Warum Trumps Lügen jetzt so gefährlich sind
Im Oktober 2012 verwüstete der Hurrikan Sandy Teile der Küste der beiden Bundesstaaten New York und New Jersey. Wie das die Pflicht eines jeden Präsidenten ist, eilte Präsident Barack Obama umgehend in die betroffenen Gebiete, um die Unterstützung seiner Regierung zu versichern. In New Jersey wurde er von Chris Christie, dem damaligen republikanischen Gouverneur, nicht nur freundlich empfangen, sondern sogar umarmt. Das sollte Christie teuer zu stehen kommen. Als er drei Jahre später für das Weisse Haus kandidierte, blieb er chancenlos, nicht zuletzt seiner Umarmung Obamas wegen.
Heute hätte Christie dieses Problem nicht mehr. Dass ein republikanischer Gouverneur einen demokratischen Präsidenten herzt, ist undenkbar geworden. Stattdessen benutzt Donald Trump die katastrophalen Schäden, die der Hurrikan «Helene» in den Bundesstaaten Florida, North Carolina, Georgia und Tennessee hinterlassen hat, um bösartige Verschwörungstheorien in die Welt zu setzen.
Hier ein paar Beispiele:
- Die FEMA, die staatliche Organisation, die zuständig für die Katastrophenhilfe ist, habe Gelder für die Unterbringung von Immigranten missbraucht. Deshalb fehle nun eine Milliarde Dollar in der Kasse, welche die von der Katastrophe betroffenen Amerikanerinnen und Amerikaner dringend brauchen würden. Diese Aussage, die auch von Fox News und anderen Trump-hörigen Medien verbreitet wird, entbehrt jeder Grundlage – ja, sie ist technisch nicht möglich, da die Gelder für Katastrophenhilfe und Immigranten-Unterstützung aus zwei völlig getrennten Fonds gespeist werden. Wenn jemand so etwas getan hat, dann Trump während seiner Amtszeit. Damals hatte er Gelder aus dem FEMA-Fonds für den Bau seiner Mauer missbraucht.
- Die Regierung würde die Gegenden, die mehrheitlich republikanisch wählen, absichtlich benachteiligen. Das ist eine weitere eklatante Lüge. Und eine weitere Projektion. Trump hatte als Präsident während der Waldbrände in Kalifornien nationale Hilfe verwehrt, weil die Kalifornier mehrheitlich demokratisch wählen.
- Wider die Fakten behauptet Trump weiter, Präsident Joe Biden habe sich nicht die Mühe genommen, sich mit den Gouverneuren der betroffenen Bundesstaaten in Verbindung zu setzen. Dies, obwohl selbst Brian Kemp, der republikanische Gouverneur von Georgia, dies explizit dementiert hat.
Die Lügen sind nicht nur ein abscheulicher Missbrauch des Schicksals der von der Katastrophe betroffenen Menschen. Sie behindern auch die Arbeit der Retter. Kevin Corbain, ein Republikaner und bundesstaatlicher Senator von North Carolina, fleht seine Parteigenossen auf Facebook daher geradezu an: «Freunde, könnt ihr mir einen Gefallen tun? Hört mit diesen Verschwörungstheorien auf, die sich explosionsartig auf dem Internet verbreiten. Bitte, lasst euch nicht von diesen verrückten Geschichten überzeugen.»
Mit «verrückten Geschichten» meint Corbain etwa, dass in Spitälern Hunderte von Leichen versteckt werden, um das Ausmass der Katastrophe zu vertuschen. Einer, der diesen Unsinn verbreitet, ist Alex Jones – der Mann, der einst die absurde Behauptung in die Welt gesetzt hatte, das Schulmassaker von Sandy Hook sei gestellt gewesen.
Selbstverständlich mischt auch die Königin der Verschwörungstheoretiker kräftig mit. Marjorie Taylor Greene fügt ihrer «Jüdische Laser aus dem All»-These ein neues Kapitel hinzu. «Ja, sie können das Wetter kontrollieren», postete sie auf X und will damit insinuieren, die Biden-Regierung habe dafür gesorgt, dass in North Carolina vor allem republikanische Gegenden vom Hurrikan getroffen wurden.
Mit weit über 200 Toten ist der Hurrikan «Helene» einer der schlimmsten, der die USA je getroffen hat. Meteorologen kündigen jedoch an, dass bereits morgen Hurrikan «Milton» Florida heimsuchen werde, und dass dieser noch schlimmere Ausmasse als «Helene» annehmen könnte. Grund dafür seien die durch die Klimaerwärmung verursachten viel zu hohen Temperaturen des Wassers im Golf von Mexiko.
Der Ex-Präsident hat immer wieder die Klimaerwärmung als «Witz» abgetan, ja sie sogar als positives Phänomen bezeichnet, da dadurch mehr attraktive Meeresstrände entstehen würden. Über die Ursachen der jüngsten Unwetter-Katastrophen verliert er daher kein Wort. Stattdessen lässt Trump sämtliche Hemmungen fallen, wenn es darum geht, rassistisches Gedankengut der Nazis zu verbreiten. So spricht er neuerdings nicht mehr nur vom «schlechten Blut», das Immigranten angeblich in die USA einschleppen würden. Inzwischen faselt er bereits von «schlechten Genen».
Eine vermeintlich harmlose Lüge Trumps lautet wie folgt: Jamie Dimon, der CEO von J.P. Morgan und der derzeit meist geachtete Banker der Welt, habe ihn zur Wahl empfohlen. Natürlich waren dies Fake News. Jeder Journalistenschüler konnte dies mit einem einzigen Anruf an die Pressestelle von J.P. Morgan verifizieren. Warum also lügt Trump so offensichtlich und billig? Die Antwort lautet: Weil er es kann.
Der Ex-Präsident reiht sich mittlerweile nahtlos in die Gruppe der Diktatoren ein, von denen die Historikerin Anne Applebaum in ihrem neuesten Buch «Autocracy Inc.» feststellt: