Die Kontinental-Europäer haben traditionell ein ambivalentes Verhältnis zu den Angelsachsen. Als «the perfidious albion» – ein alter Ausdruck für Britannien – wurde die Insel lange misstrauisch von Franzosen und Deutschen betrachtet.
Auch das Verhältnis zu den Amerikanern war und bleibt ambivalent. Der französische Adlige Alexis de Tocqueville berichtete schon im 19. Jahrhundert über das Leben in den USA und zwar gleichzeitig fasziniert von dessen egalitärem und vulgärem Charakter.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Amerikaner in Westeuropa zunächst als Befreier vom Faschismus und Beschützer vor dem Kommunismus gefeiert. Gleichzeitig wurde jedoch die zunehmende Amerikanisierung des europäischen Alltags misstrauisch verfolgt und kritisch kommentiert. Die Amis seien zwar nett, aber oberflächlich und unkultiviert, so der Tenor.
Extrem ambivalent war das Verhältnis zu den Angelsachsen bei der 68er-Generation. Der absurde und grausame Vietnamkrieg und die Unterstützung für den brutalen chilenischen Diktator Augusto Pinochet lösten eine Anti-Amerika-Welle bei der Jugend in Westeuropa aus, zumindest bei der politisch engagierten.
Gleichzeitig war jedoch die Rockmusik und die damit verbundene Mode ein zentraler Bestandteil eben dieser Jugend im Protest gegen ihre Eltern. Zur Musik von Jimi Hendrix und Frank Zappa wurde so paradoxerweise «Amis go home» skandiert und eine neue, sexuell befreite Kultur propagiert.
Im Westeuropa wurden die Angelsachsen politisch gehasst, kulturell jedoch dank ihrer Musik geliebt. Der deutsche Schlager hatte keine Chance gegen den angelsächsischen Rock, Rex Gildo und Roy Black konnten schlicht nicht mit den Beatles und den Rolling Stones mithalten. Obwohl sie die Jugendkultur dominierten, wurden die Angelsachsen deshalb nicht als Kolonialisten wahrgenommen, selbst auf Höhepunkt der Anti-Vietnam-Proteste nicht.
Ganz anders die Lage in Osteuropa, vor allem auch in der DDR. Dort wurde angelsächsischer Rock und Hippie-Kultur, wenn überhaupt, in homöopathischen Dosen verabreicht. «Easy Rider» und Janis Joplins «Bobby McGee» schafften es nicht bis nach Ostberlin und Dresden.
Die volle Dosis angelsächsischer Kultur schwappte erst nach dem Mauerfall in den Osten hinüber. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie jedoch ihren emanzipatorischen Inhalt bereits weitgehend verloren. Rock gab es mittlerweile nicht nur gegen, sondern auch für rechts, und selbst die Katholische Kirche getraute sich nicht mehr, gegen Sex vor der Ehe zu polemisieren.
Anders als im Westen wurde die angelsächsische Kultur im Osten daher stärker als fremd empfunden. Das Gefühl, die Mitbürger im Westen seien von den Amis kolonialisiert worden, machte sich vor allem im Osten breit. Der Anspruch, die wahre deutsche Kultur zu vertreten, ist folgerichtig in Ostdeutschland weiter verbreitet als im Westen und mit ein Grund für die Russland-freundliche Haltung der AfD.
Politisch geht diese These einher mit der sogenannten «Heartland-Theorie». Was ist damit gemeint? Der britische Geograf Halford Mackinder formulierte diese Theorie schon 1904. Sie teilt die Welt in zwei Mächte auf, die Land- und die Seemacht.
Die Seemacht, das sind die Angelsachsen. Britannia beherrschte einst die Meere, und die Amerikaner begannen ihren Aufstieg zu einer Weltmacht. Russland ist dank seiner riesigen Ausdehnung der Kern der Landmacht, und damit der natürliche Feind der Angelsachsen. Zwischen den beiden Mächten herrscht gemäss Mackinder ein permanenter Kampf um die Weltherrschaft.
Im Kalten Krieg ging es primär um freie Marktwirtschaft gegen Kommunismus, die «Heartland-Theorie» geriet weitgehend in Vergessenheit. Jetzt aber blüht sie wieder auf, vor allem in rechtspopulistischen Kreisen. Wer sich in den entsprechenden Foren im Internet umschaut, stösst bald auf den Namen von Mackinder. Verschwörungstheoretiker wie Daniele Ganser und auch der russische Faschist und Ideologe Alexander Dugin berufen sich auf ihn.
Beiden schwebt eine starke, neue Landmacht vor. Sie schwärmen von einer Vereinigung deutscher Ingenieurskunst und russischem Rohstoff-Reichtum. Damit sollte es endlich möglich sein, die Dominanz der angelsächsischen Seemacht zu brechen.
Mit Donald Trump erhält die «Heartland-Theorie» weiter Aufschub. Der wiedergewählte Präsident spricht davon, Grönland, Panama und Kanada notfalls militärisch in die Knie zu zwingen. Selbst wenn es sich dabei wohl um typische Trump’sche Prahlerei handeln sollte, ist die Tatsache, dass ein US-Präsident heute wieder solche Drohungen in die Welt setzt, erschreckend.
Trump droht nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich. Man muss wohl davon ausgehen, dass er seine angekündigten Strafzölle umsetzen wird. Er setzt darauf, dass nicht der amerikanische Konsument die Zeche dafür bezahlen wird, sondern die Unternehmen, welche vom Zugang zum US-Markt profitieren und deshalb ihre Preise anpassen müssen.
Mit den Strafzöllen will Trump auch seine Vision einer neuen Weltordnung erzwingen. Stephen Miran, einer seiner Wirtschaftsberater, formuliert es im «Wall Street Journal» wie folgt: «Breit gefasste Zölle und eine Verschiebung weg von einer Starken-Dollar-Politik können die grössten Auswirkungen auf die Geopolitik in Jahrzehnten haben. Sie werden das internationale Handels- und Finanzsystem fundamental neu ordnen.»
Mit militärischen Drohungen und wirtschaftlichen Schikanen will Trump der Welt seinen Willen aufzwingen. Unterstützt wird er dabei von Elon Musk, der schon jetzt seinen unermesslichen Reichtum und seine Plattform X dazu missbraucht, liberale Regierungen in Westeuropa unter Druck zu setzen. Kein Zweifel, der «hässliche Amerikaner» ist zurück – und zwar mit aller Macht.
Europa wäre mittlerweile echt gut darin beraten, seine ewige Abhängigkeit von ausserkontinentalen Mächten drastisch zu verringern, sowohl gegen Ost wie gegen West.
Wenn See- und Landmächte zeitgleich einen auf hässlich machen, mutet das schon ziemlich apokalyptisch an.
Ich gehe sogar soweit, dass Russland zwar ein lauter, aber kein grosser Player mehr ist. Russland hängt am Tropf Chinas. China lässt die Russen machen, solange der für sie wichtige europäische Markt nicht zu sehr ins Schlingern kommt. Dann ist Ende Fahnenstange.
China wird auch bei den Zöllen und beim Panamakanal mehr als nur genau hinschauen, was die Amerikaner machen. Wenn sich Trump daran nur nicht die Finger verbrennt, denn auch die US-Wirtschaft ist auf Billigimporte aus China angewiesen.