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Analyse

Warum der Liberalismus der neue Feind der Rechten ist

American television host and conservative political commentator Tucker Carlson is seen on screen delivering a speech at the CPAC conference in Budapest, Hungary, Thursday, May 19, 2022. Dozens of prom ...
Fox-News-Moderator Tucker Carlson mit einer Video-Grussadresse an die CPAC-Konferenz in Budapest.Bild: keystone
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Warum der Liberalismus der neue Feind der Rechten ist

Für traditionelle Konservative war der Kommunismus der Erzfeind. Die neuen Rechten kämpfen gegen den Liberalismus.
30.05.2022, 16:45
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Eine altehrwürdige WEF-Tradition waren die Proteste der Linken. Einmal gelang es den Antikapitalisten gar, ein paar Scheiben beim McDonald’s in Davos einzuschmeissen. Meist jedoch wurden sie bereits in Landquart oder spätestens in Klosters von der Polizei abgefangen und mussten ihre verbalen Proteste ins Zürcher Volkshaus verlegen.

Dieses Jahr war weitgehend Ruhe im linken Karton. Umso lauter meldeten sich die amerikanischen Konservativen zu Wort.

epa09976668 Klaus Schwab (L), Founder and Executive Chairman of the World Economic Forum, and German Chancellor Olaf Scholz (R) attend the 51st annual meeting of the World Economic Forum (WEF) in Davo ...
Unter Beschuss von rechts: Klaus Schwab (links) mit Bundeskanzler Olaf Scholz.Bild: keystone

Fox News schüttete kübelweise Hass über die globale Elite, die angeblich im Privatjet in die Schweizer Alpen düse, um von dort aus dem geplagten amerikanischen Mittelstand vorzuschreiben, wie er zu leben habe. Hätte es das tragische Schulmassaker in Texas nicht gegeben, wären die Tiraden gegen den «Davos Man» von Tucker Carlson & Co. wohl noch weit heftiger ausgefallen.

Dabei war der Erzfeind der Konservativen, allem voran der Amerikaner, jahrzehntelang der Kommunismus. Ob Joseph McCarthy oder die John Birch Society, für sie sass der Teufel stets in der linken Ecke. Traditionelle Republikaner waren derweil die verlässlichen Verbündeten des Big Business und sorgten für tiefe Steuern und lasche Gesetze.

Die Republikaner der Trump-Ära hingegen sind eine andere Spezies. Sie wettern gegen Globalisten, gegen Big-Tech, gegen den Woke-Kapitalismus und alles, was irgendwie nach Liberalismus riecht. Dabei stützt sich die neue Rechte paradoxerweise auf alte Vordenker. Matthew Rose hat sie in seinem Buch «A World After Liberalism» zusammengefasst.

Oswald Spengler

Oswald Spengler war ein früher Prophet des Niedergangs des Abendlandes. Er war zwar kein aktiver Nazi, seine Schriften haben Hitler & Co. jedoch massgebend beeinflusst. Für Spengler ist das Schicksal der Menschen weder von der Geschichte noch von der Religion bestimmt, sondern von der Kultur. Er vergleicht sie mit einem lebenden Organismus. Wie andere Lebewesen durchläuft eine Kultur den Zyklus von Geburt über Erwachsenenalter bis hin zum Tod.

Der einzelne Mensch kann sich der Kultur nicht entziehen, noch kann er eine fremde Kultur verstehen. «Ein Europäer kann nicht wirklich nachvollziehen, wie ein Chinese denkt, noch kann sich ein Mexikaner in die Kultur der alten Römer einfühlen», umschreibt Rose das Denken von Spengler. Die Krise des Westens ist daher für Spengler vor allem dem Versuch geschuldet, verschiedene Kulturen zu vermischen.

Julius Evola

Obwohl er Benito Mussolini als ungebildeten Plebejer verachtete, war der italienische Aristokrat Julius Evola ein Vordenker des italienischen Faschismus. Bevor er sich zu einem Mystiker entwickelte, war er ein gefeierter Maler. Er war auch ein fleissiger Berggänger, ein Okkultist, ein Sexologe und ein zweifelhafter Student der östlichen Religionen.

Evola hielt nichts von den Geisteswissenschaften. «Er verachtete die traditionellen Historiker und stellte ihnen entgegen, die Tradition könne nur über Mythen, Legenden und esoterische Texte verstanden werden», stellt Rose fest. Seine faschistischen Theorien leitete Evola folgerichtig aus nordischen Gedichten, Hindu-Schriften, römischen Religionen, keltischen Legenden und zentralamerikanischen Mythen ab.

Francis Parker Yockey

Yockey lebte in der undurchsichtigen Welt der Geheimdienste, wo unklar ist, wer wann wo auf welcher Seite steht. In seinen Schriften machte er jedoch kein Hehl aus seinen Absichten: Er wollte die Welt vor dem dekadenten Einfluss der Juden retten.

Er hat zwei Hauptschuldige am Niedergang des Westens ausgemacht: die beiden Juden Karl Marx und Sigmund Freud. Obwohl er noch zu Zeiten der UdSSR lebte, versprach er sich Rettung aus Russland. Den Sowjets sei es nicht gelungen, die traditionelle russische Identität zu zerstören, so Yockey. Er glaubte daher an einen Sieg des Eurasianismus und eine russische Dominanz der Geopolitik.

Alain de Benoist

Benoist gehört zur Boomer-Generation und war fasziniert von der Mai-Revolution im Paris im Jahre 1968. Er sollte sich jedoch bald als führender Philosoph der neuen Rechten entwickeln. Heute gilt er als Vorbild der Bewegung der Identitären, wie die Salon-Faschisten der Gegenwart genannt werden.

Die Theorie des Nominalismus bildet den Kern der Weltanschauung von Benoist. Rose fasst sie wie folgt zusammen: «Nominalismus ist eine metaphysische Doktrin, die aus der Theologie des Mittelalters stammt und besagt, dass es keine universellen Phänomene gibt. Nur partikuläre Dinge existieren, universelle Phänomene sind eine Einbildung des Geistes.»

Menschen aus verschiedenen Kulturen vereinen zu wollen, ist daher für Benoist nicht nur unmöglich, es ist ein moralisches Verbrechen; der Schmelztiegel USA folgerichtig ein Albtraum. Verschiedene Kulturen können auf der Erde friedlich zusammenleben, aber nur, wenn sie strikte getrennt sind.

Samuel Francis

Samuel Francis galt in den Achtzigerjahren als Wunderkind der Grand Old Party. Er entwickelte sich jedoch bald zum schärfsten Kritiker der gemässigten Republikaner und wurde zum Chefideologen von Pat Buchanan, einem Rechtspopulisten und erfolglosen Präsidentschaftskandidaten.

Schon zu Ronald Reagans Zeiten forderte Francis eine Revolution des amerikanischen Mittelstandes und sah sich als Vordenker einer Bewegung, die Rose wie folgt zusammenfasst: «Es war eine Bewegung, die schamlos Einheimische vor Fremde stellte; und Mehrheiten vor Minderheiten, Eingeborene vor Zugereiste, gewöhnliche über transgender Menschen, und Treue zum Vaterland über kosmopolitische Ideale.»

Dem weissen Mittelstand warf Francis vor, er sei viel zu tolerant gegenüber anderen Rassen und lasse sich deswegen ausnutzen. Kurz: Samuel Francis nahm vorweg, was heute Demagogen wie Tucker Carlson täglich auf Fox News verkünden.

Die Evangelikalen gelten als Hochburg der Rechten. Doch die erwähnten Vordenker haben alle eine zwiespältige Haltung zum Christentum. «Der Liberalismus ist der säkulare Ausdruck der christlichen Lehre, wonach jedes Individuum heilig ist und deshalb geschützt werden muss», stellt Rose fest. «Sozialismus ist der säkulare Ausdruck des christlichen Mitleids mit den Armen und den Unterdrückten. Der Globalismus ist der säkulare Ausdruck der christlichen Hoffnung, wonach die Geschichte in einem Königreich endet, in dem Frieden und Gerechtigkeit herrscht.»

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Er hält noch zu den Evangelicals: Donald Trump.Bild: keystone

Die Evangelikalen befinden sich jedoch selbst in den USA auf dem Abstieg, und der aktuelle Sex-Skandal in ihrer wichtigsten Kirche, der Southern Baptist Church, dürfte sie weiter schwächen. «Sich eine anti-christliche Rechte vorzustellen, fällt zwar schwer», so Rose. «Doch eine post-christliche Rechte ist am Entstehen.»

Ob mit oder ohne Christen, fest steht, dass der Liberalismus unter Beschuss steht wie nie mehr seit den Dreissigerjahren. Die Kritik an der westlichen Weltordnung stammt dabei nicht nur aus Moskau und Peking. «Sie kommt auch aus der Mitte der westlichen Demokratien, wo nicht nur wütenden Populisten, sondern auch intelligente Kritiker ihre Grundwerte in Zweifel ziehen», warnt Rose.

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39 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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olmabrotwurschtmitbürli #wurstkäseszenario
30.05.2022 19:12registriert Juni 2017
Ich habe den Artikel mehrfach gelesen, aber nicht verstanden. Was natürlich auch an meinen kognitiven Kompetenzen liegen kann.

Aber in der Annahme, dass meine Birne noch etwa funktioniert:

Zunãchst wäre eine Auslegeordnung sinnvoll. Was man unter Liberalismus versteht. In den USA heisst das linkspolititisch. Hier was ganz anderes.

Die hiesigen Parteien verstehen sich alle in irgendeiner Art als liberal. Manchen geht es ums Ganja rauchen, anderen um ungehinderte Umweltverpestung oder emotional unbelastetes GeSchäfte machen.
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Nik G.
30.05.2022 17:11registriert Januar 2017
Wie viel mal ist Trump nach Davos geflogen? 2 Mal in 4 Jahren. War es vorher als Trump kam anders Fox News?
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Cpt. Jeppesen
30.05.2022 19:08registriert Juni 2018
Die Gedanken der rechten Vordenken drehen sich immer wieder um das eine Thema, die Rasse. Dabei sind, wissenschaftlich betrachtet, alle Menschen eine Rasse und unterscheiden sich nur durch Ethnien. Aber alleine dieser Gedankengang ist den rechten Apologeten zuwider, da damit ihr geistiges Konstrukt auseinander fällt.
Oder wie es früher ausgedrückt wurde," wer nicht für uns ist, ist gegen uns". Egal ob liberal, links, katholisch, jüdisch, schwarz, arm oder reich. Nur Weisse mit der "rechten" Gesinnung dürfen eine Zukunft haben, nach der Auslegung der rechten "Intellektuellen".
Würg!
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