Eine grosse Mehrheit der Amerikaner wünscht sich November 2024 keine Wiederholung des Duells Donald Trump gegen Joe Biden. Sie lehnen beide Kandidaten ab. Trotzdem deutet derzeit alles daraufhin, dass es zu eben diesem Replay der beiden Oldies kommen wird. Trump ist in den Umfragen für die Vorwahlen der Republikaner weit voraus. Biden hat bisher keine ernsthafte Konkurrenz in der eigenen Partei.
Kommt es somit zwangsläufig zu einer Fortsetzung eines Filmes, den sich niemand angucken will?
Nein, denn selbst wenn die Kandidaten die gleichen sein sollten, werden die Wahlen unter ganz anderen Umständen stattfinden. Ein bedeutender Faktor ist dabei die Tatsache, dass sich die Zusammensetzung der Wählerschaft stark verändert haben wird. Das zeigen Celinda Lake und Mac Heller in der «Washington Post» auf.
Im Jahr 2016 hat Trump gegen Hillary Clinton nicht zuletzt auch deshalb gewonnen, weil er eine Mehrheit der älteren Wähler auf seiner Seite hatte. Rund 20 Millionen dieser Wähler werden 2024 jedoch bereits tot sein, denn jährlich sterben in den USA rund zweieinhalb Millionen Menschen. Rund vier Millionen Menschen erreichen jährlich das 18. Lebensjahr und werden damit stimmberechtigt. Das bedeutet, dass sich altersmässig gesehen die Wählerschaft um 52 Millionen Stimmen verändert hat, das sind ein Fünftel der 258 Millionen wahlberechtigten Amerikanerinnen und Amerikaner.
Auf den ersten Blick scheint diese demografische Veränderung ein gewaltiger Vorteil für Biden und die Demokraten zu sein. Die Generation Z ist deutlich besser ausgebildet als ihre Väter und Grossmütter, und die besser Ausgebildeten wählen mehrheitlich demokratisch. Zudem ist für dieses Wählersegment der politische Inhalt wichtiger als die Personen. Auch da haben die Demokraten die Nase vorn: Abtreibung, Klimaerwärmung und härtere Waffengesetze sind wichtige Anliegen der Jungen.
Der Kulturkrieg um den angeblichen Woke-Wahnsinn hingegen lockt keinen der jungen Wähler hinter dem Ofen hervor. Und apropos Hinter-dem-Ofen-Hervorlocken: Die Generation Z geht auch deutlich mehr zur Urne als seinerzeit die Babyboomer.
Können sich Biden und die Demokraten somit unbesorgt zurücklehnen und bereits darüber spekulieren, wie gross ihr Vorsprung 2024 sein wird? Nicht ganz. Die Generation Z guckt kaum TV und liest schon gar keine Zeitungen. Sie informiert sich auf den sozialen Plattformen, und dort haben die Republikaner die Nase vorn.
Die weit grössere Gefahr für die Demokraten kommt jedoch von dritter Seite, von einer Gruppierung, die sich «No Labels» nennt. Gemeint ist damit eine Gruppe um den ehemaligen Senator Joe Lieberman, die derzeit abklärt, ob sie mit zwei unabhängigen Kandidaten gegen Trump und Biden antreten will. Im Gespräch ist das Duo Joe Manchin (Demokrat) und Jon Huntsman (Republikaner).
No Labels will den allgemeinen Frust über eine Trump-Biden-Wiederholung ausnützen und rechnet sich reelle Chancen auf einen Wahlsieg eines unabhängigen Kandidaten-Duos aus. Mit dem widerborstigen Manchin und dem gemässigten Huntsman hoffen sie, die Wählerinnen und Wähler in der Mitte für sich gewinnen zu können. Sie haben auch das nötige Kleingeld, um einen Wahlkampf zu finanzieren. Die Gruppierung hat bereits rund 70 Millionen Dollar Spenden eingesammelt.
Auf den ersten Blick scheint dieser Plan aufzugehen. Die Demokraten zumindest werden bereits nervös. William Galston, ein ehemaliger demokratischer Wahlstratege, kommt in einem Gastkommentar im «Wall Street Journal» zum Schluss, dass ein unabhängiger Kandidat Trump zu einem knappen Sieg verhelfen würde. Zudem haben die Demokraten leidvolle Erfahrung aus der Vergangenheit. Die grüne Kandidatin Jill Stein hat wahrscheinlich Hillary Clinton die Wahl vermasselt, Ralph Nader tat es 2000 mit Sicherheit im Fall von Al Gore.
Karl Rove, der ehemalige Chefstratege von George W. Bush, teilt die Einschätzung von Galston. Ebenfalls im «Wall Street Journal» stellt er fest: «Es ist keine Frage, dass ein Dreikampf mit Mr. Manchin Team Bidens Probleme mit Schlüsselwählern verstärken würde, angefangen mit den enttäuschten Wählern.»
Doch auch hier gilt, was auf den ersten Blick offensichtlich erscheint, muss es auf den zweiten nicht sein. In der «Washington Post» kommt Aaron Blake zu einem gegenteiligen Schluss. Trump wäre der Verlierer eines Dreikampfs, stellt er fest und liefert dazu eine einleuchtende Erklärung: Seit seiner Rolle im Kampf um den Green New Deal mögen die meisten Demokraten den starrsinnigen Manchin nicht mehr. Die meisten Republikaner hingegen mögen ihn gerade deswegen. Deshalb werden vor allem potenzielle Trump-Wähler zu Manchin abwandern.
Um seine These zu belegen, kann sich Blake auf mehr als nur auf seinen Bauch stützen. Eine Umfrage der Monmouth University hat ergeben, dass sich deutlich mehr Republikaner als Demokraten für ein Duo Manchin/Huntsman entscheiden würden.
Ein weiteres Ärgernis für Team Biden ist Robert F. Kennedy. Der Sohn des ermordeten ehemaligen Justizministers hat sich als prominentester Impfgegner einen Namen geschaffen und ist seit der Pandemie in der Schwurbler-Szene so etwas wie ein Held.
Er will in den Vorwahlen gegen Biden antreten, und hatte anfänglich erstaunlich gute Umfragewerte. Die Republikaner und die konservativen Medien nahmen den Ball dankend auf. Seit er seine Kandidatur bekannt gemacht hat, ist Kennedy Dauergast bei Fox News.
Inzwischen scheint jedoch sein Stern bereits am Verglühen zu sein. Mit dümmlichen antisemitischen Vergleichen hat er sich selbst ins Abseits manövriert.
Alles deutet derzeit auf eine Wiederholung des Duells Trump gegen Biden hin. Doch 16 Monate sind in der Politik beinahe ein Jahrhundert. Sehr vieles kann sich noch ändern, Trump hat juristische, Biden gesundheitliche Probleme. Dazu kommt, dass eine Wirtschaftskrise oder gar ein Krieg die Karten neu mischen könnten. Eines jedoch steht fest: Die nächsten Wahlen werden für die amerikanische Demokratie und den liberalen Westen von grösster Bedeutung sein – und sie werden unter völlig veränderten Rahmenbedingungen stattfinden.
Das Problem bei der demographischen Argumentation ist, dass obwohl Junge ins Wahlalter kommen und Alte sterben, es trotzdem so ist, dass jeder einzelne Mensch älter wird - und die meisten Leute werden mit zunehmendem Alter etwas konservativer. Kurz: Die Konservativen wachsen nach.
Zudem ist es keineswegs so, dass Junge die Werte der Reps per se ablehnen. Mag sein, dass es da eine demographische Verzerrung gibt, aber in den Online-Games, die ich so spiele, ist die Mehrheit der junger Amerikaner Pro-Trump und Anti-Biden.