Wie Gavin Newsom Trump zur Weissglut treibt
Der äusserst beliebte Schauspieler und Regisseur Rob Reiner («When Harry Met Sally») und seine Frau sind Opfer einer Familientragödie geworden. Donald Trumps Reaktion darauf ist so unsäglich, dass selbst Republikaner empört sind oder zumindest betroffen schweigen. Der Präsident postete auf seiner Plattform Truth Social, Reiner habe «an einer unheilbaren Krankheit namens TRUMP DERANGEMENT SYNDROME» gelitten.
Niemand, aber wirklich niemand kann sich auf dieses ekelhafte Niveau begeben. Doch die Frage, wie man den permanenten Lügen und Diffamierungen des Präsidenten entgegentreten soll, spaltet die Demokraten. «When they go low, we go high», verkündete einst Michelle Obama im Wahlkampf von Hillary Clinton. Das hat sich nicht bewährt.
Eine ganz andere Strategie verfolgt daher Gavin Newsom, der Gouverneur von Kalifornien. Er zahlt Trump mit gleicher Münze heim, oder wie das auf Neudeutsch heisst: Er trollt ihn.
Damit hat er schon im Sommer begonnen, und zwar, indem er den Präsidenten imitiert. Konkret sieht das dann wie folgt aus:
«FOX HASST ES, DASS ICH DER BELIEBTESTE GOUVERNEUR BIN (UMFRAGE KÖNIG) UND AMERIKA RETTE – WÄHREND TRUMP NICHT EINMAL DIE TREPPE ZU SEINEM AIR FORCE ONE JET MEISTERN KANN. FOX DREHT DURCH, WENN ICH TIPPE, AMERIKA GEWINNT JETZT!!! DANKE FÜR EURE AUFMERKSAMKEIT.»
Auch mit wenig schmeichelhaften Vergleichen hält Newsom nicht zurück. So hat er Trump an der Klimakonferenz in Brasilien als «invasive Spezies» bezeichnet.
Den Vogel abgeschossen hat er kürzlich mit einem KI-generierten Video. Es zeigt Trump zusammen mit seinem Verteidigungsminister Pete Hegseth und seinem Scharfmacher Stephen Miller in Handschellen, und erinnert damit an die von der Ausschaffungspolizei ICE verbreiteten Videos von verhafteten Immigranten. Dieses Video hat einen Empörungssturm im MAGA-Lager und bei Fox News ausgelöst.
Newsom lässt dies kalt. In einem langen Interview mit Ezra Klein von der «New York Times» erwidert er darauf: «Es ist wirklich surreal, wenn man mir so kommt. Ich bekämpfe Feuer mit Feuer, ich schlage zurück. Ja, ich bin sehr aggressiv und halte mich nicht zurück.»
Im besagten Interview erklärt Newsom ausführlich die Gründe für sein Trolling von Trump. So ist es ihm sehr wichtig, dass die Demokraten ihren elitären Dünkel ablegen und sich – um es in der Fussballersprache auszudrücken – dorthin begeben, wo es weh tut. Das heisst auch, dass man sich auf seine Gegner einlässt.
Genau dies tut Newsom in seinem eigenen Podcast. Dort hat er unter anderem Charlie Kirk zu Gast gehabt. Die Idee dazu kam von einem seiner Söhne, der ein Fan des ermordeten Idols der MAGA-Jugend war. «Mir ist allmählich klar geworden, dass die Demokraten aufwachen müssen. Deshalb habe ich diese Podcasts gemacht.»
Mit Kirk hat sich Newsom gut verstanden, auch mit Steve Bannon. Der ehemalige Chefstratege von Trump war zu Gast beim kalifornischen Gouverneur und hat dabei ebenfalls gepunktet: «Er (Bannon) hat die Welthandelsorganisation und den Freihandelsvertrag NAFTA vernünftig kritisiert», räumt Newsom ein. «Und er hat zu Recht festgestellt, dass beide Parteien mitschuldig sind, dass unsere industrielle Basis ausgehöhlt worden ist.»
Bei allem Verständnis für seinen politischen Gegner versteckt Newsom die eigenen Verdienste keinesfalls. Allen, die Kalifornien als Sinnbild der amerikanischen Dekadenz und des Niedergangs darstellen wollen, hält er entgegen: «Kaliforniens Erfolg ist kein Zufall – er ist das Resultat von Planung. Bei uns werden 18 Prozent aller Forschungsgelder weltweit investiert. (…) Und wer hat mehr Ingenieure, Wissenschaftler und Nobelpreisträger als wir? Wir haben 13’700 aktive Patente im Universitätssystem und daraus sind Billionen-Unternehmen entstanden und haben diese Milliardäre geschaffen, die sich jetzt über Kalifornien beklagen.»
Auch wenn Newsom eingesteht, dass bei der Zuwanderungspolitik grosse Fehler gemacht wurden, ist er nach wie vor davon überzeugt, dass Kalifornien ein multikultureller Bundesstaat bleiben muss. «Unsere Stärke liegt in der Diversität, auch wenn dies Typen wie J. D. Vance und anderen missfällt», stellt er klar.
In das aktuelle Anti-Woke-Geschrei mag er ebenfalls nicht einstimmen. «Ich habe einen Patenbuben, der trans ist. Es gibt keinen Gouverneur, der mehr progressive Gesetze unterzeichnet hat als ich», sagt er.
Dank seines guten Aussehens hatte Newsom den Ruf, ein oberflächlicher Blender zu sein. Zu Unrecht. Newsom hat keinen Abschluss einer Eliteuniversität und er musste sich vieles hart erarbeiten. «Ich bin ein schwerer Legastheniker», bekennt er. «Ich kann keine Rede ablesen. Diese Behinderung hat mich definiert, meine Kämpfe, meine Unsicherheit, meine Ängste, aber auch meinen Willen, Neues zu wagen und von meinen Fehlern zu lernen.»
Schon lange gilt Newsom als potenzieller Präsidentschaftskandidat für die Demokraten. 2020 hat er Joe Biden den Vortritt gelassen. Ob er 2028 antreten wird, lässt er offen, doch Chancen hat er allemal. In vielen Umfragen liegt er derzeit vorne. Und an Motivation fehlt es ihm weiss Gott nicht:
«So kann es nicht weitergehen. Wir sind gespalten, traumatisiert und erschöpft. Ich kann mir nicht einmal drei weitere Jahre in diesem Stil vorstellen. Was geschieht mit unseren Kindern? Ihre Gehirne werden bereits durch die sozialen Medien durcheinander gebracht. Und ist das ihr Vorbild? Ein Typ, der andere als behindert beschimpft? Ein Typ, der Frauen als Schweinchen bezeichnet? Ist das unser Vorbild? Der Präsident der Vereinigten Staaten?»
