Täglich gegen 150’000 Neuinfektionen und gegen 1000 Tote. So lautet die aktuelle Covid-Bilanz in den USA. Kein Wunder, ist das Coronavirus bereits im Begriff, die Taliban von den Frontseiten zu verdrängen. Die vierte Pandemie-Welle trifft die Amerikaner mit voller Wucht.
Im Kampf gegen das Coronavirus gibt es klare Fronten: Norden gegen Süden, Demokraten gegen Republikaner. Während in Städten wie New York die Impfquote mittlerweile bei über 80 Prozent der über 12-Jährigen liegt, haben in Teilen von Bundesstaaten wie Alabama, Missouri oder Louisiana weit weniger als die Hälfte den Piks erhalten. Und während sich die Impfquote bei den Demokraten ebenfalls gegen 90 Prozent bewegt, liegt sie bei den Republikanern noch unter 50 Prozent.
Das müsste nicht sein. Die neue Delta-Variante des Virus ist zwar um ein Vielfaches infektiöser als die bisher bekannten. Doch anders als seinerzeit bei der spanischen Grippe gibt es einen Impfstoff gegen Covid, und es gibt reichlich davon. Die vierte Welle ist damit weitgehend hausgemacht, es ist eine «Pandemie der Nicht-Geimpften».
Schuld daran ist der Umstand, dass die Republikaner das Virus zu politischen Zwecken instrumentalisiert haben. Besonders zwei von ihnen tun sich in diesem Todeskult besonders hervor: Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, und sein Amtskollege Greg Abbot aus Texas.
Beide regieren grosse und wichtige Bundesstaaten, und beiden wird nachgesagt, das Erbe von Donald Trump antreten zu wollen. Sie geben sich daher päpstlicher als der Papst, respektive trumpier als Trump. So verbieten sie es den Schulbezirken, eine Masken-Tragpflicht für die Kinder zu verhängen und Unternehmen, einen Impfnachweis von ihren Mitarbeitern zu verlangen.
DeSantis hat gar angekündigt, Lehrern und Schulbehörden den Lohn zu verweigern, sollten sie sich gegen seine Massnahmen wenden. Ja, er hat gar eine von Centres of Disease Control and Prävention (CDC) verhängte Regelung, wonach Kreuzfahrtschiffe von ihren Passagieren einen Impfnachweis einfordern müssen, gerichtlich angefochten. Mit Erfolg.
Zudem lässt DeSantis T-Shirts und Biergläser mit der Aufschrift «Don’t Fauci my Florida» verteilen. Er begründet dies wie folgt: «Wir können entweder eine freie Gesellschaft haben oder einen biomedizinischen Sicherheitsstaat. Und ich kann Ihnen sagen: Florida ist ein freier Staat. Die Menschen können selbst entscheiden.»
Greg Abbott seinerseits droht Restaurants und Bars, die einen Impfnachweis verlangen, mit dem Entzug der Alkohollizenz. Gewissermassen als Zeichen einer poetischen Gerechtigkeit ist Abbott vor ein paar Tagen selbst an Covid erkrankt. Er ist zwar doppelt geimpft, gehört jedoch einer Risikogruppe an. Er ist gelähmt und sitzt in einem Rollstuhl.
Biden hat den Kampf gegen das Coronavirus zur obersten Priorität seiner Regierung erklärt. Ein Zusammenprall mit den beiden renitenten Gouverneuren war daher unvermeidlich. Nun ist es so weit. Der Präsident hat die Gouverneure aufgefordert, ihn entweder im Kampf gegen Covid zu unterstützen – oder sich vom Acker zu machen.
DeSantis brachte daraufhin die Situation an der Grenze zu Mexiko ins Spiel und behauptete, Biden würde massenhaft ungeimpfte Immigranten ins Land lassen. Ein absurder Vorwurf. Selbstverständlich werden alle Menschen an der Grenze getestet.
Anders als derzeit in Afghanistan hat Biden an der Covid-Front gute Karten. Florida und Texas haben sehr hohe Infektionsraten, zeitweise waren sie fast für die Hälfte aller neuen Ansteckungen verantwortlich. Zudem befürwortet die Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner Masken-Tragpflicht und Impfzwang. Nur der harte Kern der GOP stellt sich dagegen. DeSantis und Abbott müssen sich deshalb den Vorwurf gefallen lassen, sie würden ihre politischen Ambitionen über das Volkswohl stellen.
Das ist ein riskantes Spiel. Angesichts der sich dramatisch zuspitzenden Situation hat selbst bei den Republikanern teilweise ein Umdenken eingesetzt. Nicht nur in Florida und Texas, auch in anderen Südstaaten droht nämlich ein Kollaps des Gesundheitswesens. In Alabama beispielsweise können die Spitäler keine neuen Patienten mehr aufnehmen. In Arkansas versucht der republikanische Gouverneur verzweifelt, ein Gesetz gegen die Masken-Tragflicht zu widerrufen, welches er im Frühling erlassen hat.
Die Zahl der Impfverweigerer schrumpft ebenfalls. Erstmals rollten am Donnerstag wieder mehr als eine Million Menschen ihre Hemdsärmel hoch. Umgekehrt nimmt die Wut der Geimpften zu. Das Gefühl, frei zu entscheiden, sei gut und recht, halten sie den Verweigerern entgegen. Aber dieses Gefühl gebe niemandem das Recht, die Gesundheit der anderen aufs Spiel zu setzen.
Ist es nicht das liberalste der Welt wenn ein Unternehmer selbst entscheiden kann mit wem er Geschäfte tätigen will und mit wem nicht?