Nach Wolodymyr Selenskyjs Sonntags-Interview im italienischen Fernsehen RAI ist nicht mehr die Frage, ob er seinen Generalstabschef Walerij Saluschnyj entlassen wird, sondern wann. Zwar betont der ukrainische Präsident, dass es ihm bei seinem angedachten «Neustart» im Abwehrkampf gegen Russland nicht nur um die Ersetzung einer Person gehe: «Wenn wir über dieses Thema reden, denke ich an den Austausch von einer Anzahl hoher Staatsbediensteter.»
Doch steht dabei der höchste Militär des Landes selbstverständlich im Rampenlicht. Seit einer Woche zirkulieren immer wieder neue Berichte über die entweder versuchte oder unmittelbar bevorstehende Ablösung des 50-jährigen Viersternegenerals. Bis zuletzt hofften Anhänger des bei Soldaten und Volk gleichermassen beliebten Saluschnyj, ein gemeinsamer Auftritt mit dem Präsidenten würde sämtliche Gerüchte über den hoffentlich nur erfundenen Zwist zum Verstummen bringen.
Doch steht dabei der höchste Militär des Landes selbstverständlich im Rampenlicht. Seit einer Woche zirkulieren immer wieder neue Berichte über die entweder versuchte oder unmittelbar bevorstehende Ablösung des 50-jährigen Viersternegenerals. Bis zuletzt hofften Anhänger des bei Soldaten und Volk gleichermassen beliebten Saluschnyj, ein gemeinsamer Auftritt mit dem Präsidenten würde sämtliche Gerüchte über den hoffentlich nur erfundenen Zwist zum Verstummen bringen.
Sofort stellen sich zwei weitere entscheidende Fragen: Was sind die Gründe und wer soll Saluschnyj in dieser schwierigen Kriegslage ersetzen? «Wir dürfen nicht entmutigt sein, wir müssen die richtige und positive Energie haben. Negativität muss zu Hause bleiben. Wir können es uns nicht leisten aufzugeben», formuliert Selenskyj im RAI-Interview das unabdingbare Anforderungsprofil an seine künftigen zivilen und militärischen Topfunktionäre.
Daraus die Verbindung zum inzwischen berüchtigten Saluschnyj-Aufsatz in «The Economist» vom vergangenen November zu ziehen, liegt nahe und greift dennoch zu kurz. Niemand konnte dem Generalstabschef ernsthaft widersprechen, wenn dieser die neue Kriegsphase als für die Ukraine gefährlichen Abnutzungskampf im Stellungskrieg beschrieb («warfare of static and attritional fighting»), von dem Russland langfristig profitieren werde.
Auch war im Aufsatz von allem anderen als defätistischer Aufgabe die Rede, sondern von den notwendigen Bedingungen, damit die Ukraine wieder an die Erfolge der zweiten Jahreshälfte 2022 anknüpfen kann. Trotzdem kritisierte der Leiter des ukrainischen Präsidentenbüros Igor Zhowkwa den General für dessen öffentliche Meinungsäusserung; solche Details zur Kriegslage zu publizieren, würde nur dem Kreml helfen.
Was Zhowkwa nicht erwähnte, war die offensichtliche Mitverantwortung des Präsidenten am militärischen Patt. Auf Selenskyjs ausdrücklichen Befehl hin, «keinen Zentimeter ukrainischen Bodens mehr preiszugeben», leitete die ukrainische Armeeführung im Herbst 2022 jene Brigaden zur Verteidigung Bachmuts um, die bereits im Raum Saporischschja zum Durchbruch in Richtung Asowsches Meer bereitstanden.
Statt des nach der Rückeroberung von Charkiw und Cherson vielleicht kriegsentscheidenden dritten Schlags zur Isolierung der Krim tappten die Ukrainer in die Falle von Bachmut, was neben entsetzlichen Verlusten den Russen ein halbes Jahr Zeit schenkte, die Südfront zu jenem undurchdringlichen Stellungslabyrinth auszubauen, an dem die letztjährige ukrainische Gegenoffensive zerbrochen ist.
Wenn Selenskyj jetzt Saluschnyj durch einen neuen Oberbefehlshaber ersetzt, was als Staatsoberhaupt sein verfassungsmässiges Recht ist, tut er das kaum aus Eifersucht vor einem beliebteren potenziellen Rivalen; zumal der General glaubhaft sämtliche politischen Ambitionen dementiert.
Vielmehr versucht der Präsident, einen Schlussstrich unter eine unerquickliche Vorgeschichte zu ziehen. Doch ändert das nichts an den zur erfolgreichen Fortsetzung des Abwehrkampfs benötigten Parametern, die Saluschnyj formuliert hat. Mit «positiver Energie» allein lassen sich jene 500'000 zusätzlichen Soldaten nicht ersetzen, die der Armeestab zum Missfallen Selenskyjs verlangt.
Kein ernsthafter Topmilitär wird darauf eingehen, von der Forderung nach zusätzlicher Mobilisierung abzurücken und stattdessen durch blossen Enthusiasmus und Zuversicht jene schmerzhaften Lücken in den Armeereihen schliessen zu wollen. Egal, welchen neuen Namen als Generalstabschef Selenskyj jetzt präsentiert, das Kernproblem bleibt bestehen. Dabei dürfte es schon rein personell schwierig genug werden, gleichwertigen Ersatz für Saluschnyj zu finden.
Diesen hält der ehemalige deutsche Nato-Kommandeur Erhard Bühler aus eigener Erfahrung als intellektuell und führungstechnisch allein auf weiter Flur. Wenn jetzt landläufig Heereschef Alexander Sirski und Militärgeheimdienst-Chef Kiril Budanow als potenzielle Nachfolger gehandelt werden, liegt das vor allem daran, dass ausserhalb der Ukraine andere Namen schlicht unbekannt sind.
Budanow etwa hat es geschafft, sich dank geschickter PR und erfolgreicher Kommandoaktion eine Art James-Bond-Aura zuzulegen. Doch ein Nachweis für überragende strategische Übersicht ist das noch lange nicht. Generell ist es ein deutlicher Hinweis auf die kritische Gesamtlage, wie dieser interne Konflikt zwischen Staats- und Armeeführung über die Medien ausgetragen wurde und wird.
Doch steht die Ukraine damit immer noch besser und demokratischer da als Russland: Putins Generalstabschef Waleri Gerassimow ist seit Jahresbeginn nicht mehr öffentlich aufgetaucht. (aargauerzeitung.ch)
Irgendwas passt hier nicht zusammen. 🤔