International
Analyse

Warum Donald Trump Dokumente zerreisst

ARCHIV - Donald Trump, abgew
Bild: sda
Analyse

Warum Donald Trump Dokumente zerreisst

Die Republikaner haben keinen Plan und setzen auf die Karte Anarchie.
10.02.2022, 14:49
Mehr «International»

In seiner Amtszeit hat Donald Trump im Oval Office alles zerrissen, was ihm in die Finger kam: Mitteilungen, Zeitpläne, Artikel, Briefe und Memos. Seine Angestellten lasen die Papierschnitzel zusammen und fügten sie so gut wie möglich mit Klebeband wieder zusammen. Sie taten dies, weil ein Gesetz aus dem Jahr 1978 vorschreibt, dass alle präsidialen Dokumente aufbewahrt und dem Archiv des Weissen Hauses übergeben werden müssen. Dieses Gesetz wurde als Folge der Watergate-Affäre erlassen.

Trump hat gegen dieses Gesetz verstossen, genauso wie er illegal 15 Kisten von Washington in seine Residenz in Florida transportieren liess. In den Kisten befinden sich unter anderem die «Liebesbriefe» des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un, aber auch die legendäre Wetterkarte, welche der Ex-Präsident mit einem Filzstift eigenhändig korrigiert hatte, um eine falsche Aussage über einen Hurrikan nachträglich zu rechtfertigen. Es gibt jedoch auch Dokumente darunter, die als «geheim» klassifiziert sind.

FILE - North Korean leader Kim Jong Un, left, and U.S. President Donald Trump shake hands prior to their meeting on Sentosa Island in Singapore on June 12, 2018. North Korea basked in the global limel ...
Donald Trump und Kim Jong-un. Die «Liebesbriefe» der beiden hat Trump nach Mar-a-Lago geschafft.Bild: keystone

Trump hat wissentlich gegen dieses Gesetz verstossen. Er rügte nämlich seinerzeit Nancy Pelosi mit Hinweis auf dieses Gesetz öffentlich, als diese nach der State-of-the-Union-Rede ihre Unterlage demonstrativ zerrissen hatte. Und wie war das schon wieder mit den E-Mails und dem privaten Server von Hillary Clinton?

Okay, es mag kleinlich erscheinen, Trump an seinem Zerreiss-Tick aufhängen zu wollen. Doch inzwischen hat das Justizdepartement angekündigt, es werde der Sache nachgehen. Grosse Verbrechen können manchmal wegen kleiner Dinge gesühnt werden. Der Mafia-Boss Al Capone ging bekanntlich nicht wegen seiner Morde in den Knast, sondern wegen Steuervergehen.

Trumps Zerreiss-Tick ist symbolisch für den Zustand der Grand Old Party (GOP). Weil ihnen die Felle davonschwimmen, setzen die Republikaner auf die Karte Krawall. Aber der Reihe nach:

Auf der Achterbahn der amerikanischen Politik haben derzeit wieder einmal die Demokraten die Oberhand. Die Wirtschaftszahlen sind weit besser ausgefallen als erwartet. Omikron befindet sich in den letzten Zügen. Und die Biden-Regierung hat die Scharte ausgewetzt, die sie beim Afghanistan-Rückzug eingefangen hatte.

Die Ukraine-Krise hat sie bisher hervorragend gemeistert. «Sie hat militärische Güter in die Ukraine geschickt, hat Truppen in Osteuropa aufmarschieren lassen und Sanktionen vorbereitet. Damit hat die Biden-Regierung eine Reihe von Signalen ausgesandt, die selbst Putin nicht falsch interpretieren kann», lobt sogar Holman Jenkins im «Wall Street Journal», wenn auch mit beinahe physisch hörbarem Zähneknirschen.

FILE- In this Aug. 18, 2018 file photo Republican strategist Karl Rove speaks during the Mississippi Book Festival in Jackson, Miss. Rove and a connected dark money group are raising money for a GOP c ...
Verunsichert: Karl Rove, Stratege der GOP.Bild: keystone

Ebenfalls im «Wall Street Journal» fragt derweil Karl Rove, der ehemalige Chefstratege von George W. Bush, besorgt: «Wird die Agenda der Republikaner noch rechtzeitig vor den Wahlen 2022 erscheinen?»

Die Frage ist berechtigt. Bisher konnte Biden spotten: «Wofür stehen die Republikaner überhaupt?» Bis heute hat die GOP noch nicht einmal eine Wahl-Plattform. Stattdessen hat sich die Partei ganz Trumps Rachefeldzug verschrieben und kennt nur noch ein Thema: die Big Lie. Gerade deswegen ist nun aber ein hässlicher innerparteilicher Streit ausgebrochen.

Nachdem Trump einmal mehr die absurde Behauptung in die Welt gesetzt hatte, sein Vizepräsident hätte Bidens Wahl annullieren können, konnte Mike Pence nicht mehr anders, als dies zu dementieren. Das hat er am vergangenen Freitag nun auch getan und öffentlich erklärt, Trump habe sich geirrt.

Gleichzeitig hat die Rennleitung der GOP es für nötig befunden, die beiden Abgeordneten Liz Cheney und Adam Kinzinger abzumahnen und dabei den Sturm auf das Kapitol als «legitimes politisches Verfahren» zu bezeichnen.

Das wiederum war selbst für Mitch McConnell, den republikanischen Minderheitsführer im Senat, zu viel. Er betonte einmal mehr, die Ereignisse vom 6. Januar seien ein «Aufstand» gewesen, der durch nichts zu rechtfertigen sei. Kevin McCarthy, der republikanische Minderheitsführer im Abgeordnetenhaus, hingegen drückte sich vor einer Stellungnahme. Er rannte den Journalisten davon.

FILE - White House trade adviser Peter Navarro listens as President Donald Trump speaks during a news conference at the White House, Aug. 14, 2020, in Washington. The House committee investigating the ...
Versuchte einen Staatsstreich: Peter Navarro, ehemaliger Wirtschaftsberater der Trump-Regierung.Bild: keystone

Auch im innerparteilichen Streit greifen die Trump-Anhänger zum Zweihänder. So erklärte etwa Peter Navarro, ein ehemaliger Wirtschaftsberater: «Pence hat Trump verraten, Marc Short (der ehemalige Stabschef von Pence) ist eine Marionette der Koch-Brüder, Mark Meadows (Trumps ehemaliger Stabschef) ist ein Idiot und ein Feigling. Liz Cheney und Adam Kinzinger sind nützliche Idioten für Nancy Pelosi und die Woke-Linke.»

Navarro selbst hat inzwischen eine Vorladung erhalten, als Zeuge vor dem Ausschuss zur Abklärung der Ereignisse des 6. Januars auszusagen. Er hatte sich öffentlich gerühmt, zusammen mit Steve Bannon einen Plan ausgeheckt zu haben, wie man Bidens Sieg im letzten Moment hätte verhindern können.

Um von den Erfolgen der Biden-Regierung und dem innerparteilichen Zwist abzulenken, haben die Republikaner nun die kanadischen Trucker entdeckt. Unterstützt von Fox News und anderen konservativen Medien werden diese zu neuen patriotischen Helden empor stilisiert. Grund: Sie protestieren gegen einen Impfzwang, welchen die linksliberale Regierung von Justin Trudeau erlassen haben soll.

Dies ist in mehrfacher Hinsicht absurd. Der Impfzwang gilt für die Ein- und Ausreise in die USA und ist von amerikanischer Seite eingeführt worden. Die Kanadier befürworten diese Massnahme mit überwältigender Mehrheit und haben Null-Verständnis für die protestierenden Trucker. Diese haben inzwischen auch die wichtigste Brücke zwischen den USA und Kanada blockiert. Dabei entsteht ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden. In Detroit stockt deswegen die Autoproduktion. Daher werden die protestierenden Trucker – es handelt sich dabei um eine Minderheit von höchstens zehn Prozent –von ihrer eigenen Gewerkschaft gerügt.

A woman crosses the street in front of vehicles parked as part of the trucker protest, Tuesday, Feb. 8, 2022 in Ottawa. Canadian lawmakers expressed increasing worry about protests over vaccine mandat ...
Trucker blockieren die Strassen in Ottawa.Bild: keystone

Das Trump-Lager hingegen unternimmt alles, um dafür zu sorgen, dass die Trucker-Proteste auch auf die USA übergreifen. Vielleicht haben sie dabei sogar Erfolg. Es wird befürchtet, dass ähnliche Blockaden am kommenden Wochenende in Los Angeles stattfinden könnten. Anlass wäre die Austragung des Superbowls.

Trump und die GOP geben sich nicht mehr mit der Big Lie zufrieden. Die Partei, die sich einst «Recht und Ordnung» verschrieben hat, fördert nun faschistische Anarchisten.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Tausende Trucker demonstrieren in Kanada gegen Corona-Vorgaben
1 / 19
Tausende Trucker demonstrieren in Kanada gegen Corona-Vorgaben
Nach einer tagelangen Fahrt durch Kanada ist ein Konvoi aus Hunderten Lastwagen am Wochenende in der Hauptstadt Ottawa eingetroffen, um gegen Corona-Massnahmen und Impfvorschriften zu demonstrieren.
quelle: keystone / frank gunn
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Kanadas Anti-Impf-Trucker blockieren Ottawa
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
75 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Cpt. Jeppesen
10.02.2022 15:18registriert Juni 2018
Die Blockade des Verkehrs in Kanada wird zwischenzeitlich über GoFundMe finanziert. 6 Millionen Dollar sind schon zusammen gekommen. Das was in Kanada abläuft ist von den amerikanischen Rechten finanziert. Und es geht auch nicht um Imfung, es geht rein darum die Ordnung zu stören um die Aufmerksamkeit der Medien zu bekommen.
1408
Melden
Zum Kommentar
avatar
FrancoL
10.02.2022 15:51registriert November 2015
Man sammelt im Wochentakt Fehlverhalten und illegale Verhalten des schwächsten Präsidenten aller Zeit.
Passieren wird nichts, gar nichts.
Was allerdings sich einstellen wird ist; die Glaubwürdigkeit in die Justiz wird immer mehr Abnehmen, es entsteht ein Freiraum für Gauner und dies wiederum nagt an der Demokratie.
Trump wird nicht nur nicht belangt, er erreichen das was er immer wollte, eine Abkehr von der Justiz und das ist brandgefährlich.
Wehret den Anfängen.
963
Melden
Zum Kommentar
avatar
Black Cat in a Sink
10.02.2022 15:49registriert April 2015
In jedem normalen Land der Welt, wäre Trump schon längst vor Gericht gestanden. In Amerika ist seit 2016 nichts mehr normal. Oder ist es das neue Normal wenn der Mann aus Florida möglicherweise belastende Beweise die Toilette hinunter spült und ein Sanitär die Verstopfung im Rohr entfernen muss?
905
Melden
Zum Kommentar
75
Sicherheitsmann vor Villa von Rapper Drake angeschossen

Ein Sicherheitsmitarbeiter des Rappers Drake ist vor dessen Villa im kanadischen Toronto angeschossen worden. Die Polizei bestätigte die Schüsse, die in der Nacht zum Dienstag gefallen waren. Der Vorfall ereignete sich gegen 2 Uhr morgens vor dem Tor des Anwesens, wo der Sicherheitsmann positioniert war. Drake (37) selbst passierte nichts - es blieb auch unklar, ob er zur Tatzeit überhaupt zu Hause war.

Zur Story