Politik sei Showbusiness für hässliche Menschen, pflegen Zyniker zu spotten. Als hässlich kann man Ron DeSantis nicht wirklich bezeichnen – vielleicht als leicht übergewichtig –, aber er braucht dringend einen Stilberater. «DeSantis hat ein Problem, und es ist visuell», stellt Robert Armstrong, Kolumnist in der «Financial Times» fest. «Ein wichtiger Teil dieses Problems ist die Art und Weise, wie er sich kleidet.»
Dass Kleider Leute machen, wusste schon Gottfried Keller. Bei DeSantis ist jedoch unklar, was für eine Persönlichkeit er darstellen will. Seine Kleider würden «kaum je eine Botschaft aussenden, und wenn, dann die falsche», so Armstrong.
Tatsächlich ist es schwierig, die Kleidungs-Botschaften des Gouverneurs von Florida zu entziffern. Nach den heftigen Überschwemmungen im vergangenen April beispielsweise kreuzte er mit weissen Stiefeln auf – und machte sich mit diesem Look zum Gespött der Comedians.
Oder er will sich in Jeans und Cowboy-Stiefeln als harter Macho-Mann präsentieren. Die Kombination mit einer Fleece-Weste, einer ärmellosen Herrenweste, ist suboptimal. Vor allem Wall-Street-Banker und Milliardäre lassen sich gerne in dieser Kleidung blicken.
Auch Donald Trump sei modisch betrachtet eine Katastrophe, mag man nun einwenden. Sein ewig gleicher blauer Anzug, meist ein paar Nummern zu gross, um sein Übergewicht zu kaschieren, kombiniert mit der obligaten, überlangen roten Krawatte lassen ebenfalls jedem Stilberater die Haare zu Berge stehen. Das stimmt, doch Trumps bizarre Kleidung kommt bei seiner Basis sehr gut an, denn sie sendet eine klare Botschaft aus: Genau so stellt sich Johnny Sixpack einen Milliardär vor.
«Die Kleidung wird zum Identitätsproblem», stellt Armstrong weiter fest. «DeSantis muss sich endlich wohl in seiner Haut fühlen und dies auch ausstrahlen.» Das dürfte so schnell nicht der Fall sein. Die konfuse Kleiderwahl des Gouverneurs widerspiegelt seine konfuse Strategie.
Einerseits will DeSantis ein «Trump mit Gehirn» sein, eine Strategie, die viele Politbeobachter als hirnlos bezeichnen. «Wer will schon eine Kopie, wenn das Original zu haben ist?», lautet der berechtigte Einwand. Dazu kommt, dass Johnny Sixpack gerade deshalb Trump verehrt, weil er eben kein Gehirn hat.
Inzwischen hat DeSantis auch realisiert, dass die Trump-mit-Gehirn-Masche nicht zieht. Deshalb hat er begonnen, seinen ehemaligen Mentor rechts zu überholen. So hat er kürzlich ein mehr als dümmliches Wahl-Video ausstrahlen lassen, in dem er dem Ex-Präsidenten vorwirft, er habe zu viel Sympathien für die LGBTQ+-Gemeinschaft und sei zu wenig resolut in der Abtreibungsfrage. Auch dieses Video hat in der Polit-Szene Kopfschütteln und bei den Wählerinnen Unverständnis hervorgerufen.
DeSantis will sowohl die moderaten Republikaner als auch die unabhängigen Wähler für sich gewinnen, indem er sich als Trump ohne Chaos darstellt. Gleichzeitig will er die Trump-Basis davon überzeugen, dass er noch härter gegen den vermeintlichen Woke-Wahnsinn vorgehen wird als der Ex-Präsident. Diese Kombination ist genauso widersprüchlich wie Jeans mit Fleece-Weste.
Apropos Woke-Wahnsinn: Mit seinem idiotischen Streit mit der Disney Corporation hat sich DeSantis selbst in eine Ecke gemalt. Alle, auch Konservative, lieben Mickey Mouse, und sich mit dem wichtigsten Arbeitgeber in seinem Bundesstaat anzulegen, ist selten eine gute Idee.
Die Mehrheit der Wählerinnen hat DeSantis mit einem überharten Abtreibungsgesetz in Florida vergrault. Viele moderate Wählerinnen und Wähler hat er vor den Kopf gestossen, indem er Immigranten auf Kosten des Steuerzahlers auf die Insel Martha's Vineyard ausfliegen liess. Dazu kommt, dass er über null Charisma verfügt. Er sei schlicht ein Arschloch, sagen selbst seine Parteifreunde hinter vorgehaltener Hand.
All dies hat zur Folge, dass der Höhenflug des Ron DeSantis zumindest gebremst wurde, ja vielleicht schon zu Ende ist. Hat er sich im Frühjahr noch in verschiedenen Umfragen auf Augenhöhe mit Trump befunden, liegt er jetzt rund 30 Prozentpunkte hinter dem Ex-Präsidenten zurück. Selbst in Florida beträgt der Rückstand rund 20 Prozentpunkte. Was DeSantis besonders schmerzen muss: In einigen Umfragen wird er nun gar von Vivek Ramaswamy eingeholt, dem weitgehend unbekannten Hedgefonds-Manager und Ultra-Trumpisten.
Dazu kommt, dass die Murdoch-Medien ihre mehr oder weniger offene Unterstützung für DeSantis wieder stark heruntergeschraubt haben. Selbst auf Fox News setzt man vermehrt wieder auf Trump und rät dem Gouverneur aus Florida, er solle es doch 2028 nochmals versuchen. Mit 44 Jahren habe er ja noch reichlich Zeit.
Inzwischen lässt sich der Absturz in den Umfragen nicht mehr vertuschen. DeSantis selbst schiebt zwar – wen überrascht es – den Medien die Schuld in die Schuhe. Sein Sprecher Steve Cortes jedoch räumt ein: «Wenn ich ehrlich bin, muss ich eingestehen, dass es ein steiler Weg werden wird. In den nationalen Umfragen liegen wir weit zurück.»
Um wieder auf Augenhöhe mit Trump zu gelangen, setzt DeSantis auf zwei Frauen: auf Kim Reynolds, die Gouverneurin des Bundesstaates Iowa, und auf seine Gattin. Reynolds ist in Iowa sehr beliebt, und sie mag DeSantis. Iowa ist besonders wichtig, weil dort die ersten Primärwahlen stattfinden. Wer dort die Vorwahlen für sich entscheiden kann, legt oft den Grundstein für einen späteren Sieg in der parteiinternen Ausmarchung. Das gilt zumindest bei den Republikanern. Die Demokraten haben sich neuerdings für South Carolina entschieden.
Die Ehefrau Casey DeSantis soll mithelfen, das offensichtliche «likeability»-Problem ihres Gatten zu beheben. Die ehemalige TV-Moderatorin ist deshalb immer öfters an Wahlveranstaltungen an der Seite ihres Mannes zu beobachten. «Sie ist seine wichtigste Waffe», stellt dazu die «New York Times» fest. «Aber, je nach Ansicht, auch sein grösstes Handicap.»
Tatsächlich ist Casey DeSantis beim Wahlkampf-Team ihres Mannes unbeliebt. Es heisst, dass er einzig auf sie höre, und dass die beiden sich in ihrer eigenen Welt einschliessen würden. Andererseits jedoch hat die Gattin sehr gute Beziehungen zu den Moms for Liberty, einer Lobby-Gruppe von konservativen Frauen, die grossen Einfluss auf die Grand Old Party gewonnen hat.
«DeSantis ist im Begriff, die besten Chancen zu haben, der erfolgreichste Also-run der US-Politik zu werden», stellt Edward Luce in der «Financial Times» fest. Mindestens sein Outfit sollte der Gouverneur aus Florida so gesehen rasch in den Griff bekommen.
Falsch, Trump kleidet wie ein US-Präsident aus einem Hollywood-Film. Man muss sich eine Person im Amt vorstellen können, damit sie eine Chance auf die Wahl hat. Die leichte Übergrösse signalisiert dabei (wie auch bei Blocher): ich bin eigentlich einer von euch.
Wir sind so viel weiter als noch im letzten Jahr 🤩