Im März 2023 besuchte Xi Jinping Moskau. Dabei verabschiedete er sich von seinem Kumpel Wladimir Putin mit den Worten: «Derzeit verändert sich die Welt in einer Weise, wie wir es seit 100 Jahren nicht mehr erlebt haben. Lasst uns diesen Wandel zusammen vorantreiben.» «Ich stimme zu», erklärte Putin freudig.
Dieser Wortwechsel war kein hohles Wortgeklingel. Die beiden Staatsoberhäupter von China und Russland meinten exakt, was sie hier ausgedrückt haben: Sie wollen die liberale Weltordnung unter der Führung der USA kippen, koste es, was es wolle. Mit dem Iran haben sie dabei einen Dritten im Bund. So war der verstorbene Präsident Ebrahim Raisi ein feuriger Befürworter einer engeren Verbindung zu China und Russland.
«Mr. Raisi legte das aussenpolitische Schwergewicht auf gute Verbindungen zu Russland und China», meldet die «New York Times». «Er wollte sich vom Westen abwenden, mit der Begründung, nach dem Zusammenbruch des Atom-Deals könne der Iran den USA und Europa nicht mehr vertrauen.»
Die Verbindung von China, Russland und dem Iran, unterstützt vom Sidekick Nordkorea, wird oft die neue «Achse des Bösen» genannt. Man kann sich über diese Bezeichnung streiten, doch es geht um weit mehr als Semantik. Die betreffenden Länder haben in den letzten Jahren ihre Beziehungen untereinander sukzessiv ausgebaut, seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine sogar massiv.
Der Handel zwischen Russland und China hat sich zwischen 2013 und 2021 verdoppelt. China bezieht mehr als 80 Prozent seiner Waffen von Russland. Nordkorea liefert Waffen, vor allem Artillerie-Munition, an Putins Truppen, der Iran Drohnen. Umgekehrt sind die russischen Exporte in den Iran in den ersten zehn Monaten im Jahr 2022 um 27 Prozent gestiegen.
«Die wachsende Kooperation zwischen China, dem Iran, Nordkorea und Russland wird befeuert von deren gemeinsamer Opposition gegen die vom Westen dominierte Weltordnung, einer Freundschaft, die auf dem Glauben beruht, dass dieses System ihnen nicht den Spielraum gewährt, den sie verdienen», stellen Andrea Kendall-Taylor und Richard Fontaine im Magazin «Foreign Affairs» fest.
China und Russland setzen alle Hebel in Bewegung, um den Iran auch zu einem Mitglied des BRICS-Staatenverbunds zu machen. Im vergangenen Jahr haben sie die Ayatollahs auch in den Stand eines permanenten Mitglieds der Shanghai Cooperation Organization erhoben, einem Verbund von mehrheitlich asiatischen Ländern unter der Führung von China.
Der Westen trägt zumindest eine Teilschuld am Aufstieg der neuen «Achse des Bösen». Viel zu lange wollte man die Gefahr nicht wahrnehmen. Schuld daran war, was David Sanger in seinem soeben erschienen Buch «New Cold Wars» wie folgt beschreibt: «Der Schlüssel war die beinahe universell verbreitete Annahme, wonach Russland und China – eine Macht auf dem raschen Abstieg und eine Macht auf einem steilen Aufstieg – sich rasch in die westliche Weltordnung einfügen würden.»
Für diesen Irrtum bezahlt der Westen nun einen hohen Preis, und Kendall-Taylor und Fontaine warnen davor, diesem Irrtum noch einen weiteren hinzuzufügen, nämlich die «Achse des Bösen» bloss als ein temporäres Zweckbündnis zu betrachten, das bald an seinen inneren Widersprüchen zerbrechen werde. «Der Versuch, einen Keil zwischen die Mitglieder der Achse zu treiben, wird erfolglos sein», stellen sie fest. «Letztlich ist diese Achse zu einem Problem geworden, mit dem sich die Vereinigten Staaten auseinandersetzen müssen. Sie können es nicht mit einer strategischen Geste unter den Tisch wischen.»
Vor diesem Hintergrund ist der Tod Raisis ein Geschenk Gottes, oder vielleicht auch Allahs. Der Präsident war nicht nur ein Hardliner in der iranischen Regierung – als Richter hat er tausende von Oppositionellen zum Tode verurteilt –, er war auch ein wichtiges Bindeglied im Machtgefüge des Irans.
Der Klerus und die Revolutionsgarden teilen sich derzeit die Macht. Raisi konnte die beiden Lager im Gleichgewicht halten. «Niemand konnte seine Referenzen als Hardliner infrage stellen», stellt der «Economist» fest, «aber er hatte keine eigene Machtbasis. Die religiösen Konservativen hofften, ihre Interessen dank ihm durchsetzen zu können, ebenso die Mitglieder der Revolutionsgarde.»
Diese brüchige Macht-Balance ist nun in Gefahr. Ali Khamenei, der oberste Anführer des Irans, ist mittlerweile 85 Jahre alt und soll nicht bei bester Gesundheit sein. Raisi hätte gemäss Iran-Experten als möglicher Nachfolger aufgebaut werden sollen. Aber auch Mojtaba, der Sohn Khameneis, soll Aspiration auf dieses Amt haben. Der unerwartete Tod des Präsidenten könnte daher im Iran einen internen Machtkampf auslösen.
Ein neuer Präsident muss in den nächsten 50 Tagen gewählt werden. Ein Machtkampf innerhalb des Regimes könnte gefährlich für die Ayatollahs werden, denn es ist bei der Bevölkerung verhasst. In Teheran stehen daher möglicherweise hektische Tage bevor – und die «Achse des Bösen» muss befürchten, dass eines ihrer Mitglieder zumindest zeitweise ausfällt.