International
Analyse

Friedrich Merz will Palästina helfen, ohne Israel zu verärgern

epa12270706 Jordan King Abdullah II (L) gestures next to German Chancellor Friedrich Merz (R) during a press conference at the chancellery in Berlin, Germany, 29 July 2025. German Chancellor Friedrich ...
Humanitäre Partnerschaft: Der jordanische König Abdullah II. (links) und der deutsche Kanzler Friedrich Merz am Dienstag in Berlin.Bild: keystone
Analyse

Friedrich Merz will den Palästinensern helfen, ohne Israel zu verärgern

Auch in Deutschland werden die Stimmen lauter, die einen härteren Kurs gegenüber dem israelischen Staat fordern. Der Kanzler hält sich mit Kritik zurück und kündigt humanitäre Hilfen für Gaza an.
29.07.2025, 22:0829.07.2025, 22:08
Hansjörg Friedrich Müller aus Berlin / ch media

Das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel ist ein spezielles; zur deutschen «Staatsräson» hat die damalige Kanzlerin Angela Merkel die Sicherheit des jüdischen Staates im März 2008 vor der Knesset erklärt, ohne dass klar geworden wäre, welche praktischen Konsequenzen die Bundesrepublik aus dieser Bekundung ziehen sollte.

Heute, rund 17 Jahre später, tut sich Deutschland schwer, eine Position zum Krieg in Gaza zu finden: Aus der Politik, aber auch aus den Medien ertönen täglich Forderungen, Berlin müsse mehr Druck auf Benjamin Netanyahus Regierung ausüben.

Am linken Flügel der Sozialdemokraten, der zweitgrössten Regierungspartei, wollen einige ein Ende der Waffenlieferungen an Israel. Diejenigen, die die Frage stellen, ob es ausgerechnet an Deutschland sei, den jüdischen Staat zu belehren, werden dagegen immer leiser.

Spielen Merz und Wadephul «Good cop, bad cop»?

Friedrich Merz, der christdemokratische Kanzler, der als Israel-freundlich gilt, beschreitet bisher einen Mittelweg: Allzu deutliche Kritik am jüdischen Staat überlässt er seinem Aussenminister Johann Wadephul, der auch schon vor einer «Zwangssolidarität» mit Israel warnte. Da Merz und Wadephul Parteikollegen sind und als Vertraute gelten, liegt der Verdacht nahe, dass sie sich auf eine Arbeitsteilung nach dem Prinzip «Good cop, bad cop» verständigt haben könnten.

epa12231368 German Chancellor Friedrich Merz (L) and German Foreign Minister Johann Wadephul speak as they attend a plenary session of the German parliament 'Bundestag' in Berlin, Germany, 1 ...
Spielen Merz und Wadephul «Good cop, bad cop»?Bild: keystone

Merz verlegt sich dabei aufs Humanitäre: Die Luftbrücke für Gaza, die Deutschland nun gemeinsam mit Jordanien einrichten will, dürfte auch ein Versuch des Kanzlers sein, Druck aus der innerdeutschen Debatte zu nehmen: Gegen die Lieferung von Hilfsgütern kann niemand etwas einwenden, während ein mögliches Ende der Waffenlieferungen natürlich ebenso umstritten wäre wie Sanktionen, etwa im Bereich der wissenschaftlichen Zusammenarbeit.

Am Dienstag, bei einem Besuch des jordanischen Königs Abdullah II. in Berlin, konkretisierten Merz und sein Gast die gemeinsamen Pläne auf einer Pressekonferenz: Zwei deutsche Transportflugzeuge seien bereits nach Jordanien unterwegs und sollten von dort vielleicht schon am Mittwoch, spätestens aber am Wochenende zu Hilfsflügen starten, sagte der Kanzler. Dabei gehe man in Abstimmung mit Israel vor.

Eine Mehrheit der Bevölkerung will einen härteren Kurs

Dass Merz die Debatte damit beruhigt hat, ist unwahrscheinlich: Unter seinen europäischen Nachbarn steht Berlin mit seiner abwägenden Haltung immer einsamer da: Der französische Präsident Emmanuel Macron hat letzte Woche angekündigt, einen Staat Palästina anerkennen zu wollen; Merz sagte am Dienstag noch einmal, dies könne nur «der letzte Schritt auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung» sein.

Die Frage eines Journalisten, ob die Bundesrepublik ein Einreiseverbot gegen die rechtsextremen israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir erlassen könnte, wie es die Niederlande am Dienstag getan haben, beantwortete Merz nicht.

Eine Mehrheit der Deutschen ruft derweil nach einem härteren Kurs gegenüber Israel: Laut einer Umfrage im Auftrag der Illustrierten «Stern» meinen 74 Prozent, ihr Land solle mehr Druck ausüben. Unter den Wählern der Linkspartei sind 94 Prozent, unter denen der Grünen 88 Prozent dieser Ansicht, doch auch unter den Anhängern der Regierungsparteien CDU und SPD sehen dies jeweils 77 Prozent so.

Zwischentöne sind immer weniger gefragt

Am wenigsten stark drängen die Sympathisanten der AfD auf mehr Distanz gegenüber dem jüdischen Staat, doch auch unter ihnen sähe es eine Mehrheit von 61 Prozent gern, wenn Merz' Regierung schärfere Töne gegenüber Netanyahu und dessen Kabinett anschlagen würde.

Zwischentöne scheinen in der Debatte immer weniger gefragt zu sein: Dass die Lage in Gaza komplex ist und auch die islamistische Hamas Schuld am Leiden der Bevölkerung trägt, geht immer häufiger unter.

Leidtragende dieser Stimmung sind nicht zuletzt die deutschen Juden, egal, ob sie nun mit der israelischen Regierung und deren Vorgehen in Gaza einverstanden sind oder nicht: Berichte über antisemitische Übergriffe sind in deutschen Zeitungen mittlerweile fast so häufig zu lesen wie Forderungen nach einer Änderung der deutschen Nahost-Politik. (bzbasel.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
41 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Jürg Weber
30.07.2025 00:51registriert März 2022
Kein Mensch scheint sich für diesen Artikel zu interessieren. Über 2 Stunden nach Publikation noch kein einziger Kommentar!
Wiewohl der Inhalt scheint mir sehr bemerkenswert. Ich empfinde die Positionierung von Merz als absolut erbärmlich, als geradezu inakzeptabel. Eine Minimalst-Hilfestellung, die nicht einmal eine gewisse symbolische Wirkung zu entfalten vermag … oder wenn, dann in die völlig falsche Richtung. Erinnert mich ein bisschen an die Reaktion Deutschlands beim Ausbruch des russischen Angriffskriegs im Februar 2022: Erste Hilfeleistung der Deutschen: Lieferung von 5’000 Helmen!
207
Melden
Zum Kommentar
41
Wegen Kirk-Äusserungen: Auch Jimmy Kimmels Late-Night-Show wird abgesetzt – Trump happy
Der US-Sender ABC setzt die Talkshow des prominenten Fernsehmoderators Jimmy Kimmel nach dessen Äusserungen über das Attentat auf den rechten Aktivisten Charlie Kirk vorerst ab.
Die Sendung werde «in absehbarer Zukunft» nicht mehr ausgestrahlt, teilte ABC mit. Begründet wurde der Schritt mit Äusserungen Kimmels über den getöteten Vertrauten von US-Präsident Donald Trump. An welchen Worten genau die Entscheidungsträger Anstoss nahmen, blieb offen. Trump äusserte sich erfreut über ihren Beschluss und forderte, weitere Shows ihm unliebsamer Moderatoren abzusetzen.
Zur Story