Kevin McCarthy, der Minderheitsführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus, hat seine frisch gewählte Kollegin aus Georgia leicht gerügt. Ihre Ansichten über die Schulmassaker, politische Gewalt und Antisemitismus würden sich nicht mit Standpunkten der Grand Old Party (GOP) decken, so McCarthy. Doch gleichzeitig weigert er sich, der Forderung nachzukommen, Greene aus den Komitees des Abgeordnetenhauses auszuschliessen.
Das war nicht immer so. Vor nicht allzu langer Zeit haben die Republikaner genau dies mit Steve King getan, einem Abgeordneten aus Iowa. Er hatte üble rassistische Bemerkungen gemacht, wurde aus den Komitees verbannt und verlor daraufhin die Wiederwahl.
Dass Greene nun mit einem milden Klaps davonkommt, hat viel mit der Wankelmütigkeit der GOP zu tun – aber auch mit Fox News. Der konservative TV-Sender hat in den letzten Tagen alles unternommen, um Greene nicht etwa als durchgeknallte Verschwörungstheoretikerin darzustellen, welche selbst vor Gewalt gegen andere Mitglieder des Kongresses nicht zurückschreckt. Nein, sie porträtieren sie als Märtyrerin, welche von den Demokraten aus durchsichtigen Gründen verfolgt werde.
Ob Sean Hannity, Tucker Carlson oder Laura Ingraham, alle Fox-News-Stars stellen sich schützend vor Greene. «CNN sagt, sie (Greene) habe schlimme Ansichten. Deshalb sei sie die grösste Gefahr für uns geworden», erklärte etwa Carlson kürzlich seinen Zuschauern. «Falls ihr das nicht glaubt, sagt es nicht laut. Unabhängiges Hinterfragen ist tot, nicht autorisierte Fragen sind Hassrede.»
Auslauf bei Fox News erhalten dafür Greenes Gesinnungsfreunde. Matt Gaetz etwa, oder Andy Biggs, zwei republikanische Abgeordnete, deren Ansichten sich weitgehend mit der neuen Kollegin aus Georgia decken. Sie dürfen dort abstruse Thesen vertreten, etwa dass man auch Ilhan Omar, eine Abgeordnete aus Minnesota, aus allen Komitees verbannen müsse. Ihr Verbrechen: Sie ist Muslimin und hatte vor Jahren eine ungeschickte Bemerkung über Israel gemacht, für die sie sich entschuldigt hat.
Sean Hannity ist nach wie vor die Nummer eins bei Fox News. Er leidet sichtlich unter dem Wahlsieg von Joe Biden. Immer wieder betont er, wie «schwach, zerbrechlich und zittrig» Biden sei. «Mein Herz ist besorgt», bekannte er kürzlich bei der Übergabe zu Laura Ingraham. «Mein Herz sorgt sich um unser Land.»
Für Hannity ist Trumps Niederlage auch eine persönliche Schmach. Er war einer der engsten Vertrauten des abgewählten Präsidenten und hat sich täglich für ihn ins Zeug gelegt. Für Fox News hingegen ist Trumps Niederlage mehr als das, sie hat gravierende wirtschaftliche Konsequenzen. Dank Trump konnte Fox News seine führende Stellung gegenüber CNN und MSNBC jahrelang mühelos behaupten. Seit dem 3. November sind die Ratings massiv eingebrochen.
Erstmals seit 20 Jahren sind CNN und MSNBC an Fox News vorbeigezogen. «Und, anders als seine Rivalen, hat Fox News im Januar schlechtere Zahlen gehabt als im Vorjahr», meldet die «Washington Post». «In der Hauptsendezeit hat CNN 128, MSNBC 53 Prozent zugelegt. Fox hingegen hat 13 Prozent verloren.»
Geht es um Zahlen, ist Rupert Murdoch völlig humorlos. Obwohl bereits 89-jährig, krempelt der legendäre Medientycoon wieder die Ärmel hoch. Er hat Fox News noch weiter nach rechts gedrängt. Damit will er dafür sorgen, dass Newsmax und One America News – zwei aufstrebende TV-Sender, die Fox rechts überholen wollen – keine Chance haben.
Unter dem Einfluss von Murdoch wurde der News-Moderator Chris Stirewalt gefeuert. Er hatte die frühe Ausrufung des Siegs von Biden in Arizona verteidigt und damit den Zorn des Trump-Lagers auf sich gezogen.
Gleichzeitig hat Fox seinen Propagandaflügel verstärkt und die Sendung am frühen Abend, die bisher von der Newsfrau Martha MacCallum bestritten worden war, den Ideologen zugesprochen. Im Rennen sind offenbar Brian Kilmeade, der etwas dümmliche Co-Host der Morgensendung Fox & Friends; Maria Bartiromo, eine vehemente Vertreterin der Lüge, wonach Trump die Wahlen gewonnen habe, und Trey Gowdy, ein ehemaliger Abgeordneter und regelmässiger Fox-Gast aus South Carolina.
Fox News drohen auch interne Rangkämpfe. Die Stellung des bisherigen Alpha-Tiers Sean Hannity ist in Gefahr. Der biedere Trump-Fan wird vom jüngeren Tucker Carlson hart bedrängt. Während Hannity nach wie vor das in die Jahre gekommene Reagan-Progamm – Steuern kürzen, schlanker Staat – herunterbetet, schlägt Carlson neue Töne an. Täglich prügelt er auf Corporate America ein, hat grosse Sympathien für die Wall-Street-Rebellen und prangert Twitter, Google & Co. an, sie würden die Meinungsfreiheit unterdrücken.
Mit seinem faschistoiden Kurs hat Carlson Erfolg. Er wird nicht nur bereits als möglicher Präsidentschaftskandidat der GOP für 2024 gehandelt, er überholt in jüngster Zeit regelmässig auch Hannity bei den Zuschauerzahlen. Zudem hat er offenbar einen sehr guten Draht zu Lachlan Murdock, der die Geschicke von Fox News leitet. Gut möglich also, dass Carlson bald den Spitzenplatz bei Fox, die 9-Uhr-Sendung, zugesprochen erhält.
Wie die GOP durchlebt auch Fox News turbulente Zeiten. Doch Schadenfreude ist nicht angebracht. Es ist zu befürchten, dass Fox noch weiter nach rechts abdriftet und es gar zu einer Verschmelzung mit der QAnon-Gemeinde kommen könnte. So warnt etwa Thomas B. Edsall in der «New York Times»:
Da wird eine Extremismus befürwortet und gestützt der das Land noch mehr spalten wird und dies auch ohne den durchgeknallten DT. Ohne eine Aufspaltung der REPs wird es zu mehr Spaltung auch im Volk kommen, keine schöne Aussichten für die USA in den nächsten Jahren.
Die Figur Rupert Murdoch löst bei mir zudem einen grösseren Brechreiz aus.
Von Bryan Ferry und Mick Jagger zu Rupert "The Lizard of Aus" Murdoch – das ist nun aber echt ein ganz krasses Downgrade.