Blenden wir mal acht Jahre zurück: Im Sommer 2016 schienen Trumps Chancen, zum Präsidenten gewählt zu werden, so gross zu sein wie diejenigen eines Schneeballs, in der Hölle zu überleben. Seine Kampagne war ein einziges Chaos, mit Paul Manafort hatte er bereits seinen zweiten Wahlkampf-Manager verheizt. Da trat Steve Bannon auf den Plan, krempelte alles um – und verhalf Trump überraschend zum Einzug ins Weisse Haus.
In der Folge entstand die These, wonach der eigentliche starke Mann in der Regierung nicht Trump, sondern der mittlerweile zum Chefstrategen ernannte Bannon sei. Dieser liess sich auch gehörig feiern. So schilderte etwa der Journalist Joshua Green in seinem viel beachteten Buch «Devil’s Bargain» Bannons Genie.
Die Comedy-Show «Saturday Night Live» strahlte gar einen Sketch aus, in dem Trump seinen Platz hinter dem Pult im Oval Office räumen und an einem Katzentisch Platz nehmen musste, sobald der als Darth Vader – der teuflische Bösewicht aus «Star Wars» – verkleidete Bannon den Raum betrat. Kurz darauf musste Bannon das Weisse Haus verlassen, sich in die politische Wüste zurückziehen und mit dem Übernamen «sloppy Steve» leben.
Droht jetzt mit Elon Musk ein Sequel dieses Films? Nur noch viel bombastischer? Schliesslich sprechen wir vom reichsten Mann der Welt, der sich für ein Genie hält, und der weit über 100 Millionen Dollar für den Wahlkampf von Trump gespendet hat. Wie Trump handelt Musk «transaktional», will heissen, er verfährt nach der Devise: Ich kratze dir deinen Rücken, wenn du mir meinen kratzt. Er erwartet daher jetzt Gegenleistungen.
Dazu kommt, dass Musk ein Ego besitzt, das nicht kleiner sein dürfte als dasjenige des pathologischen Narzissten Trump.
Angesichts des Alters von Trump drängt sich die These auf, wonach er in seiner zweiten Amtszeit mehr auf dem Golfplatz als im Oval Office anzutreffen sein wird. Er werde die tägliche Arbeit seinem Vize J.D. Vance überlassen, so eine weit verbreitete Vorstellung. Vance ist bekanntlich das Produkt von Musks Paypal-Partner Peter Thiel.
Zusammen mit anderen Tech-Milliardären aus dem Silicon Valley – meist genannt werden Marc Andreessen, der Schöpfer des ersten Internet-Browsers, Ben Horowitz, ebenfalls Milliardär und Venture Capitalist und David Sachs, einst Mitglied der legendären Pay-Pal-Mafia – sollen sie gewissermassen den Verwaltungsrat der USA Inc. bilden und somit die eigentliche Macht in der Hand haben.
Diese Vorstellung löst zu Recht Grausen aus. So genial Musk als Unternehmer und Techniker auch sein mag, seine Pläne für die Welt der Zukunft sind eine Mischung aus adoleszenten Allmachtsphantasien und Versatzstücken aus den Romanen von Ayn Rand, der Hohepriesterin der Libertären. Aus unerfindlichen Gründen will Musk den Mars kolonialisieren, einen lebensfeindlichen Planeten mit kaum Sauerstoff. Die Erde soll derweil in ein Tech-Paradies verwandelt werden, das mit Künstlicher Intelligenz regiert wird.
Nicht weniger absurd sind die Fantasien seiner Mitstreiter. Thiel hält die Demokratie für überholt und strebt für sich ein ewiges Leben an. Andreessen hat vor rund einem Jahr ein Pamphlet veröffentlicht, in dem er schamlos die These des sozialen Darwinismus predigt, die missbräuchliche Übertragung der Theorie des Rechts des Stärkeren von der Natur auf die menschliche Gesellschaft.
Jonathan Taplin hält daher in seinem Buch «The End of Reality» fest:
Bevor wir jetzt in tiefste Depressionen verfallen: Die These vom Schattenpräsidenten Elon Musk und den Tech-Oligarchen als Verwaltungsrat der USA Inc. ist zumindest verfrüht. Sie übersieht die Möglichkeit, dass Musk wie einst Bannon von Trump weggeworfen wird wie ein benutztes Papier-Nastuch. Der Bald-wieder-Präsident mag Musk jetzt noch in den höchsten Tönen loben und ihn als neuen Star feiern.
Das kann sich jederzeit ändern, denn wie David Nasaw in der «New York Times» schreibt:
Nasaw weist auch darauf hin, dass Musk keineswegs der erste Superreiche ist, der sich einbildet, den Präsidenten manipulieren zu können. Der legendäre Stahlbaron Andrew Carnegie hat dies einst mit William McKinley versucht, der Verleger Randolph Hearst mit Franklin Roosevelt.
Wie erwähnt handelt Trump «transaktional». Er kennt weder Moral noch gegenseitige Verpflichtung. Das dürfte auch für die Bromance mit Musk gelten. Dieser will bekanntlich die amerikanische Verwaltung radikal abbauen, so wie er es mit Twitter vorgemacht hat. Zwei Billionen Dollar will er jährlich damit einsparen, ein Drittel des gesamten Staatsbudgets. Dieses Ziel ist absurd. Selbst wenn man sämtliche Staatsangestellte entlassen würde, dann hätte man erst 15 Prozent des Budgets eingespart, und würde man dies tun, dann würde die Verwaltung – anders als Twitter – zusammenbrechen.
Howard Lutnick, der Co-Vorsitzende von Trumps Transition-Teams und ein erfahrener Finanz-Manager, hat daher bereits Entwarnung gegeben. Musk «werde kein Mitglied der Regierung werden», erklärte er, sondern die Regierung bloss unterstützen – indem er Software schreibt.
David Nasaw rät Musk daher, sich noch solange im Glanz des Präsidenten zu sonnen, wie er kann. Wir hingegen müsse hoffen, dass er möglichst oft mit der Schatten-Präsident Idee kokettiert – und sich so möglichst schnell ins Abseits stellt.
Die ewigen Prognosen wirken auf Dauer eher ermüdend.
Gegenthese: Alle rechnen damit, dass die beiden sich zerstreiten, aber am Ende feuern sie sich in ihrem Wahn und es passt dann doch zwischen den beiden. Da kann man jetzt hin und her „analysieren“, aber diese absoluten Löpfe-Behauptungen sind einfach absolut unseriös (und oftmals auch einfach falsch).