Die Entwicklung ist nicht neu: Praktisch überall in Europa sind rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch. Eine Ausnahme war bis jetzt Portugal, das traditionell meistens linksdemokratisch wählt.
Doch mit den Parlamentswahlen vom vergangenen Wochenende ändert sich auch das.
Hinter den derzeit regierenden Sozialisten, die massive Einbussen hinnehmen müssen, und der konservativen Partei steigt nämlich das portugiesische Pendant zur deutschen AfD, dem französischen Rassemblement National oder der österreichischen FPÖ zur drittstärksten Kraft in dem Staat auf der iberischen Halbinsel auf. «Chega» («Genug») heisst das Konstrukt, das vom charismatischen, aber ebenso streitbaren ehemaligen TV-Sportkommentator André Ventura angeführt wird.
André Ventura ist ein machthungriger Mann – dessen sind sich Weggefährten des 41-Jährigen einig. «André hatte immer ein grosses Ego. Er wollte Bürgermeister, Präsident des Fussballvereins Benfica und der grösste Schriftsteller werden», sagte ein solcher gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).
Um seine Ziele zu erreichen, setzt Ventura auf klassische Populisten-Rhetorik. «Um Portugal zu verändern, habe ich mich entschieden, die Welt der politischen Unkorrektheit zu betreten», erklärte er seine Strategie in einem Interview.
Das klingt nach Donald Trump – und genauso wie der ehemalige US-Präsident klingt, gebärdet sich Ventura auch. Er schiesst gegen Minderheiten wie die Roma oder Sinti, befürwortet radikale Migrationsgesetze, fordert die Kastration von Pädophilen und die Begrenzung von Sozialleistungen für Nicht-Portugiesen im Land. Der vielsagende Slogan seiner Partei Chega? «Portugal säubern.»
Populär wurde Ventura beim portugiesischen Volk zudem, weil er «allen alles verspricht», wie die FAZ es formuliert. Er will höhere Renten für alle, bessere Löhne für Polizisten, Pflegepersonal und Lehrpersonen sowie die Abschaffung von Mehrwert- und anderen Steuern.
Woher er all das Geld nehmen will? Bei der, nach Venturas Ansicht, hochkorrupten portugiesischen Elite, zu der seiner Meinung nach auch der derzeitige Ministerpräsident António Costa gehört. Costa hat Portugal zwar seit seinem Amtsantritt im Jahr 2015 erfolgreich geführt und die Wirtschaft auf Vordermann gebracht.
Doch der 62-Jährige kam jüngst ins Straucheln, als in Portugal mehrere Korruptionsskandale ans Licht kamen, beispielsweise bei der bekannten Staatsairline TAP. In Verbindung gebracht wird Costa seit vergangenem Herbst auch mit Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit Rohstoff-Projekten.
Tatsächlich strafbar gemacht hat sich Costa nach aktuellem Ermittlungsstand aber nicht – einem richtigen Populisten wie André Ventura ist das aber ziemlich egal. Er schiesst seit geraumer Zeit gegen die Regierenden in Portugal und pflegt das Narrativ einer geldgierigen Elite, die den einfachen Leuten das Geld aus der Tasche zieht und sich selbst schamlos bereichert. Und das Narrativ verfing. Unter anderem deswegen trat Costa zurück und blieb nur geschäftsführend im Amt, bis die aktuellen Neuwahlen abgehalten werden konnten.
Und bei diesen konnte Ventura die Gunst der Stunde nun offensichtlich nutzen. Es ist genau diese Fähigkeit, die ihn auszeichnet: im richtigen Moment das Richtige zu sagen – oder zumindest das, was die Leute hören wollen. Das US-Wirtschaftsmagazin Barron's bezeichnet Ventura als «Portugals rechtsextremes Chamäleon». Wandelbar und stets in der Lage, sich den äusseren Gegebenheiten anzupassen. Populismus in seiner Reinform eben.
So wechselhaft, wie er sich als Politiker gibt, ist auch Venturas beruflicher Werdegang. Geboren und aufgewachsen in einem Arbeiterviertel von Lissabon, war er als junger Mann überzeugter Katholik und wollte gar – gegen den Willen seiner Eltern – Priester werden. Er habe das Seminar aber abgebrochen, weil er sich verliebt habe. Religiös ist er aber immer noch. In den sozialen Medien zeigt sich Ventura immer wieder betend. Er erklärte zudem, dass seine politischen Ambitionen eine «göttliche Mission» seien. Was guruhaft klingt, ist es wohl auch. Berichten zufolge soll er seine Partei «Chega» beinahe wie eine Sekte führen.
Nach dem abgebrochenen Priesterseminar schlug Ventura eine Jus-Laufbahn ein. Als studierter Anwalt amtete er dann als Juradozent und Steuerinspektor, ehe er über Umwege zum TV-Sportkommentator wurde, der vor allem für seine bedingungslose Loyalität zum Lissaboner Traditionsklub Benfica bekannt war. Zweifellos kein Nachteil puncto Popularität im fussballverliebten Land. Nebenberuflich war Ventura als Autor tätig. Er schrieb zwei Erotik-Romane und ein Buch über die letzten Monate im Leben des Palästinenserführers Jassir Arafat, der 2004 starb.
Über sich selbst sagte Ventura einmal: «In der Politik muss man anders sein. Und ich wollte anders sein.» Doch so vielfältig Ventura als Mensch auch sein mag und so sehr er betont, dass er anders sein möchte: Politisch ist klar, wo und wofür er steht. Er reiht sich nahtlos ein in die etablierte Rechtspopulisten-Gilde dieser Welt. Donald Trump, Viktor Orbán, Marine Le Pen, Matteo Salvini, den er als «guten Freund» bezeichnet, Geert Wilders, Jair Bolsonaro und wie sie alle heissen. Sie sind überall – und erfolgreich.
Nun auch in Portugal.
Wenn es dann Widersprüche gibt, wenn man nur Nebel und Rauch verkauft hat , dann macht das nichts.
Präsident Antonio Costa hat das Land gut durch die jüngsten Krisen geführt. Aber auch das ist für Chega kein Problem - das System der Fake News funktioniert auch auf Portugiesisch. Man muss nur Gerüchte verbreiten, und schon ist der Schaden angerichtet.
Zusätzlich Minderheiten diskriminieren und Frauen hinter dem Herd zurück schicken. Dann ist die junge Wählerschaf, die die Diktatur nie erlebt hat, glücklich und selig