Donald Trump wird nächste Woche nicht am Impeachment-Prozess auftauchen. Überhaupt herrscht mehr oder weniger Funkstille aus Mar-a-Lago, dem Resort in Palm Beach, auf das sich der Ex-Präsident zurückgezogen hat. Okay, es gibt da den lächerlichen Brief, mit dem Trump seinen Austritt aus der Schauspieler-Gewerkschaft bekannt gab. Der sorgte jedoch einzig für ein paar Lacher bei den Late-Night-Comedians.
Das Schweigen dürfte dem Ex-Präsident schwer fallen, doch er muss sich fügen. Nicht nur, weil er von Twitter verbannt ist, ist kein Pieps von Trump zu hören. Er will vermeiden, dass er mit einer ungeschickten Äusserung den Ausgang des Impeachment-Prozesses gefährden könnte. Stand jetzt kann er sich berechtigte Hoffnungen auf einen zweiten Freispruch machen.
Am nächsten Dienstag beginnt zwar der Impeachment-Prozess im Senat. Es scheint jedoch unwahrscheinlich, dass sich 17 Vertreter der Grand Old Party (GOP) für einen Schuldspruch aussprechen werden.
Man kann davon ausgehen, dass sich Trump wieder zu Wort melden wird, sobald das Spektakel über die Bühne gegangen und er ein zweites Mal freigesprochen ist. In der Zwischenzeit braucht er jemand, der die Lücke füllt und seine Basis bei Laune hält.
Auftritt Marjorie Taylor Greene, auch bekannt als QAnon-Lady. Sie spielt die Rolle der Lückenbüsserin perfekt. Seit Tagen sorgt sie nicht nur für Schlagzeilen, sondern auch dafür, dass die GOP nicht auf dumme Gedanken kommt.
So haben sich in der gestrigen Abstimmung die republikanischen Abgeordneten mit überwältigender Mehrheit hinter sie gestellt. Dass Greene trotzdem aus allen Kommissionen geschmissen wurde, verdankt sie der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus. Von Trump hingegen wird sie mit Lob überschüttet. Sie sei «fantastisch» und «wunderbar», soll sie vom Ex-Präsident geschildert werden, heisst es aus Mar-a-Lago.
Für die GOP ist die QAnon-Lady jedoch ein zwiespältiges Geschenk. Sie mag zwar die Basis begeistern, doch sie spaltet auch die Partei. Bei den Rechten ist ausgebrochen, was bisher ein Privileg der Linken war: heftige Flügelkämpfe. Die republikanischen Abgeordneten beurteilen Greene anders als die Senatoren.
Kevin McCarthy, der Minderheitsführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus, macht auf Kumbaya. Er hat Greene für ihre absurden Äusserungen ein bisschen getadelt, sagt aber nun, sie habe ihre Fehler eingesehen und werde in Zukunft ganz brav sein.
Überhaupt sei das Geschrei um QAnon weit übertrieben, so McCarthy weiter. Er wisse gar nicht, was QAnon überhaupt sei. (Dass er für diese plumpe Lüge nicht auf der Stelle vom Blitz getroffen wurde, ist eigentlich unerklärlich.)
Aus dem Senat tönt es ganz anders. Mitch McConnell hat Greene schon vor Tagen scharf verurteilt und erklärt «durchgeknallte Lügen und Verschwörungstheorien» hätten keinen Platz in der GOP. Seine Nummer zwei, Senator John Thune aus South Dakota, ging noch einen Schritt weiter. «Die Mitglieder des Repräsentantenhaus haben es zwar nicht gerne, wenn wir sie kritisieren», erklärte er. «Doch ich denke, wir sind die Partei der Ideen und Prinzipien, und wir sollten uns von Verschwörungstheorien distanzieren.»
Das mag in der Theorie gut tönen. In der Praxis hat die GOP jedoch ein gewaltiges Problem: Ihre Ideen und Prinzipien sind hoffnungslos veraltet. Ronald Reagan führte die Republikaner in den Achtzigerjahren zum Erfolg und prägte auch den Zeitgeist der neoliberalen Ära. «Gott hat die GOP erschaffen, um Steuern zu kürzen», lautet damals ein beliebter Spruch.
Klimaerwärmung und Coronakrise haben dem ohnehin serbelnden Neoliberalismus endgültig den Rest gegeben und damit die GOP in eine Sinnkrise gestürzt. Mit der x-ten Steuersenkung ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Der Staat wird heute als Helfer und nicht mehr als Feind wahrgenommen. Sowohl das 1,9-Billionen-Dollar-Hilfsprogramm als auch der geplante Green New Deal der Biden-Regierung stossen auf breite Zustimmung der amerikanischen Bevölkerung.
Die programmatische Hilflosigkeit der Republikaner spielt Trump in die Hände. Er hat sich eh nie um Parteiprogramme gekümmert. Stattdessen versteht er es meisterhaft, sich als Opfer darzustellen. Deshalb wird er sich wohl heimlich darüber freuen, dass die Demokraten die QAnon-Lady kalt gestellt haben.
Sobald die Schweige-Periode abgeschlossen sein wird, dürfte Trump die Opferrolle bis zum Geht-nicht-mehr ausreizen. Mit kräftiger Unterstützung von Fox News und anderen konservativen Medien wird er darüber klagen, dass Twitter ihn in die Verbannung geschickt hat. Er wird die «cancel culture» anprangern, gegen Big Tech wüten und jammern, dass die USA im Begriff seien, sich in einen von Demokraten beherrschten, sozialistischen Überwachungsstaat zu verwandeln.
Für Trump dürfte die Rechnung aufgehen, für die GOP weniger. Die Demokraten verpassen den Republikanern derzeit nämlich eine kräftige Dosis ihrer eigenen Medizin. Sie machen aus Marjorie Taylor Greene eine Art umgekehrte Alexandria Ocasio-Cortez. Will heissen: Sie erheben die QAnon-Lady zur Stellvertreterin aller Republikaner, im Wissen, dass ihre verrückten Ideen in den amerikanischen Vorstädten gar nicht gut ankommen.
Mitch McConnell hat diese Gefahr erkannt. Er weiss, dass Greene ihm die Zwischenwahlen in zwei Jahren vermasseln kann und will sie deshalb ausschalten. Trump wird dafür sorgen, dass McConnell scheitern wird.
cancel culture? Reine Projektion, wie immer bei den Republicans..