New York hatte in den 1980er Jahren viele Probleme. Sehr viele sogar. Eines war die Wollman Rink, eine beliebte Eisbahn am Südende des Central Park in Manhattan. Sie war 1980 dermassen marode, dass sie geschlossen werden musste. Die Stadt versprach eine baldige Sanierung, doch sechs Jahre später war die Bahn immer noch eine Baustelle. Nun trat Donald J. Trump auf den Plan.
Er hatte drei Jahre zuvor den luxuriösen Trump Tower an der 5. Avenue erbaut und das miserable Image der Stadt aufpoliert. Nun bot er an, die Wollman Rink in Rekordzeit zu erneuern, für drei Millionen Dollar. Erledigen sollte die Arbeit ein Bauunternehmer, der schon mehrmals für ihn tätig war – und zwar gratis. Als Gegenleistung versprach ihm Trump viel positive PR.
Der Unternehmer erledigte den Job in nur sechs Monaten. Wer aber beanspruchte bei der glamourösen Neueröffnung im Oktober 1986 die gesamte Publicity für sich? Wer wohl?
Dies ist eine von zahlreichen erhellenden Episoden aus der vierteiligen Dokumentation «Trump: An American Dream», die seit letzter Woche auf Netflix zu sehen ist. Ursprünglich wurde sie für den britischen Channel 4 produziert. Der Titel ist nicht sehr originell, auch inhaltlich hat die Doku keine sensationellen Enthüllungen zu bieten. Manches wird nur angetönt, etwa Trumps Prozesswut.
Sehenswert aber ist die Serie allemal. Selbst wenn man sich mit Donald Trumps Lebensweg näher befasst hat, ist man am Ende fassungslos und fragt sich: Wie konnte es nur passieren, dass dieser Mann zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde?
Die simple Antwort: Trump ist vor allem ein genialer Verkäufer seiner selbst. Nur so konnte er seinen Fans vormachen, er sei ein erfolgreicher Geschäftsmann – obwohl seine Bilanz in diesem Bereich gelinde gesagt durchzogen ist.
Die erste Folge behandelt seinen Aufstieg. Donald wollte die Welt der Mietshäuser in Brooklyn und Queens, mit denen sein Vater Fred Trump reich geworden war, hinter sich lassen und Manhattan erobern. Dies gelang ihm mit der Renovierung eines Luxushotels und vor allem mit dem Bau des Trump Tower. Seine grösste «Leistung» bestand darin, Steuererlasse herauszuschlagen, auch gegen den Widerstand des damaligen Bürgermeisters Ed Koch.
Damals war Trump durchaus zu originellen Entscheiden fähig. So ernannte er mit Barbara Res eine Frau zur Bauleiterin des Trump Tower, was in der machohaften Branche für Aufsehen sorgte. Res kommt in der Doku zu Wort, wie andere Freunde und Kritiker von «The Donald». Sie erwähnt, wie sein Ego mit jeder Etage wuchs. Und dass er hinter der glitzernden Fassade den Innenausbau der Wohnungen mit billigen Materialien vornahm, um Geld zu sparen.
Mehr Schein als Sein: Auch diese Beschreibung passt zur Karriere des egomanischen Trump, der bei der Beisetzung des Vaters vor allem über seine eigenen Geschäftserfolge sprach. Wobei diese überschaubar sind. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre wagte er mit zwei eigenen Casinos in Atlantic City den Einstieg ins Glücksspiel-Geschäft, obwohl Papa Fred ihm davon abriet.
Seinen grössten Coup wollte er mit dem Trump Taj Mahal landen, das er als «achtes Weltwunder» bezeichnete. Doch die Baukosten explodierten, bis zur Eröffnung 1990 beliefen sie sich auf mehr als eine Milliarde Dollar. Das liess sich kaum refinanzieren. «Er hätte eine Million Dollar Gewinn pro Tag machen müssen. Das schafft weltweit kein Casino», sagt ein ehemaliger Mitarbeiter.
1991 ging das Taj Mahal erstmals Konkurs und mit ihm zahlreiche Subunternehmer, die auf ihren unbezahlten Rechnungen sitzen blieben. Der Wirtschaftsjournalist David Cay Johnston wollte Trumps Kenntnisse des Casino-Business testen, indem er in einem Interview absichtlich falsche Fakten in seine Fragen einbaute. Statt ihn zu korrigieren, nahm Trump die Fehler auf und baute sie in seine Antworten ein. «So funktionieren Hochstapler», lautete Johnstons Fazit.
In den 90er Jahren schrammte Donald Trump mehrfach am Abgrund vorbei. In jener Zeit tauchte er häufiger in den Klatschspalten als auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen auf. Im dritten Teil der Doku werden das Scheitern seiner ersten Ehe und die vielen Affären behandelt. Er könne nicht mit einer Frau schlafen, die Kinder geboren habe, lautete die Begründung für seine Untreue. Empathie gehört definitiv nicht zu seinen Vorzügen. Einmal fällt der Begriff «Soziopath».
Die bizarrste Episode handelt von Gerüchten um eine angebliche Affäre mit dem französischen Model Carla Bruni. Die People-Reporterin der «New York Daily News» rief in seinem Büro an und wurde mit einem angeblichen PR-Mann verbunden. Sie merkte schnell, dass es Trump persönlich war. Er behauptete, die heutige Ehefrau von Nicolas Sarkozy habe seinetwegen Mick Jagger verlassen. In Wirklichkeit hatte Carla Bruni keinerlei Interesse an einem Techtelmechtel mit Trump.
Den Höhepunkt seiner Promi-Karriere erreichte er mit der Reality-Show «The Apprentice». Ihr verdankt er sein Image als toller Business-Hecht, der er nie war. Davon handelt der letzte Teil – und von Trumps Ambitionen auf die Präsidentschaft. Als Vorbild wird der ehemalige Profi-Wrestler Jesse Ventura genannt, der 1998 als anfänglich chancenloser Aussenseiter sensationell die Gouverneurswahl in Minnesota gewonnen hatte.
Trump sprach schon früh von einer möglichen Kandidatur. Mehrfach liebäugelte er damit, um am Ende zu kneifen. Denn es gab zwei Probleme: Donald Trump hat keine klaren Überzeugungen. An Sachthemen ist er kaum interessiert. Und hinter seinem grossspurigen Auftreten steckt ein sehr unsicherer Mensch. Bis zuletzt zauderte er, ob er zur Präsidentschaftswahl 2016 antreten sollte.
Mit der Bekanntgabe am 16. Juni 2015 im Trump Tower endet die Netflix-Serie. Und mit einem Zitat von Trump himself: «Die Welt lacht über uns. Wenn ich Präsident bin, wird man nicht mehr lachen.» In der Tat: Trump ist als Präsident überhaupt nicht lustig, sondern nur noch zum Fürchten.