Amerikanische Marineeinheiten landen in Nuuk und übernehmen im Handstreich die Kontrolle über die Hauptstadt Grönlands, eines selbstverwalteten Bestandteils des Königreichs Dänemark. Dieses Szenario klingt dermassen hanebüchen, dass bis vor Kurzem jeder mitleidiges Lachen geerntet hätte, der solch ein Geschehen als ernsthafte Möglichkeit betrachtet hätte. Noch bevor jedoch der wiedergewählte Ex-Präsident Donald Trump erneut ins Weisse Haus eingezogen ist, sind die Lacher verstummt.
Als Trump während seiner ersten Amtszeit davon gesprochen hatte, Dänemark die grösste Insel der Welt abzukaufen, hatte die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen das Ansinnen noch als «absurd» bezeichnet und kurzerhand abgewiesen. Doch die Welt hat sich verändert seit dem Sommer 2019, als Trump von diesem «grossartigen Deal» schwärmte. Weder in Kopenhagen noch in Nuuk scheint man jetzt die Pläne des designierten US-Präsidenten noch auf die leichte Schulter zu nehmen. Warum ist das so?
Schon im vergangenen Dezember liess der designierte US-Präsident wissen, dass er den 2019 anvisierten Grönland-Deal keineswegs vergessen hatte: «Im Interesse der nationalen Sicherheit und der Freiheit in der Welt sind die USA der Ansicht, dass der Besitz und die Kontrolle von Grönland eine absolute Notwendigkeit sind», schrieb Trump damals auf der von ihm mitbegründeten Online-Plattform Truth Social.
Am vergangenen Dienstag legte Trump auf einer Pressekonferenz in seiner Residenz in Mar-a-Lago nach. «Man weiss nicht einmal, ob Dänemark überhaupt ein Recht darauf hat, aber wenn ja, sollten sie es aufgeben, denn wir brauchen es für die nationale Sicherheit», sagte er im Hinblick auf Grönland. Zugleich warnte er, Dänemark müsse mit hohen Zöllen rechnen, falls es die Kontrolle über die Insel nicht aufgeben wolle. Und schliesslich schloss Trump nicht einmal militärische Massnahmen zur gewaltsamen Übernahme Grönlands aus: Die entsprechende Frage eines Journalisten der «New York Times» verneinte er knapp. Er werde sich darauf nicht festlegen, betonte Trump; es könne sein, dass man «etwas tun müsse».
Die unverhohlenen Drohungen des notorisch unberechenbaren «President-elect» scheinen in Kopenhagen Eindruck zu machen – nicht zuletzt auch deshalb, weil Trumps Berater laut einem CNN-Bericht mehrere dänische Amtsträger gewarnt haben, der kommende Präsident meine es ernst. Diese würden nun sorgfältig abwägen, wie sie auf Trumps Forderungen reagieren sollen, ohne den engen Verbündeten und NATO-Partner USA zu verprellen. Dieses Mal scheine es viel ernster zu sein als 2019, zitiert CNN einen hochgestellten dänischen Beamten.
Die Dänen sagten CNN zudem, die Annahme, dass Trump es ohnehin nicht ernst meine, werde wohl nicht der richtige Weg sein, um eine Krise abzuwenden. Vielmehr müsse man ein offenes Gespräch über Trumps Äusserungen führen. Tatsächlich gab der dänische Aussenminister Lars Lokke Rasmussen am Mittwoch zu verstehen, Dänemark wolle das Thema mit der neuen Trump-Regierung verstärkt diskutieren.
Grönland unterhält im Rahmen der Selbstverwaltung eine eigene Regierung; lediglich die Aussen- und Verteidigungspolitik sind davon ausgenommen. Der grönländische Regierungschef Múte B. Egede hat sich ebenfalls zur Kontroverse um Trumps Aussagen über Grönland geäussert. Trumps Äusserungen seien ernst zu nehmen, sagte er. Zugleich betonte er, man wolle sich nicht auf das politische Hin und Her zwischen den USA und Dänemark einlassen. «Grönland gehört den Grönländern. Das möchte ich einfach wiederholen», stellte Egede fest. «Unsere Zukunft und unser Kampf für die Unabhängigkeit ist unsere Sache.»
Einen Tag nach Trumps Pressekonferenz in Mar-a-Lago befragte der öffentlich-rechtliche Rundfunk Grönlands, Kalaallit Nunaata Radioa (KNR), mehrere Einwohner der Insel zu ihrer Meinung über seine Forderungen, wie CNN berichtet. Dabei zeigte sich, dass deren Ansichten durchaus auseinandergehen: Einige der Befragten bezeichneten Trumps Äusserungen als «gefährlich» und «besorgniserregend» und sagten, sie würden es vorziehen, wenn die Insel unter dänischer Kontrolle verbliebe.
Andere meinten, sie hätten «mehr Vertrauen in Trump als in die Dänen» und würden «die USA wählen». Erwähnt wurde dabei auch, dass in Grönland viele führende Positionen in dänischer Hand seien. Einer der Befragten stellte fest, er würde es vorziehen, wenn Grönland unabhängig wäre und sich weder auf Dänemark noch auf die USA verlassen müsste.
Die Insel geriet im 18. Jahrhundert zusehends unter dänische Kontrolle und wurde schliesslich ein Teil des dänischen Staates. Im Zuge der Dekolonisierung nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Grönland 1953 einen gleichberechtigten Status innerhalb Dänemarks. Die Entwicklung zur Selbstverwaltung machte 1979 einen entscheidenden Sprung vorwärts, als in Grönland mit der Hjemmestyre die erste Stufe der Autonomie eingeführt wurde. Das Gebiet erhielt ein Parlament und eine Regierung.
Seit 2009 verwaltet sich die Insel mit Ausnahme der Aussen- und Verteidigungspolitik selbst (Selvstyre). Grönland ist Teil des Königreichs Dänemark und Mitglied der NATO, jedoch nicht der EU. Im Abkommen über die Selbstverwaltung ist explizit festgehalten, dass Grönland das Recht hat, ein Referendum über die vollständige Unabhängigkeit von Dänemark abzuhalten, wobei eine einfache Mehrheit genügt.
Bedeutende Teile der Bevölkerung sehen die Loslösung von Dänemark als logischen nächsten Schritt. Bei der Frage, wann dieser erfolgen soll, herrscht jedoch Uneinigkeit, nicht zuletzt aufgrund der starken wirtschaftlichen Abhängigkeit von Dänemark: Das Mutterland deckt einen grossen Teil der grönländischen Ausgaben durch Direktzahlungen und indirekt durch Übernahme von staatlichen Aufgaben.
Viele Grönländer befürchten zudem, dass die Insel, sollte sie unabhängig werden, in eine neue und noch grössere wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA oder China geraten könnte. Die Frage der Unabhängigkeit wird auch bei der nächsten Parlamentswahl im Frühjahr 2025 eine gewichtige Rolle spielen. Von den knapp 57'000 Einwohnern Grönlands identifizieren sich mehr als 90 Prozent als Grönländer – ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft. Schätzungsweise gegen 90 Prozent der Einwohner haben Inuit-Vorfahren und sprechen in der Regel Grönländisch (Kalaallisut).
Was immer man vom designierten US-Präsidenten halten mag: Er hat bewiesen, dass er aus einem unwichtig anmutenden Thema ein ausgewachsenes Politikum zu machen vermag. Vordergründig scheint es zwar, als ob Trumps Vorgehen – es erinnert an einen Elefanten im diplomatischen Porzellanladen – lediglich dazu führen werde, enge Verbündete und NATO-Partner gegen sich aufzubringen.
Eine militärische Invasion Grönlands würde mit Sicherheit das Ende der NATO bedeuten, zu der sowohl die USA wie Dänemark seit ihrer Gründung gehören. Auf der strategisch wichtigen Insel sind im Rahmen dieses Verteidigungsbündnisses denn auch bereits heute amerikanische Truppen stationiert. Eine militärische Besetzung Grönlands erscheint daher höchst unwahrscheinlich.
Hintergrund des Trumpschen Vorprellens dürfte vermutlich die Furcht sein, dass Grönland sich tatsächlich von Dänemark – einem treuen NATO-Partner der USA – lösen könnte. In diesem Szenario nahezu unvermeidliche wirtschaftliche Probleme könnten dann zu politischer Instabilität, einem NATO-Austritt und eventuell sogar zu einer Annäherung Grönlands an China und Russland führen. Dass Washington einer solchen Entwicklung einfach zuschauen würde, dürfte ausgeschlossen sein.
Die strategisch wichtige Arktis steht bereits jetzt im Fokus der Weltmächte. Unweit der grönländischen Ostküste liegt eine Einfahrt für russische Schiffe und U-Boote auf dem Weg in den Atlantik. Kopfschmerzen bereitet den amerikanischen Militärstrategen auch die zunehmend engere Kooperation von Russland mit China in dieser Region.
Das Mittel, um Grönland an die USA zu binden, wäre wohl Geld. Der niederländische Journalist Harald Doornbos hat dazu in einem Post auf X die Berechnung angestellt, dass die USA jeden der rund 45'000 Inuit auf Grönland zum Dollar-Millionär machen könnten, um die Bevölkerung dazu zu bewegen, ein Referendum über die Unabhängigkeit abzuhalten und anzunehmen. Die 45 Milliarden Dollar, die dafür notwendig wären, so rechnet Doornbos, wären zwar viel Geld, aber doch nur gut ein Viertel der Summe, die von den USA seit Februar 2022 als Hilfe für die Ukraine ausgegeben worden seien.
Wie wahrscheinlich ein solches Szenario ist, lässt sich in den heutigen unruhigen Zeiten nurmehr schwierig einschätzen. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass die USA mit dem Geldbeutel in der Hand ihr Staatsgebiet um vormals dänisches Territorium erweitern: 1917 erwarb Washington für 25 Millionen Dollar in Gold Dänisch-Westindien, das seither als U.S. Virgin Islands ein nicht inkorporiertes Aussengebiet der USA ist.
Es ist erschreckend, dass man solche Aussagen ernst nehmen muss.
Wie weit sind wir gekommen, dass bei einer Bevölkerung von über 8 Milliarden Menschen, eine Hand voll Spinner die Möglichkeit hat, die Welt in Schutt und Asche zu legen?
Gegenthese: "Hintergrund des Trumpschen Vorprellens dürfte vermutlich die Tatsache sein, dass ein Dummkopf wie Trump die Mercator-Projektion nicht versteht und darum meint, Grönland sei so gross wie Afrika und er würde dann in die Geschichte eingehen als der Präsident mit der 'bigliest' Expansion des US Territoriums."
Finde ich jedenfalls die um Welten plausiblere Erklärung.
Ja, die Dänen sollen Ruhig mehr Geld investieren & den Einwohnern 1:1 die gleichen Rechte wie den Dänen geben, aber eine Unabhängigkeit bedeutet, dass China & Russland direkten Einfluss gewinnen werden.
Grönland soll NATO Gebiet bleiben...