Wir hofften, wir bangten, wir klammerten uns an jeden Strohhalm. «Nur das nicht!», lautete die Devise. Am Ende war alles vergebens. Donald Trump wurde im November erneut zum US-Präsidenten gewählt. Sein Sieg war nicht so eindeutig, wie oft behauptet wird, auch wenn er in allen sieben Swing States gewann. Die USA bleiben ein tief gespaltenes Land.
Und doch schleckt es keine Geiss weg: Donald Trump wird am Montag erneut vereidigt. Die Amerikaner erhalten ihren ersten vorbestraften Präsidenten. Sie wählten ihn, obwohl er vor vier Jahren einen Staatsstreich angezettelt hatte, weil er seine Niederlage gegen Joe Biden nicht akzeptieren konnte. Die Gesetze? Die Verfassung? Nobody gives a shit!
Bei genauer Betrachtung war sein zweiter Wahlsieg keine Überraschung. Wirtschaftlich geht es den Amerikanern nur aus makroökonomischer Optik blendend. Und Biden hat sich zu lange an sein Amt geklammert. Nichts belegt dies besser als die anhaltende Überzeugung, er hätte Trump besiegen können. Sie zeigt seinen fortschreitenden Realitätsverlust.
Nun beginnt also Trump 2.0. Und wir müssen uns auf etwas gefasst machen. Der erste Wahlsieg 2016 kam auch für ihn unerwartet. Entsprechend unvorbereitet trat er sein Amt an. Und entsprechend holprig verlief die erste Amtszeit, bis zum chaotischen Umgang mit der Corona-Pandemie. Sie kostete ihm die Wiederwahl, doch viele haben sie verdrängt.
Jetzt weiss Trump, was es geschlagen hat. Er will sogleich Nägel mit Köpfen machen. Man könne auf den Stufen des Kapitols einen Schreibtisch aufstellen, damit er nach der Inauguration die ersten Erlasse unterschreiben kann, schwadronierte er. Als eine der ersten Amtshandlungen dürfte er die Massendeportation «illegaler» Einwanderer anordnen.
Gleichzeitig droht die Migration Trumps heterogene Anhängerschaft zu spalten. Zwischen den Wortführern Steve Bannon und Elon Musk herrscht offener Hass. Vordergründig dreht sich der Streit um Visa für Fachkräfte, doch letztlich geht es darum, wie die beiden Maximen des Trumpismus «Make America Great Again» und «America First» zu interpretieren sind.
Die identitären Isolationisten um Bannon und Laura Loomer wollen möglichst gar keine Zuwanderung mehr, während die Tech-Oligarchen wie Musk sie als unerlässlich für den wirtschaftlichen Erfolg betrachten. Hier kommen die rund elf Millionen undokumentierten Migranten ins Spiel. Ohne ihre Arbeitskraft würde es in den USA schnell ungemütlich.
Beobachter rätseln, wie weit Donald Trump mit den Ausschaffungen gehen wird. Seine Anhänger aber erwarten, dass er seine Wahlversprechen einhält. Wenn er zudem die angekündigten Strafzölle verhängt und die Steuern senkt, könnte ein für die US-Wirtschaft toxischer Mix entstehen, der nicht zuletzt die Inflation anheizen würde.
Wegen einer ähnlich desaströsen Wirtschaftspolitik musste die britische Premierministerin Liz Truss ihren Posten nach einer rekordverdächtig kurzen Amtszeit räumen. Donald Trump traut man derartige Dummheiten erst recht zu. Zwar will er in seine neue Regierung auch «Erwachsene» wie den designierten Finanzminister Scott Bessent holen.
In erster Linie aber umgibt er sich mit Loyalisten. Und ein «Betriebsunfall» wie mit Matt Gaetz als Justizminister soll sich nicht wiederholen. Als auch der designierte Verteidigungsminister Pete Hegseth auf der Kippe stand, wurden die Republikaner im Kongress von konservativen «Ultras» gnadenlos gemobbt. Entsprechend unterwürfig waren sie bei Hegseths Hearing im Senat.
Es ist zu befürchten, dass er auch Tulsi Gabbard als Geheimdienst-Chefin und Robert Kennedy als Gesundheitsminister «durchwinkt». Die Demokraten sitzen ohnmächtig daneben. Es ist eine gefährliche Entwicklung für die USA und die Welt. «Donald Trump wird die amerikanische Aussenpolitik der letzten 80 Jahre umstossen», meint der «Economist».
Statt auf universalen Werten werde sie auf Eigennutz basieren, meint das britische Magazin. Seine Drohungen gegen Dänemark, Kanada und Panama sind ein Vorgeschmack. Kein Wunder fürchten die traditionellen Verbündeten Trumps Comeback, während sich andere Länder darauf freuen, wie eine globale Umfrage des European Council on Foreign Relations (ECFR) zeigt.
Man darf die Vergangenheit nicht verklären. Eine idealistische Aussenpolitik war eher die Ausnahme als die Regel (man denke nur an George Bush junior). Und doch hielten die Allianzen seit dem Zweiten Weltkrieg allen Belastungen stand. Stellt Trump nun alles auf den Kopf? Es kann anders kommen, wenn man zwei wichtige Aspekte beachtet:
Es liegt nahe, Trumps unfokussierte und impulsive Aussagen als Geschwätz abzutun. Das aber wäre fatal. Der alt-neue Präsident meint, was er sagt. Er will den Krieg in der Ukraine beenden, auch wenn er dafür mehr als die vollmundig angekündigten 24 Stunden braucht. Im Gaza-Krieg wollte er noch vor seinem Amtsantritt einen Waffenstillstand.
Ähnlich muss man die Ansprüche auf Grönland oder den Panamakanal interpretieren. Trump will sie den USA nicht zwingend einverleiben, sondern militärisch und wirtschaftlich bedeutende Seewege kontrollieren, darunter die zunehmend schiffbare Nordwestpassage. Er hat das «big picture» im Auge, den Machtkampf mit dem Erzrivalen China.
Ähnlich sieht es bei der Forderung an die NATO-Länder aus, nicht nur zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, sondern fünf Prozent. Faktisch will Trump, dass sie mehr amerikanische Waffen kaufen. Und womöglich dient sie als Vorwand für Strafzölle gegen europäische Länder, was auch die Schweiz beunruhigen sollte.
Nichts prägt Trumps Image stärker als der Ruf, ein Dealmaker zu sein. Zementiert hat ihn die amerikanische Entertainment-Kultur, genauer die Serie «The Apprentice» (seine realen Erfolge als Businessman sind überschaubar). Das bedeutet: Man kann im Umgang mit Trump einiges erreichen, solange er der Sieger ist. Oder sich als solcher fühlt.
Ein gutes Rezept sind Schmeicheleien, für die Trump sehr empfänglich ist. Nicht alle beherrschen sie. Die staubtrockene Naturwissenschaftlerin Angela Merkel scheiterte kläglich. Emmanuel Macron hat es versucht und wird es weiterhin tun, doch letztlich sind der elitäre Franzose und der Instinktmensch aus New York zu unterschiedliche Persönlichkeiten.
Ein Meister in dieser Disziplin ist Wladimir Putin, der Trump beim Treffen in Helsinki 2018 auf eine Weise vorführte, die zum Fremdschämen war. Als «Trump-Flüsterer» gilt aber auch der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dessen häufig belächelte «Kuss-Diplomatie» bei Trump funktionierte.
Beim Treffen im Weissen Haus 2018 konnte ihm der Luxemburger einen Handelskrieg mit der EU ausreden. Einen Draht zu Trump hatte auch der neue NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Genau deshalb soll er den Job bekommen haben. Es wird trotzdem anspruchsvoll sein, Trump vom Verbleib in der transatlantischen Allianz zu überzeugen.
Donald Trump sei unberechenbar, lautete eine oft kolportierte Binsenweisheit. Doch weil er mehr impulsiv als rational tickt, kann man ihn in die gewünschte Richtung lenken, sofern man beide Faktoren beachtet. Das allerdings wissen auch die Feinde der liberalen Demokratie. Immerhin ist es möglich, dass er genauso scheitern wird wie in der ersten Amtszeit.
Vieles hängt davon ab, wie sich der Machtkampf in der MAGA-Bewegung entwickelt. Und ob die Republikaner im Kongress «auf Linie» bleiben (im Streit um den drohenden Shutdown der Bundesregierung vor Weihnachten taten sie es nicht). Die nächsten vier Jahre mit Trump 2.0 aber sind eine Challenge – für die USA und die ganze Welt.
Vier Jahre Dauerbeschallung durch die Medien.
Wobei das eher Gewissheit als Erwartung ist.
Ist ja nicht so, dass man aus der 1. Amtszeit etwas gelernt hätte. 😉
Er wird sicher nicht mehr als etwa 1/3 (maximal!) der bedrohten Migranten „erwischen“, aber das stellt die MAGA-Meute erst mal ruhig.
Ich frage mich nur, was passiert, wenn im Herbst die Ernte auf den Feldern verfault; Eltern zuhause bleiben müssen, weil die Nanny ausgeschafft wurde; die Gastronomie schließt oder der Wiederaufbau von LA ausbleibt, weil niemand mehr Bauarbeiter oder Kellner findet…
Dann wird Trump außenpolitisch abzulenken versuchen.