Ich hol jetzt das Schwein
Ansonsten guter Kommentar.
«Macht vorwärts mit dem Impfzwang!», schreibt «Washington Post»-Kolumnist Eugene Robinson. «Wenn Vernunft, Patriotismus und offensichtliches Eigeninteresse nicht genügen, um zögerliche Amerikaner zu überzeugen, sich impfen zu lassen, dann schafft dies vielleicht die Drohung, dass man nicht mehr zur Arbeit oder zur Schule gehen oder ein halbwegs normales Leben führen kann.»
Anlass für diese unmissverständliche Aufforderung ist ein Bescheid der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel, dem FDA. Sie hat am Montag dem Covid-Impfstoff von Pfizer die definitive Zulassung erteilt. Sie hat es sich dabei nicht leicht gemacht. Rund 340’000 Seiten voll gespickt mit Daten, gesammelt von 37’000 Teilnehmern, mussten ausgewertet werden. Das Resultat hat ergeben, dass die Wirksamkeit des Impfstoffs nicht ganz so gut ist wie ursprünglich angenommen; sie sank von 95 auf 91 Prozent. Immer noch ein hervorragender Wert.
Die definitive Zulassung für den Pfizer-Impfstoff ist mehr als ein Verwaltungsakt. Die Vakzine von Moderna und Johnson & Johnson dürften bald ebenfalls in den Genuss einer solchen Zulassung kommen. Damit haben bald alle drei in den USA zugelassenen Impfstoffe das Gütesiegel der FDA.
Und das hat Konsequenzen: Das Militär hat bereits angekündigt, dass seine rund 1,4 Millionen aktiven Soldaten sich nun impfen lassen müssen. Für andere Krankheiten wie Masern besteht seit langem ein Impfzwang für Soldaten. Warum also nicht für Covid?
Bill de Blasio, Bürgermeister von New York, verlangt einen Impfnachweis von den 148’000 Angestellten im Schulwesen; die Universitäten des Bundesstaates und der City New York von ihren Studenten. Unternehmen wie der Erdölmulti Chevron oder das Pharmaunternehmen CVS wollen nur noch geimpfte Mitarbeiter an den Arbeitsplatz kommen lassen. Derweil schreibt die American Medical Association nun vor, dass das Gesundheitspersonal sich den Piks verpassen lassen muss.
Obwohl sich die Delta-Variante wie ein Flächenbrand ausbreitet, sind nach wie vor rund 92 Millionen Amerikaner nicht geimpft. Das hat brutale Folgen in der Covid-Statistik: Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist wieder auf 150’000 Fälle geklettert, die Zahl der Toten auf über 1000. Notfallstationen und Intensivabteilungen der Spitäler sind überfüllt.
Die Epidemiologen hoffen nun, dass mit der FDA-Bewilligung und den verordneten Zwangsimpfungen die vierte Welle im Oktober unter Kontrolle gebracht werden kann.
Joe Biden stellt sich ausdrücklich hinter die privaten Impfzwang-Bemühungen. «Macht es wie ich», erklärte er. «Verlangt von euren Mitarbeitern, dass sie sich impfen lassen oder strikte Regeln einhalten müssen.» Der Präsident hat im vergangenen Monat diese Vorschrift für alle Beschäftigten des Bundes eingeführt. Er hat jedoch nicht die Möglichkeit, einen Impfzwang für alle Amerikaner zu erlassen.
Der Entscheid des FDA ist früher als erwartet gefallen. Er dürfte auch die Covid-Politik aufmischen, denn die von den Republikanern regierten Bundesstaaten tun sich nach wie vor schwer mit Zwangsmassnahmen. Vor allem in Florida und Texas. Ron DeSantis und Greg Abbott, die jeweiligen Gouverneure, verhindern aktiv, dass Schulen und Restaurants eine Maskenpflicht einführen. Die Folgen sind verheerend: In Florida beispielsweise übersteigt die Anzahl der Covid-Toten derzeit die Werte der letzten Welle im vergangenen Winter.
Inzwischen sind die beiden Gouverneure jedoch unter Beschuss. Ärzte und Lehrer gehen auf die Strasse und protestieren gegen die engstirnige Politik der beiden. In der «New York Times» stellt die Gastkolumnistin Mimi Swartz vom «Texas Monthly» bereits die Frage in den Raum: «Wie weit sind die Texaner noch entfernt von einer Rebellion gegen Greg Abbott?»
Im stockkonservativen Süden gibt es nicht nur die meisten Impfverweigerer, dort treibt diese Verweigerung auch die seltsamsten Blüten. In Mississippi beispielsweise musste die Gesundheitsbehörde kürzlich eine Warnung herausgeben, wonach die Menschen auf keinen Fall das Medikament Ivermectin einnehmen sollten. Was war geschehen?
Alle drei Top-Moderatoren von Fox News, Tucker Carlson, Sean Hannity und Laura Ingraham, hatten dieses Medikament in ihren Sendungen als Wundermittel gegen Covid angepriesen. Was sie dabei verschwiegen: Ivermectin wird als Entwurmungsmittel bei Kühen und Pferden verwendet. Bei Menschen kann es jedoch höchst unangenehme Nebenwirkungen haben. «Diese Medizin ist hoch konzentriert und für grosse Tiere gedacht», warnt der Epidemiologe Paul Byers. «Bei Menschen kann es sehr toxisch sein.»
Indem sie Masken und Impfen verteufeln, haben die Republikaner ein Monster herangezüchtet, das sie nicht mehr loswerden. Selbst Donald Trump musste dies erfahren. Am vergangenen Wochenende hat er im Bundesstaat Alabama eine seiner berüchtigten Rallys durchgeführt. Als er dabei seine Fans aufforderte, sich impfen zu lassen, wurde er prompt ausgebuht. Hastig schob er daher nach: «Das ist schon gut. Ihr habt natürlich die Freiheit, selbst zu entscheiden. Ich habe mich jedoch impfen lassen.»
Menschen, die lieber Tiermedizin schlucken als sich impfen zu lassen, Trump-Anhänger, die ihr Idol ausbuhen, wenn er von der Notwendigkeit des Vakzins überzeugen will – trotz der definitiven FDA-Zulassung bleibt noch viel zu tun.