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Warum Rupert Murdoch Tucker Carlson gefeuert hat

Rupert Murdoch, Tucker Carslon (Teaser)
Bild: Shutterstock/Keystone/watson
Analyse

Warum Rupert Murdoch Tucker Carlson gefeuert hat

Der Skandal-Journalist Michael Wolff schildert in seinem jüngsten Buch «The Fall» das Drama um den Starmoderatoren und den Niedergang von Fox News.
22.09.2023, 11:3222.09.2023, 11:32
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Michael Wolff ist eine umstrittene Figur im amerikanischen Journalismus. Er gilt als eine Mischung aus Skandal-Nudel und Polit-Analyst. Er ist auch ein Vielschreiber und hat unter anderem bereits ein Buch über den Verleger Rupert Murdoch und gleich drei Bücher über Donald Trump veröffentlicht.

Allen diesen Büchern ist gemein, dass sie den Anschein erwecken, der Autor sei hautnah beim Geschehen dabei. Das lässt sich jedoch nicht überprüfen, da sich Wolff weitgehend auf anonyme Quellen beruft. Politisch ist er nur schwer einzuordnen. Er gefällt sich in der Rolle des Zynikers, der eigentlich alle doof findet, sowohl Trump als auch die «New York Times».

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Umstritten: Skandal-Autor Michael Wolff.Bild: AP/AP

Eines jedoch attestieren selbst die härtesten Kritiker Michael Wolff: Er ist ein süffisanter Schreiber. Seine Bücher machen Spass, sie sind gewissermassen das Gegenstück zu TV-Serien wie «Succession». Diese Serie handelt bekanntlich von einer fiktiven Verlegerfamilie, die rein zufällig sehr viele Ähnlichkeiten zu den Murdochs aufweist.

In «The Fall» ist der Verleger nicht fiktiv, sondern tatsächlich Rupert Murdoch. Zusammen mit dem Ex-Präsidenten Trump und dem ehemaligen Starmoderator Tucker Carlson gehört er zu den Protagonisten des Buches. Wolff schildert die drei wie folgt:

Der 92-jährige Murdoch ist inzwischen ein grantiger Greis geworden. Soeben hat er auch mitteilen lassen, dass er als Chef seines Medienimperiums zurücktritt und das Steuer an seinen ältesten Sohn Lachlan übergibt. Trotzdem hält er nichts von seinen drei Kindern aus erster Ehe: Lachlan sei ein «Kindskopf», sein Bruder James ein «Hitzkopf». Beide befinden sich in einem Endlos-Streit mit ihrer Schwester Elisabeth.

Die grösste Verachtung hat Murdoch jedoch für Donald Trump übrig. Er bezeichnet ihn als «A...loch», «offensichtlich durchgeknallt», und als «Idioten» – und das an einem guten Tag. Vor allem ist Trump jedoch für Murdoch ein «Loser».

Ganz anders seine Beziehung zu Tucker Carlson. Dieser war ursprünglich als Gegenprogramm zu den Starmoderatoren der Gründerzeit wie Bill O’Reilly und Sean Hannity geplant. O'Reilly war ein katholischer Ire und musste wegen sexueller Belästigung gefeuert werden. Auch für Hannity hat Murdoch wenig übrig, er hält ihn für einen «Einfaltspinsel» (moron), und die ebenfalls zur katholischen Mafia gehörende Laura Ingraham für eine Alkoholikerin.

Tucker Carlson, left, and former President Donald Trump, talk while watching golfers on the 16th tee during the final round of the LIV Golf Invitational at Trump National in Bedminster, N.J., July 31, ...
Gemeinsam gegen Murdoch: Tucker Carlson und Donald Trump.Bild: keystone

Carlson hingegen war ursprünglich der «all american boy», der traditionelle WASP-Vertreter (White Anglo-Saxon Protestant), mit allem, was dazu gehört: Geld, Eliteschule und Fliege. Er war daher als Gegenprogramm zur plebejischen Katholiken-Mafia gedacht. Auf einer menschlichen Ebene verstand sich Murdoch bestens mit Carlson. Kurz bevor er den Starmoderator feuerte, lud er ihn noch zusammen mit seiner Frau zu einem privaten Diner ein und bedankte sich danach für den interessanten Abend.

Carlson entwickelte sich jedoch anders als geplant. Er wurde nicht der halbwegs anständige Moderator, im Gegenteil, er wurde bald noch radikaler als der biedere Hannity. Gerade deswegen stieg er mit seinen extremen Thesen rasch zum Superstar bei Fox News auf. Deshalb gab man ihm auch den begehrtesten Platz im Tagesablauf, die Stunde zwischen 20 und 21 Uhr.

Dann kam der legendäre Verleumdungsprozess gegen Fox News, den der Wahlmaschinen-Hersteller Dominion angestrengt hatte. Der Murdoch-Sender hatte mehrmals völlig aus der Luft gegriffene Behauptungen in die Welt gestellt, wonach die Wahlmaschinen zugunsten von Joe Biden manipuliert gewesen seien, und dass die Software dieser Maschinen noch unter Hugo Chavez, dem 2013 verstorbenen Diktator von Venezuela, entwickelt worden sei.

Gemäss Wolff machte Murdoch Trump für den Schlamassel verantwortlich. Hätte der seine Wahlniederlage eingestanden, wäre dies allen nicht passiert, tobte der Verleger. «Trump hat den Sender in diese unhaltbare Lage manövriert», schreibt Wolff. «Seht, es ist Trumps Fehler.»

FILE - Republican presidential candidate Florida Gov. Ron DeSantis, speaks during a campaign event, June 2, 2023, in Lexington, S.C. (AP Photo/Artie Walker Jr., File)
Ron DeSantis
Kam bei Tucker Carlson schlecht an: Ron DeSantis.Bild: keystone

Auf Druck von Murdoch begann Fox News in der Folge sehr viel und sehr freundlich über Ron DeSantis zu berichten. Der Gouverneur von Florida sollte ganz offensichtlich als Gegenkandidat zu Trump aufgebaut werden. Tucker Carlson lud ihn gar zu einem privaten Nachtessen. Es kam nicht gut. «Während zwei Stunden sass Ron DeSantis am Tisch und sprach dabei sehr laut», schildert Wolff das Treffen. «Er war unpersönlich, kalt, und an nichts interessiert ausser seiner eigenen Person.» Ja, er soll gar den geliebten Hund der Gattin unter dem Tisch getreten haben.

Die neu entdeckte Liebe zu DeSantis verhinderte jedoch nicht, dass der Verleumdungsprozess seinen Gang nahm. Auch hier kam es nicht gut. Die Beweislage gegen den TV-Sender war so erdrückend, dass eine Niederlage vor Gericht immer wahrscheinlicher wurde. Und Dominion hatte auf eine Schadenersatz-Summe von zwei Milliarden Dollar geklagt.

Zähneknirschend sah man sich daher bei Fox News zu Verhandlungen gezwungen. Das erste Angebot lautete: 500 Millionen Dollar Schadenersatz – und Sean Hannity wird gefeuert. Das reichte nicht. Schliesslich wurde die Summe auf 787 Millionen erhöht, und Tucker Carlson musste geopfert werden.

Der Starmoderator fiel aus allen Wolken, als ihm Fox-News-CEO Suzanne Scott per Telefon verkündete, er sei per sofort freigestellt. Er reagierte nicht wie ein Gentleman, obwohl sich bald danach auch Murdoch persönlich meldete und die Hoffnung aussprach, man könne doch Freunde bleiben.

FILE- Fox News commentator Sean Hannity speaks during an interview at Fox News Studios, March 16, 2023, in New York. Dominion Voting Systems' defamation lawsuit against Fox News for airing bogus  ...
Sollte eigentlich geopfert werden: Sean Hannity.Bild: keystone

Carlson hatte jedoch bereits mit Elon Musk angebandelt. Inzwischen macht Carlson regelmässig längere Beiträge für X (ehemals Twitter) und greift dabei seinen ehemaligen Arbeitgeber frontal an. So hat er ein Interview mit Trump exakt zum gleichen Zeitpunkt veröffentlicht, als bei Fox News die erste Debatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten ausgestrahlt wurde.

Tucker Carlson ist nicht der erste Starmoderator, der Fox News unfreiwillig verlassen musste. Wie erwähnt musste Bill O’Reilly wegen sexueller Belästigung gehen, Glenn Beck wurde seiner irren Verschwörungstheorien wegen selbst für Fox News nicht mehr tragbar, Megyn Kelly legte sich mit Trump zu einem Zeitpunkt an, in dem dieser der Liebling des Senders war.

Alle diese ehemaligen Stars sind mehr oder weniger gescheitert. Die Marke Fox News war stärker als sie. Bei Tucker Carlson könnte sich das Blatt jedoch wenden. Der Sender muss seit dessen Entlassung massive Einbussen bei den Einschaltquoten hinnehmen. Dazu kommt, dass sich das Kabel-TV generell zu einem Medium für alte bis sehr alte Menschen entwickelt hat.

Michael Wolff glaubt daher, dass das Drama um Tucker Carlson der Beginn des Niederganges von Fox News darstellt. «Die Murdochs haben ein schlechtes Gefühl, wegen Carlson, wegen Trump, aber auch, was sie selbst betrifft», schreibt er. «Viel zu spät versuchen sie nun, das Monster zu zähmen, das sie selbst kreiert haben.»

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26 Kommentare
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insert_brain_here
22.09.2023 12:02registriert Oktober 2019
Da hievt Murdoch höchstpersönlich den Irren ins Präsidentenamt, lässt seine Speichellecker ihn vier Jahre lang durch sämtliche Böden verteidigen und findet dann Trump sei Schuld an dem ganzen Schlamassel. Selbstreflexion Level 0
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Pafeld
22.09.2023 12:15registriert August 2014
«Trump hat den Sender in diese unhaltbare Lage manövriert», schreibt Wolff. «Seht, es ist Trumps Fehler.»

Man hätte Trump auch einfach keine Bühne für seine offensichtlich falschen Behauptungen bieten können, geschweige denn die Big Lie selbst mantraartig von Morgens bis Abends runterzubeten. Aber dann wäre man ja selbst schuld....
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Snowy
22.09.2023 12:25registriert April 2016
Eine Zusammenarbeit welche auf Lügen (oder Gewalt) basiert, kann langfristig nie funktionieren.

Erst Recht wenn die Parteien allesamt egoistische Narzissten sind.
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