doch dieses reagiert nicht wie gewohnt. Es lässt sich nur noch schwer durchdrücken, vibriert. Der Bremsweg wird länger und länger, die Ampel kommt näher und näher.
Diesen Albtraum jedes Autofahrenden hat Fabian O. erlebt. Er ist mit seinem brandneuen Tesla unterwegs, als plötzlich die Bremsen nicht mehr richtig greifen. Was danach geschieht, ist für Fabian O. nicht nur ein Versagen der Bremsen. Sondern vor allem ein Versagen von Tesla. Eine Chronologie.
Fabian O. ist mit seinem Elektroauto von Pfäffikon SZ in Richtung Zumikon ZH unterwegs. Er kommt von einem Geschäftstermin. Sein Auto, ein Tesla Model Y Juniper, fährt er seit knapp einem Monat, es hat noch keine 300 Kilometer.
Von Zumikon über Zollikerberg nach Zollikon führt die Strasse konstant bergab. Fabian O. bremst, indem er rekuperiert. So nennt man bei Elektroautos den Mechanismus, bei dem das Auto von allein bremst, sobald der Fahrer oder die Fahrerin den Fuss vom Gaspedal nimmt. Gleichzeitig wird so Energie zurück in die Batterie gespiesen, die dann wieder zum Fahren zur Verfügung steht.
Dort, wo die Bergstrasse die Rotfluhstrasse kreuzt, muss Fabian O. stärker bremsen – denn die Ampel schaltet auf Rot.
Er drückt aufs Bremspedal, doch fühlt sich dieses anders an als gewohnt. «Das Bremspedal wurde hart, vibrierte deutlich, und der Bremsweg verlängerte sich massiv», sagt Fabian O. gegenüber watson. «Ich habe mit ganzer Kraft auf das Bremspedal getreten. Und trotzdem kam das Auto nicht wie erwartet rasch zum Stillstand, sondern glitt noch eine ganze Weile weiter.»
Parallel dazu ploppt eine Fehlermeldung auf dem Display in der Mittelkonsole auf: «Bremsflüssigkeitsstand niedrig. Vorsichtig anhalten, Bremspedal fest drücken.»
Zum Glück steht kein anderes Auto vor der Ampel, sodass der längere Bremsweg nicht ins Gewicht fällt. Trotzdem fährt Fabian O. das Erlebnis in die Knochen – ist er doch in städtischem Gebiet unterwegs mit vielen Fussgängern und Zebrastreifen. «Ich war schockiert. Mit einem Ausfall der Bremsen rechnet man nun wirklich nicht bei einem brandneuen Auto.»
Den Rest der Strecke bis nach Hause fährt der Steuerberater mit extremer Vorsicht. Zuhause angekommen, verständigt er sofort den Tesla-Pannenservice. Ein Mitarbeiter holt das Auto noch am selben Abend ab.
Die ersten fünf Tage geschieht: nichts. Erst nachdem Fabian O. mehrmals nachgefragt hat, wird ihm schriftlich bestätigt, dass sein Tesla im Servicecenter in Schlieren eingetroffen sei.
Dann aber geht es schnell. Noch am selben Tag meldet sich ein Tesla-Mitarbeiter bei Fabian O.: «Wir haben Ihr Fahrzeug überprüft und dabei einen Softwarefehler festgestellt, den wir beheben konnten.» Ein mechanisches Problem am Bremssystem könne ausgeschlossen werden, eine Beeinträchtigung der Bremse habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Der Mitarbeiter bietet an, das reparierte Auto Fabian O. nach Hause zu bringen. Für Tesla, so scheint es, ist die Sache damit erledigt.
Fabian O. ist irritiert. Für ihn hat es sich sehr wohl so angefühlt, als würde sein Tesla nicht mehr richtig bremsen. Er verlangt weitere Abklärungen, die Tesla ihm zusichert. Der Steuerberater will sein Auto erst wieder zurück, wenn er eine «schriftlich klare, technisch nachvollziehbare Stellungnahme» erhalten hat.
Wieder geschieht mehrere Tage nichts. Fabian O. hakt zweimal nach und wird zweimal vertröstet. Dann meldet das Servicecenter: Das Fahrzeug sei voll funktionsfähig und einsatzbereit. Allerdings bittet nun die technische Abteilung, das Auto weitere 150 Kilometer fahren zu dürfen. Das sei notwendig für «weiterführende Analysen».
Jetzt ist Fabian O. erst recht irritiert. Hatte man ihm nicht fünf Tage zuvor schon angeboten, das reparierte Auto zurückzugeben? Warum wollen es die Tesla-Mechaniker nun weitere 150 Kilometer probefahren? «Für mich hat sich an dieser Stelle immer mehr die Frage aufgedrängt, ob man mir zuvor ein Auto zurückgeben wollte, bei dem Tesla selbst offenbar Schwierigkeiten hat, eine abschliessende Bewertung vorzunehmen», sagt Fabian O. Trotzdem erteilt er Tesla die Erlaubnis, das Auto während 150 Kilometern auf seine Funktionstüchtigkeit zu testen.
Der Tesla von Fabian O. steht nun seit genau zwei Wochen in der Werkstatt. Der Leasingvertrag läuft weiter. Immerhin erhält Fabian O. einen kostenlosen Ersatzwagen.
Dann erhält er einen Anruf. Der Service Manager von Tesla erklärt ihm, was zum Defekt an der Bremse seines Teslas geführt habe. Fabian O. hat das Gespräch als «technisch und nüchtern, aber auch informativ und freundlich» in Erinnerung.
Der Service Manager erklärt Fabian O. Folgendes: Wenn das Model Y Juniper während längerer Zeit bergab fährt, trockne der Sensor für den Bremsflüssigkeitsstand aus. Das löse die Fehlermeldung aus. Diese wiederum deaktiviere den Bremsassistenten. Das habe zur Folge, dass nur noch mechanisch gebremst werden könne – was bei einem ziemlich genau zwei Tonnen schweren Auto sehr kraftraubend ist und dementsprechend die Bremsleistung reduziert.
Zwei Lösungen stehen nun im Raum. Entweder man füllt den Stand der Bremsflüssigkeit deutlich über den Normalwert hinaus auf. So soll verhindert werden, dass der Sensor ein weiteres Mal austrocknet und die Fehlerkette erneut in Gang setzt.
Die zweite Lösung besteht in einem Softwareupdate, das dem Problem einen Riegel schieben soll. Dieses Software-Update ist aber noch in Entwicklung. Es soll innerhalb des nächsten Monats zur Installation bereitstehen.
Fabian O. hat mehrfach nachgefragt, ob das Software-Update bereit sei. Zuletzt wurde ihm das am 29. Juli schriftlich verneint. Die Folge: Sein neuer Tesla steht noch immer in der Werkstatt, nun schon seit über drei Wochen. Damit könnte Fabian O. leben. Womit er nicht leben kann: der Kommunikation von Tesla.
Der Tesla Model Y Juniper steht wieder in der Garage von Fabian O. Wirklich glücklich ist er damit aber nicht. Denn das versprochene Software-Update, mit dem das Sensor-Problem behoben werden soll, wurde nicht installiert. Das könne sich noch über Monate hinziehen, wird ihm mitgeteilt. Deshalb habe man sich nun für die Übergangslösung entschieden und den Stand der Bremsflüssigkeit über den Normwert hinaus aufgefüllt.
Fabian O. hat sein Auto nur unter Vorbehalt zurückgenommen. Ob es sich beim Bremsdefekt um ein serienmässiges Problem handelt, weiss er bis heute nicht. Es gibt Hinweise darauf, dass der Bremsdefekt kein Einzelfall ist. In einem Tesla-Forum berichten drei andere Tesla-Fahrer von ähnlichen Erlebnissen. Auch sie machten die Erfahrung, dass die Bremsen urplötzlich nicht mehr wie gewohnt funktioniert hätten. «Wie ein weicher Luftballon» habe sich das Bremspedal angefühlt, berichtet ein User. Er habe das Bremspedal «bis fast zum Blech durchdrücken» können, ein anderer.
In allen beschriebenen Fällen ging der Bremsdefekt einher mit der gleichen Warnmeldung, die auch Fabian O. erhalten hat: Bremsflüssigkeitsstand zu niedrig. Und auch in diesen Fällen wurde als Lösung vorgeschlagen, diesen Bremsflüssigkeitsstand zu überfüllen.
Fabian O. ist es nicht an Empörung gelegen. Sondern an Transparenz: «Ich würde mich schon viel sicherer fühlen, wenn Tesla klar kommunizieren und Verantwortung übernehmen würde.» Seine Hoffnung: In dem Moment, in dem Tesla über das Problem informieren würde, bezögen wohl auch viele Expertinnen und Experten Stellung. So könnte das Problem viel besser eingeschätzt und unter Umständen verhindert werden, dass sich eine ähnlich gefährliche Situation, wie sie Fabian O. erlebt hat, wiederholt.
Tesla hat auf mehrfache Anfrage von watson keine Stellung zum Vorfall bezogen. Drei Mails mit Fragen zum Vorfall blieben unbeantwortet.
Äh, ja, das ist wohl nicht ernst gemeint. Der hydraulische Bereich einer Bremsanlage ist geschlossen und austrocknen kann da nichts.
Für mich sieht das eher so aus, als würde da die Unterdruckpumpe für den Bremskraftverstärker ihren Dienst verweigern oder der Druckspeicher hat ein Problem und man deshalb das Pedal mit viel Kraft treten muss.
Ist wie beim Verbrenner, wenn der Motor nicht läuft.
Bremsen gibt es ja nicht erst seit kurzer Zeit und die Systeme funktionieren alle nach dem gleichen Schema- egal ob Verbrenner oder E-Auto.