Richtig zufrieden ist eigentlich niemand. Linke Aktivisten, die sich seit Jahren für die Verschärfung der amerikanischen Waffengesetze auf Bundesebene einsetzen, sagen: «Dieser Gesetzesentwurf sollte der Beginn und nicht das Ende der Arbeit des Kongresses sein.» Und rechte Hardliner wettern: «Senatoren wollen gesetzestreuen Amerikanerinnen und Amerikanern die Waffen wegnehmen.»
Aber vielleicht ist diese Kritik auch ein Ausdruck dafür, dass der Kompromiss, der am Wochenende von 10 Demokraten und 10 Republikanern im Senat ausgehandelt wurde, kein Luftschloss ist – weil sowohl linke als auch rechte Abgeordnete Zugeständnisse machen mussten.
Das Rahmenabkommen ist eine direkte Reaktion auf die Amokläufe in Buffalo (New York) und Uvalde (Texas), bei denen zwei junge Männer im vergangenen Monat insgesamt 31 Menschen kaltblütig ermordeten. Das Paket sieht Milliarden-Investitionen mit Fokus auf die psychische Gesundheit und die Sicherheit von Schulanlagen vor.
Bei Waffengeschäften soll die Leumundsüberprüfung verschärft werden, falls der Waffenkäufer jünger als 21 Jahre alt ist. Auch will Washington mit Hilfe von Millionen-Subventionen die 50 Bundesstaaten dazu anspornen, «Red Flag»-Gesetze zu verabschieden. Diese Vorschriften ermöglichen es den Behörden, Gewehre, Revolver oder Pistolen temporär zu konfiszieren, falls es Warnsignale aus dem Umfeld des Waffenbesitzers gibt.
Experten sagen, solche «Red Flag»-Gesetze könnten nicht nur das nächste Massaker verhindern, sondern auch die hohe Zahl von Suiziden verringern. Allein im Jahr 2020 nahmen sich mehr als 24'000 Menschen in Amerika mit Hilfe einer Waffe das Leben.
Hingegen schweigt sich das Paket über ein Verbot gewisser Waffenkategorien oder die Erhöhung des Mindestalters bei Waffenkäufen aus. Diese linken Forderungen, die zuletzt auch Präsident Joe Biden gestellt hatte, sind im Senat – aufgrund des angestaubten Regelwerks der kleinen Parlamentskammer – nicht mehrheitsfähig. Denn im Senat kann eine Minderheit von 40 der 100 Abgeordneten missliebige Gesetzesentwürfe blockieren.
Die Republikaner, aktuell mit 50 Sitzen im Senat vertreten, stellen sich auf den Standpunkt, dass solche Verbote oder Einschränkungen, die sich vorwiegend gegen halb-automatische Waffen des Typus AR-15 richten würden, gegen die Verfassung verstiessen. Diese Sichtweise wird, im Grundsatz, auch vom Supreme Court geteilt. In einer wegweisenden Entscheidung im Jahr 2008 hielt das höchste amerikanische Gericht fest, dass Amerikanerinnen und Amerikaner ein Recht besässen, sich mit Hilfe einer Waffe zu verteidigen.
Aufgrund dieser Grundhaltung, die auch von Waffenlobbyisten unterstützt wird, liefen in den vergangenen Jahrzehnten sämtliche Anläufe zur Verschärfung der Waffengesetze im Senat auf Grund. Der letzte erfolgreiche Versuch, eine ganze Kategorie von Waffen zu verbieten (die so genannten Assault Weapons, ein Begriff, der auf Deutsch häufig mit Sturmgewehren übersetzt wird), liegt deshalb bereits mehr als 25 Jahre zurück.
Die Demokraten scheinen diese Fundamentalopposition der Republikaner nun akzeptiert zu haben. Ihr Verhandlungsführer im Senat, Chris Murphy aus Connecticut, stieg deshalb nicht mit grossen Hoffnungen in die neuste Verhandlungsrunde. «Es ist schwierig, aber wir wollen Leben retten», sagte er stattdessen.
Sein Gegenspieler, der Republikaner John Cornyn aus Texas, wiederum zeigte sich über das Massaker in Uvalde tief betroffen. Mit Hinweis auf die politische Realität – in Amerika gibt es mehr Waffen als Menschen – warnte er aber auch vor übertriebenen Erwartungen. Das Parlament müsse «stufenweise» vorgehen, sagte er.
In einem nächsten Schritt werden die 20 Senatoren nun einen ausformulierten Gesetzesentwurf vorlegen. Dieser soll noch vor der Sommerpause vorliegen; sämtliche 50 Demokraten und mindestens 10 Republikaner im Senat müssen das Paket unterstützen, damit es verabschiedet werden kann. Anschliessend geht die Vorlage ans Repräsentantenhaus; in der grossen Kammer stellen die Demokraten aktuell 220 der 435 Sitze.