Stägeli uf, Stägeli ab – so einfach könnte das Motto für das Rolltreppenfahren lauten, ist es aber nicht. Zumindest nicht mehr, wenn man den Blick nach China richtet. So berichtete ein CNN-Korrespondent kürzlich vor Ort darüber, dass die Regierung ihren 1,4 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern empfiehlt, die universelle «Rechts stehen, links gehen»-Regel aufzugeben. Denn es gebe eine bessere und vor allem sicherere Alternative, die derzeit in einer nationalen Kampagne propagiert werde.
Demnach sollen auf den Rolltreppen jeweils zwei Personen pro Stufe stehen und dazwischen eine Stufe Abstand lassen. Dies erhöhe die Kapazität und sei sicherer als der bisherige Usus. Das Gehen auf Rolltreppen sei gefährlich. Zudem seien mehr Unterhaltsarbeiten nötig, wenn sich die stehenden Rolltreppen-Benutzenden stets auf der gleichen Seite befänden, während die andere Seite zum Gehen benutzt werde. Dadurch stimme das Gleichgewicht des Maschinenwerks nicht. Entsprechend sind auf vielen Rolltreppen Chinas nun jeweils zwei Paar gelbe Fussabdrücke auf den Stufen angebracht, die zum Stehen animieren sollen.
Gefährlich sei das Gehen während der Rolltreppenfahrt deswegen – so das Argument der chinesischen Sensibilisierungskampagne laut CNN –, weil die Stufen deutlich grösser seien als bei herkömmlichen Treppen. Zudem sei die Geschwindigkeit oft hoch. Entsprechend sei das Sturzrisiko hoch, wenn Leute im Stress möglichst rasch nach oben oder unten gelangen wollten und dabei die Stufen falsch einschätzen würden.
Doch wie beurteilt der Schweizer Konzern Schindler mit Sitz in Ebikon LU diese Umstellung in seinem wichtigsten Absatzmarkt? Schliesslich ist er einer der, wenn nicht gar der grösste Rolltreppen-Hersteller der Welt. Und im wachsenden Wirtschaftsland China wurden in den vergangenen Jahren zwei von drei Rolltreppen und Liften verbaut.
Konzernsprecherin Katherine Lee betont auf Anfrage, es gebe keine offiziellen Vorschriften zur Rolltreppen-Benutzung. «Es steht jedem Land und jeder Stadt offen zu empfehlen, ob die Leute darauf stehen oder gehen sollen.» Die Metro-Betreiber in Shanghai hätten bereits 2012 entschieden, vom Laufen auf Rolltreppen abzuraten. Stattdessen sollen die Pendler stehen und sich idealerweise am Geländer festhalten. Peking sei 2019 nachgezogen. «Wir beobachten, dass immer mehr chinesische Städte folgen.»
Obwohl Schindler der Kundschaft keine fixe Regel auferlegt, hat das Unternehmen eine klare Botschaft: «Laufen birgt immer mehr Gefahren, vor allem auch, weil die Rolltreppenstufen grösser sind als in Treppenhäusern, an die wir uns gewohnt sind», sagt Lee. Weil sich die Rolltreppe in Bewegung befinde, seien die grösseren Stufen jedoch notwendig, um den Leuten mehr Halt zu ermöglichen.
Gleichzeitig sei man sich bewusst, so die Sprecherin, dass das Gehen auf einer Seite der Rolltreppe an stark frequentierten Orten wie Bahnhöfen oder Flughäfen nun mal Teil des Konzepts sei, um einen schnelleren Durchlauf zu ermöglichen. Dennoch unterstütze man stets das Stehen auf den Rolltreppen. Bei der Kampagne in China sei man allerdings nicht involviert.
Zudem bestätigt Lee die Aussage des CNN-Berichts, gestützt auf die China-Kampagne, wonach das Ungleichgewicht auf den Treppen mit der Zeit nicht mehr stimmt, wenn rechts stets gestanden wird. «Dadurch erhöht sich der Materialverschleiss», sagt Lee. Eine Seite ist dadurch schwerer, während es auf der anderen Seite mehr Bewegung gibt.
Wie viele Schindler-Rolltreppen weltweit im Einsatz sind, verrät Lee nicht. Und sie sagt auch nicht, wie viel der Verkauf davon ausmacht im Vergleich zu den Unterhaltsarbeiten, mit denen Rolltreppen- und Lifthersteller ebenfalls wichtige Umsätze generieren.
«Einzelne Zahlen publizieren wir nicht», sagt Lee. Aber an Bahnhöfen und Flughäfen, wo viel los und die Beanspruchung der Maschinen hoch ist, benötigt es natürlich regelmässige Unterhaltsarbeiten. Dies gelte auch für Rolltreppen, die der Natur ausgesetzt seien. Diese müssten oft gereinigt werden, weil sich darin mehr Staub bildet, Regenwasser darin abfliesse oder sich Laub darin verfange. (aargauerzeitung.ch)