Jetzt attackiert Trump selbst Pam Bondi
An der Abdankungsfeier ihres ermordeten Mannes Charlie Kirk schlug dessen Witwe Erika Kirk versöhnliche Worte an. «Er (mein Mann) hat seine Gegner nicht gehasst. Er wollte das Beste für sie. Er wollte junge Männer wie derjenige, der sein Leben ausgelöscht hat, retten. Dieser junge Mann, ich vergebe ihm. Ich vergebe ihm, wie Christus das getan hätte.»
Donald Trump, der zusammen mit rund 100’000 Trauergästen der Monsterfeier in einem Sportstadion in Glendale (Bundesstaat Arizona) beiwohnte und die Schlussrede hielt, widersprach umgehend: «Da unterscheide ich mich von Charlie», erklärte er. «Ich hasse meine Gegner, und ich wünsche ihnen nicht das Beste.»
Trumps Scharfmacher und einflussreicher Einflüsterer Stephen Miller legte noch einen drauf. In poetischem Kitsch erklärte er: «Der Sturm flüstert dem Krieger zu, er könne seiner Gewalt nicht widerstehen, und der Krieger antwortet, ich bin der Sturm. Wir sind der Sturm, und unsere Gegner können nicht begreifen, wie stark, wie entschlossen und wie leidenschaftlich wir sind.»
Trump und seine MAGA-Meute nehmen das Attentat auf Kirk jetzt zum Anlass, ihre letzten Hemmungen fallenzulassen. Sie wollen ihren Rache- und Vergeltungsfeldzug gegen reale und eingebildete Gegner durchziehen, und zwar rasch und ohne Rücksicht auf Verfassung und Rechtsstaat. Deshalb attackiert der Präsident jetzt gar eine seiner engsten Verbündeten, die Justizministerin Pam Bondi.
Am Wochenende forderte er sie auf seiner Plattform Truth Social unmissverständlich auf, gegen den ehemaligen FBI-Direktor James Comey, gegen den Senator Adam Schiff und gegen Letitia James, die Generalstaatsanwältin des Bundesstaates New York, vorzugehen. «Wir können nicht mehr länger warten, das killt unseren Ruf und unsere Glaubwürdigkeit», postete der Präsident. «Sie haben mich zwei Mal impeached und fünf Mal angeklagt, UND ZWAR GRUNDLOS, GERECHTIGKEIT MUSS GESCHEHEN, JETZT!!!»
Dabei schienen Trumps Schergen bereits einen Trick gefunden zu haben, wie sie ihre politischen Gegner hinter Gitter bringen können. Sie werfen ihnen angeblichen Betrug beim Abschliessen von Hypotheken vor. Doch der Trick funktioniert nicht.
Erik Siebert, ein Staatsanwalt, der die Verfahren gegen Comey und James im Eastern District of Virginia bis vor kurzem leitete, verzichtete aus Mangel an Beweisen auf die Fortsetzung des Verfahrens. Siebert ist Republikaner und erfahrener Strafverfolger. Aus Wut und Enttäuschung wurde Siebert deshalb gegen den Willen von Bondi gefeuert. An seiner Stelle soll nun Lindsey Halligan eingesetzt werden, eine Versicherungs-Anwältin mit null Erfahrung im Strafrecht, deren einzige Qualifikation seine bedingungslose Loyalität zu Trump ist.
Im Bundesstaat Maryland steht derweil die Staatsanwältin Kelly Hayes unter Druck. Sie wird vom Präsidenten gedrängt, Adam Schiff und John Bolton, Trumps ehemaligen Sicherheitsberater, vor den Kadi zu bringen. «Ich bin fünf Mal angeklagt worden», so der Präsident. «Wir müssen rasch handeln. Sollten sie unschuldig sein, kann ich damit leben. Sollten sie jedoch schuldig sein, dann müssen sie angeklagt werden.»
Dass ausgerechnet Pam Bondi ins Fadenkreuz des Präsidenten geraten ist, überrascht. Sie gilt als eigentliches Trump-Groupie. In einem ausführlichen Portrait im Magazin «New Yorker» beschreibt sie Ruth Marcus wie folgt: «Selbst in einem Team von Trump-Speichelleckern sticht sie mit kriecherischer Ergebenheit hervor. An einer Kabinettssitzung wandte sie sich an Trump und sagte: ‹Präsident, ihre ersten hundert Tage haben alles übertroffen, was je eine Präsidentschaft in diesem Land erreicht hat.›»
Bondi schmeichelt nicht nur, sie handelt auch. Sie hat das Justizministerium gesäubert, wie noch nie jemand seit der Watergate-Affäre. Und sie zögert keinen Moment, die Wünsche des Präsidenten umgehend umzusetzen. So hat sie beispielsweise die Nominierung von Alina Habba, einer von Trumps Anwältinnen, als Generalstaatsanwältin des Bundesstaates New Jersey unterstützt, obwohl diese in keinerlei Art qualifiziert war. Es hat dann letztlich doch nicht geklappt.
In der Epstein-Affäre hat Bondi zwar gepatzt, aber nie in einem Ausmass, das zu einer Entlassung gereicht hätte. Zudem ist Inkompetenz in der zweiten Amtszeit von Trump bekanntlich kein Grund, gefeuert zu werden. Obwohl sie einst Mitglied der Demokratischen Partei war, gehört Bondi auch seit bald zwei Jahrzehnten zum Freundeskreis von Trump. So erklärt denn auch die Stabschefin Susie Wiles: «Ich habe eine lange Beziehung zu Trump. Sie noch eine längere.»
Trump will nicht nur Rache und Vergeltung, er will den Tod von Charlie Kirk auch als Auftakt für ein neues «Great Awakening» in den USA missbrauchen. Unter einem «grossen Erwachen» verstehen die Amerikaner periodisch wiederkehrende, religiöse Wallungen, die das gesamte Land erfassen. Weil Kirk ein bekennender Christ war, soll er nun als Märtyrer für den «christlichen Nationalismus» emporstilisiert und als Feigenblatt für die Errichtung eines autoritären Staates missbraucht werden.
Im Magazin «The Atlantic» nennt David Frum noch einen weiteren Grund, weshalb Trump auf seine Justizministerin losgeht. «Trump hat ein feines Gespür fürs Überleben. Er muss gemerkt haben, dass er, wenn er nicht jetzt handelt, um freie und faire Wahlen 2026 zu verhindern, dann einen Grossteil seiner Macht einbüssen wird – und auch seine Straflosigkeit.»