Gegen 20 Minuten lang sprach Donald Trump an seiner Rally in Tulsa vom vergangenen Samstag über einen Vorfall in der Militärakademie West Point. Nach seiner Ansprache an die 700 angehenden Offiziere war er wie ein Greis eine flache Rampe heruntergetrippelt. Im Internet ging das Video dieses Vorfalls viral. Deshalb nahm sich Trump die Mühe, sich nun im Detail zu rechtfertigen.
Das West-Point-Video zeigt den 74-Jährigen als alten Mann, als den leicht senilen Grossvater, der nicht mehr so richtig checkt, was rund um ihn abgeht. Die Tulsa-Rally war das bisher wohl grösste Debakel seiner Amtszeit. Im Vorfeld der Veranstaltung hatte das Trump-Wahlkampfteam geprahlt, mehr als eine Million Menschen hätten sich angemeldet. Schliesslich fanden gerade Mal rund 6000 Trump-Fans den Weg ins Stadion.
Die Aussenstationen, welche den Event hätten live auf Videoleinwände übertragen sollen, blieben gähnend leer. Selbst der Drudge Report, ein äusserst einflussreicher Blog der rechten Szene, spottete, das sei «Maga less Mega». Will heissen: Trumps Spruch «Make America Great Again» sei verblasst.
Bisher waren die Rallys die stärkste Waffe in Trumps Polit-Arsenal. Tulsa war daher als Auftakt eines Wahlkampfs gedacht, der den Präsidenten als entschlossenen und energischen Führer der Nation darstellen soll, der sich deutlich vom schwachen Herausforderer Joe Biden abhebt. Die Voraussetzungen schienen ideal. Tulsa liegt in Oklahoma, einem der konservativsten Bundesstaaten der USA.
Stattdessen steht Trump nun als ein vom Aussterben bedrohter Polit-Dinosaurer da. Die Umfragen sprechen eine deutliche Sprache. Rund 10 Prozentpunkte liegt Trump im Durchschnitt verschiedener Umfragen hinter Biden. Besonders schmerzlich ist eine Fox-News-Umfrage, die ihn gar um 12 Prozentpunkte im Hintertreffen sieht. Auch in wichtigen Swing States wie Michigan, Arizona und Florida hat Biden die Nase vorn.
Trump ist sich selbst der grösste Feind geworden. Deshalb kann Biden locker aus der Defensive punkten. Der demokratische Herausforderer muss nichts riskieren. Folgerichtig verhält er sich wie eine Fussballmannschaft, die mit 3 zu 0 in die zweite Halbzeit geht und den Ball in den eigenen Reihen hält.
Der Präsident hatte derweil eine miserable Woche, nicht nur, weil ein Richter verfügt hat, dass das Buch von John Bolton erscheinen darf. Darin zeigt der ehemalige Sicherheitsberater auf, was inzwischen längst klar geworden ist: Trump ist unfähig und sein einziges Interesse gilt seiner Wiederwahl.
Obwohl er zwei der neun Sitze im Obersten Gerichtshof mit konservativen Richtern besetzen konnte, haben eben diese Richter Trump eine kräftige Ohrfeige verpasst. Zuerst haben sie festgehalten, dass Schwule, Lesben und Transgender-Menschen nicht wegen ihrer sexuellen Neigung entlassen werden dürfen.
Danach haben die obersten Richter der Trump-Regierung untersagt, die sogenannten Dreamers auszuweisen. Dabei handelt es sich um Ausländer, die als Kinder illegal von ihren Eltern in die USA gebracht wurden und dort aufgewachsen sind. Sie dürfen bis auf weiteres bleiben.
Die beiden Niederlagen haben Trump zugesetzt. «Habt Ihr auch das Gefühl, dass der Oberste Gerichtshof mich nicht liebt?», tweetete er sichtlich entnervt. Dabei übersieht der Präsident, dass die Richter ganz im Sinne der Amerikaner entschieden haben. Eine überwältigende Mehrheit will weder die LBGTQ-Gemeinde diskriminieren, noch die Dreamers ausweisen.
Auch in anderen Fragen steht Trump neben den Schuhen. «New-York-Times»-Kolumnist Frank Bruni zählt sie auf:
Anders als Europa haben die USA die Coronakrise noch keineswegs im Griff. Die Zahl der Covid-19-Fälle ist nicht abgesackt, sie stagniert auf hohem Niveau. Einzelne Bundesstaaten melden gar neue Höchststände. Trump hat immer noch keine Strategie gegen das Virus. Er verleugnet es schlicht, trägt demonstrativ keine Maske und will gar das Testen einschränken. «Wenn wir in diesem Ausmass testen, dann finden wir immer mehr Fälle», klagte er in Tulsa. «Deshalb habe ich meinen Leuten gesagt, testet doch bitte weniger.» Später erklärte das Weisse Haus, diese Aussage sei als Witz gemeint gewesen.
Trumps grösster Irrtum ist seine Einschätzung der Black-Lives-Matter-Bewegung. In Tulsa hat er den Namen von George Floyd nicht ein einziges Mal erwähnt. Der in Minneapolis von einem weissen Polizisten getötete Afro-Amerikaner ist inzwischen zum Symbol des nach wie vor grassierenden Rassismus geworden. Stattdessen lobte Trump die Polizei über den Klee.
Dabei sind rund 70 Prozent der Amerikaner derzeit der Meinung, dass es tatsächlich eine Diskriminierung der Schwarzen gibt. So schreibt die «Washington Post»:
Verzweifelt versucht Trump, an 2016 anzuknüpfen. Doch diesmal will der Funken offenbar nicht mehr überspringen. Selbst seine Anhänger beginnen, sich zu langweilen. So vermeldet der «New Yorker»:
Da kann er einem schon fast leid tun.
Das Gefühl hatte ich zB bei Obama nicht, der hätte wohl gesagt "Ich hätte gerne weiter gemacht, aber das Volk hat gesprochen, ich wünsche meinem Nachfolger alles gute.". Bei Trump kann ich mir das höchstens als aufgenommene Video Botschaft, mit zusammengekniffenen Augen vom Teleprompter aböesend vorstellen.