Trump/Comey: Jetzt beginnen die Schauprozesse
Bevor es in den USA zu einem Strafprozess kommt, muss eine sogenannte Grand Jury abklären, ob es überhaupt Gründe für eine Anklage gibt. In der Regel ist dies kein Problem. «Man kann selbst ein Schinken-Sandwich anklagen», ist daher ein beliebter Spruch unter Juristen.
James Comey ist zwar kein Sandwich, doch er ist beinahe so unschuldig. Die Anklage wäre ein Witz, ein schlechter zwar, wäre sie nicht politisch so brandgefährlich. So stellt David Frum, ein ehemaliger Berater von George W. Bush, im «Atlantic» fest: «Die Vorwürfe gegen Comey sind nicht nur ein Missbrauch für persönliche Rache. Sie sind ein Testlauf für die zukünftigen Pläne des Präsidenten.»
Alan Rozenshtein, ein ehemaliger hoher Beamter im Justizdepartement, der jetzt an der University of Minnesota lehrt, erklärt derweil in der «New York Times»: «Was wir hier erleben, ist ein fast vollständiger Zusammenbruch des Justizdepartements als Organisation, die auf dem Rechtsstaat basiert.»
Doch zuerst: Worum geht es?
James Comey war FBI-Direktor, als Donald Trump zum ersten Mal ins Weisse Haus einzog. Kurz darauf brach Russiagate los. Höhepunkt war dabei ein von Christopher Steele, einem ehemaligen hohen Mitglied des britischen Geheimdiensts, verfasstes Paper, in dem suggeriert wurde, dass Trump nicht nur von Putin manipuliert, sondern dass er auch bei perversen Spielen mit Prostituierten in einem Moskauer Hotel gefilmt wurde.
Die Veröffentlichung des Steele Dossiers – es war von der Wahlkampagne von Hillary Clinton finanziert, wurde jedoch nie verwendet – führte dazu, dass Comey sich gezwungen sah, eine Untersuchung des FBI einzuleiten. Das machte Trump derart wütend, dass er ihn vor Ablauf seiner zehnjährigen Amtszeit feuerte – ein sehr unübliches Vorgehen – und ihn in der Folge mit Hasstiraden übergoss.
In einem Senats-Hearing zu Russiagate wurde Comey von Ted Cruz gefragt, ob er seine Einwilligung gegeben habe, dass sein Stellvertreter Andrew McCabe in einem Off-the-record-Gespräch vertrauliche Informationen weitergeleitet habe. Comey verneinte, McCabe hingegen bestätigte dies. Weil die Aussagen unter Eid erfolgten, ist dieser Widerspruch nun das zentrale (und einzige) Argument der Anklage. Sollte Comey deswegen verurteilt werden, droht ihm eine mehrjährige Gefängnisstrafe.
Dass Comey je verurteilt wird, ist indes eher unwahrscheinlich. Die Anklage steht auf sehr wackligen Füssen, denn dieser Fall ist bereits mehrfach und intensiv untersucht worden. In einem Bericht des General Inspectors, einer Aufsichtsbehörde, wird klar festgehalten, dass Comey nicht gelogen hat.
Auch John Durham, ein von William Barr – Trumps damaligem Justizminister – eingesetzter Sonderbeauftragter, konnte kein Fehlverhalten Comeys feststellen, obwohl er jahrelang danach gesucht hatte. Barr selbst, der zuvor fast alle Schweinereien des Präsidenten gedeckt hatte, weigerte sich deshalb, Comey anzuklagen. Das permanente Drängen Trumps, es zu tun, war denn auch ein Grund für seinen vorzeitigen Rücktritt, wie Barr dies selbst in seinen in Buchform veröffentlichten Memoiren schildert.
Trump lässt jedoch nicht locker. In seiner zweiten Amtszeit hat er mit Pam Bondi eine Justizministerin gefunden, die ihm fast vollständig zu Füssen liegt. Doch auch sie wollte zunächst keine Anklage gegen Comey mitverantworten, denn Erik Siebert, ein von Trump eingesetzter Staatsanwalt, kam ebenfalls zum Schluss, dass es keine hinreichenden Gründe dafür gebe.
Siebert wurde daraufhin von Trump gefeuert. An seine Stelle trat Lindsey Halligan, eine Juristin aus dem persönlichen Umfeld des Präsidenten. Sie hat als Versicherungs-Anwältin keinerlei Erfahrung als Strafuntersucherin. Trotzdem hat sie jetzt Anklage erhoben, und zwar auf den letzten Drücker. Nächste Woche wäre die Verjährungsfrist abgelaufen.
Trump ist begeistert. Auf seiner Plattform Truth Social postete er: «GERECHTIGKEIT IN AMERIKA! Eine der schlimmsten Gestalten, denen das Land je ausgesetzt wurde, James Comey, der korrupte ehemalige Chef des FBI, ist von einer Grand Jury in zwei Punkten für seine illegalen Aktionen angeklagt worden.»
Das war einmal mehr dumm von Trump, denn er riskiert damit, dass der zuständige Richter den Prozess wegen Vorverurteilung abbläst, bevor er überhaupt begonnen hat. Dieser Richter wurde per Zufallsprinzip bestimmt, heisst Lindsey Vaala und wurde von Joe Biden eingesetzt.
Für einmal hat Trump somit kein Heimspiel. Eine Annullierung des Prozesses ist daher eine realistische Option, zumal der Präsident im Vorfeld seine Justizministerin ebenfalls auf Truth Social aufgefordert hatte, Comey anzuklagen. Juristisch gesehen ein absolutes No-Go.
Gut möglich, dass Trump seine autoritären Ambitionen einmal mehr mit seiner persönlichen Dummheit vermasselt hat. Das ist ihm auch bei der Jimmy-Kimmel-Affäre passiert. Die Absetzung des populären Comedians ist zu einem klassischen Eigengoal geworden, denn der Protest der Amerikaner war so laut, dass der Disney-Konzern den Schwanz einzog und Kimmel wieder auf Sendung setzte. Mit Erfolg übrigens, seither erzielt Kimmel Rekord-Einschaltquoten.
Sollte sich das Gericht an die Grundsätze des Rechtsstaats halten, dann könnte auch der Prozess gegen Comey zu einem Rohrkrepierer werden. Der Angeklagte selbst ist jedenfalls davon überzeugt. «Ich habe keine Angst», erklärt Comey in einem Post auf Instagram, «(…) und ich hoffe, euch geht es gleich. Ich hoffe, ihr engagiert euch. Ihr wisst, was abgeht, und ihr werdet bei den nächsten Wahlen daran denken, denn das Schicksal eures geliebten Landes hängt davon ab. Ich bin unschuldig, so lasst den Prozess beginnen.»