Trump hält sich bekanntlich für den Grössten. Manchmal hat man aber das Gefühl, dass er einen noch mehr bewundert als sich selbst: Elon Musk. Als der ehemalige und künftige US-Präsident in der Wahlnacht die Bühne betrat, um seinen Sieg zu verkünden, sprach er 25 Minuten lang. Ganze vier Minuten widmete er Musk. Es posaunt ins Mikrofon, mehrmals:
Musk wiederum postete kurz darauf auf seinem sozialen Netzwerk X ein Bild, auf dem er vor einer US-Flagge im Morgenrot salutiert. Dazu der kurze Text: «Es ist wieder Morgen in Amerika.» Musk tritt zum Dienst an.
Trump will für ihn einen neuen Posten in seiner Regierung schaffen: Der Techmilliardär soll eine «Kommission für Regierungseffizienz» leiten. Den Staat schmaler, weniger bürokratisch und effizienter machen, das ist seine Aufgabe. Dass der Tech-Milliardär durchaus gewisse Fähigkeiten mitbringt, wenn ein radikales Vorgehen erwünscht ist, bewies er nach dem Kauf des Nachrichtendiensts Twitters. Innerhalb weniger Tage feuerte er zwei Drittel der 7500 Mitarbeitenden.
Er wolle dafür weder Geld noch einen Titel, versicherte Musk mehrmals. Was aber erhofft sich Musk von Trump? Um in dieser Frage klarer zu sehen, lohnt es sich, in das Gedankengut der Silicon-Valley-Macher einzutauchen.
Einer, der sich mit dem Geist des Silicon Valley und den Überzeugungen der Tech-CEOs beschäftigt, ist der deutsch-amerikanische Literatur- und Kulturwissenschafter Hans Ulrich Gumbrecht. Er lehrt in Kalifornien an der Eliteuniversität Stanford, der Brutstätte so mancher Tech-Start-ups, wo sie ihn auf dem Campus einfach «Sepp» nennen. Er sagt in einem Interview mit dem deutschen «Philosophie Magazin»: Musk habe sich aus guten Gründen sehr lange nicht politisch positioniert. Nun aber habe er erkannt, «dass Trump als Platzhalter für seine Langzeitprojekte taugt».
Von Trump selbst sei keine grosse gesellschaftliche Umwälzung und politische Revolution zu erwarten. Dafür fehle es ihm an Inhalten. Entscheidend aber sei, was nach den vier Jahren komme. Darauf würden sich nun Musk und sein engstes Umfeld vorbereiten. Dazu gehören insbesondere zwei weitere Männer: der Investor Peter Thiel und Vizepräsident JD Vance.
Bevor Peter Thiel zusammen mit Musk Paypal gründete und dann zum milliardenschweren Tech-Investor aufstieg, studierte er in Stanford, wo Gumbrecht lehrt, Philosophie. Er ist von libertären Ideen durchdrungen und verfolgte einst die Vision, Inseln im Ozean zu bauen, die sich dem Einfluss von Staaten entziehen und auf denen keine Gesetze gelten. Gesetze, Steuern und sozialer Ausgleich sollen den technischen Fortschritt und den Erfindergeist nicht hemmen.
Dieser Peter Thiel hat JD Vance gross gemacht. Ihm hat der junge Vizepräsident seine ganze berufliche und politische Karriere zu verdanken. Gumbrecht sagt:
Nachdem es Vance geschafft hatte, trotz schwieriger Kindheit in ärmlichen Verhältnissen in Yale ein Jura-Studium abzuschliessen, arbeitete er für den Fonds von Peter Thiel, ehe dieser ihm ermöglichte, seinen eigenen zu gründen. Danach finanzierte Thiel praktisch den gesamten Wahlkampf von Vance; 15 Millionen Dollar soll er ausgegeben haben. Vance gewann und wurde 2022 in Ohio Senator. Auch Peter Thiel soll es gewesen sein, der Trump davon überzeugt hat, JD Vance zu seinem Running Mate im Wahlkampf und somit designierten Vizepräsidenten zu machen.
2016 spendete Thiel mehrere Millionen für den Wahlkampf von Trump. Vom Resultat der vier trumpschen Jahre war er aber nicht begeistert. Hans Ulrich Gumbrecht, der mit ihm gut bekannt ist, erzählt gegenüber dem «Philosophie-Magazin»:
«Nicht genügend Diskontinuität».
Für Thiel ist Trump zu wenig radikal. In einem Essay schrieb er 2009, lange vor der ersten Wahl Trumps:
Einen Teil von Thiels libertären Ansichten und Ideen gehen auf den Blogger und Softwareentwickler Curtis Yarvin zurück. Manche nennen ihn auch Thiels Hausphilosophen. Yarvin, der wie Vance in Yale studiert hat, sieht die Demokratie als ein ineffizientes System und plädiert für eine Tech-Monarchie. Er vergleicht das Funktionieren von Regierungen mit Software. Und Software kann man updaten und umprogrammieren.
2012, vier Jahre vor Trumps erster Wahl, schrieb er:
Doch der ‹Regierungskonzern› werde schlecht gemanagt. Deshalb brauche es einen neuen «nationalen CEO». Später machte er auch einen Vorschlag, wer dieser «nationale CEO» sein könnte: Elon Musk.
Es ist nicht bekannt, dass sich Musk selbst einmal zu Jarvis geäussert hat. Ganz anders JD Vance, der in einem Interview von Yarvin und dessen Ideen schwärmte und fand, dass man die derzeitige demokratische Regierung wie einen Tumor herausreissen müsse (noch einmal so eine Metapher). Nun sitzt Vance selber in der Regierung. «Vance, Thiel und Musk haben nun erst einmal vier Jahre Zeit, um sich zu überlegen, wie diese grundlegend andere Gesellschaft aussehen soll», sagt Gumbrecht im Interview mit dem «Philosophie-Magazin». Sie würden sich überlegen, ob sie die nächste Wahl überhaupt wollen und wer der Kandidat sein könnte.
Nach dem derzeitigen Wahlrecht – das wird zu oft ausser Acht gelassen – könnte Musk gar nicht US-Präsident werden. Er kam in Südafrika auf die Welt und über Kanada in die USA, wo er sich einbürgern liess. Die Präsidentschaft ist aber nur gebürtigen Amerikaner vorbehalten – deshalb war auch für Arnold «Terminator» Schwarzenegger sein Gouverneurs-Posten in Kalifornien das Ende seiner politischen Karriere.
Im Gedankengut von Yarvin und Thiel ist das aber natürlich nur ein Programmierfehler, der sich mit einem Update der Regierungssoftware ausmerzen liesse. Doch sucht Musk die Rolle des «nationalen CEO» überhaupt? Was will er? Um Geld geht es ihm nicht. Das arbeitete sein Biograf Walter Isaacson plausibel heraus.
Wäre Geld sein Antreiber, wäre er nach dem Verkauf von Paypal und den erlangten vielen Millionen nicht das Wagnis eingegangen, die Autobranche zu revolutionieren und gleichzeitig das erste private Raumfahrtunternehmen aufzubauen, das Menschen in den Weltraum befördern kann. Er hätte viel mehr das getan, was fast alle erfolgreichen Gründer im Silicon Valley tun: ein weiteres Software-Start-up gründen. Das ist erfolgversprechender. Oder er wäre so vorgegangen wie sein Partner Thiel und hätte einen Fonds gegründet, um mit Investments zum Multimilliardär zu werden. Noch erfolgsversprechender.
Anfrage an Hans Ulrich Gumbrecht: Was wollen Musk und Thiel mit ihren politischen Einflussnahmen?
Ausserdem hätten sie ein Interesse an der Macht – wie jeder, der auf die Politik Einfluss nehmen wolle. Bei Peter Thiel vermutet Gumbrecht noch ein anderes Momentum:
Wird Elon Musk in Interviews gefragt, was das Wichtigste für die Menschheit sei, dann sagt er: «den Mars kolonisieren.» In seinem Weltbild ergibt das Sinn. Die Menschheit darf nicht aussterben. Wenn sie auf mehreren Planeten lebt, also «multiplanetar» wird, halbiert sich das Risiko einer Ausrottung. Irgendwann, wenn die Sonne verglüht, muss sie es ohnehin zu einem anderen Stern geschafft haben.
Ja, der Tech-Milliardär denkt weiter als die meisten. Für unsere Gegenwart hingegen ist entscheidend, dass Musk nicht zur Auffassung kommt, dass Demokratie und eine multiplanetare Menschheit unvereinbar sind.
(aargauerzeitung.ch)
Ach ja, wir werden alle freier sein, wenn wir weniger zu sagen haben.
Natürlich nicht. Aber es geht ja auch nicht um alle, sondern um wenige, Wohlhabende.
In einer Oligarchie oder Plutokratie haben die Herrschenden selbstverständlich mehr Freiheiten, ganz zu Lasten des Volkes natürlich.