Der klare Sieg von Donald Trump in den republikanischen Vorwahlen im Bundesstaat Iowa ist wenig überraschend und trotzdem irgendwie beunruhigend. Als Präsidentschaftskandidat der Grand Old Party wird der Ex-Präsident wohl höchstens noch durch höhere Gewalt – Gesundheit oder Gefängnis – zu verhindern sein. Zudem liegt Trump in verschiedenen Umfragen derzeit leicht vor Joe Biden.
Ein Wiedereinzug des Ex-Präsidenten ins Weisse Haus ist eine zwar verstörende, aber auch denkbare Option geworden. Von Berlin bis Mexiko City beginnen sich daher die Experten in Regierung und Wirtschaft auf ein solches Szenario vorzubereiten. Auch Graham Allison, Politologe an der Harvard Kennedy School, macht sich darüber Gedanken. Im Magazin «Foreign Affairs» teilt er sie uns mit.
Allison spricht von einem «Trump Put» und bezieht sich dabei auf den legendären «Greenspan Put». Der ehemalige Präsident der amerikanischen Notenbank hat mit seiner Geldpolitik jeweils dafür gesorgt, dass die Investoren auch bei grösseren Kalamitäten an den Finanzmärkten vor grösseren Verlusten verschont blieben, deshalb der Ausdruck «Put», der ein Finanzinstrument bezeichnet, das Kursverluste an den Börsen absichert.
Allison mahnt aber auch einen «Trump Hedge» an. Will heissen: Die Verantwortlichen in Regierung und Unternehmen sollten bereits jetzt Massnahmen ergreifen, welche die Folgen eines Wahlsieges von Trump zumindest abfedern.
Werden wir konkret:
Trump prahlt gerne damit, dass er den Krieg in der Ukraine «an einem Tag» beenden werde. Weiter führt er aus: «Ich werde Präsident Selenskyj erklären, es gibt keine Hilfe mehr. Du musst einen Deal abschliessen.»
Diese Worte sind natürlich Musik in den Ohren von Wladimir Putin. Angesichts dieser Aussichten hat der russische Präsident allen Grund, seinen Stellungskrieg so lange herauszuzögern, bis Trump wieder ins Weisse Haus einzieht und ihm den Sieg auf dem Serviertablett schenkt. Putin wäre somit der Gewinner eines «Trump Puts».
Umgekehrt müssen die Staatsoberhäupter in Europa über die Bücher und einen «Trump Hedge» vorbereiten. Gemäss John Bolton, dem ehemaligen Sicherheitsberater von Trump, ist der Ex-Präsident auch nicht mehr gewillt, den amerikanischen Schutzschild über den alten Kontinent weiter aufrechtzuerhalten. «Ich gebe einen Scheissdreck auf die NATO», soll sich Trump ihm gegenüber geäussert haben. James Mattis, Trumps ehemaliger Verteidigungsminister, ist wegen dessen Verachtung für das Verteidigungsbündnis zurückgetreten. Daher gilt von Paris über Berlin bis Warschau die Devise, die einst Angela Merkel schon angemahnt hat: «Wir müssen uns künftig auf uns selbst verlassen.»
An der Klimakonferenz in Dubai machte ein böser Witz die Runde. Er lautet: «Wie sieht der inoffizielle Plan der COP28 aus, von fossilen Brennstoffen wegzukommen? Verbrennt sie so schnell als möglich.»
In diesem zynischen Spruch steckt leider mehr als nur eine Spur von Wahrheit. Obwohl alle Welt von einer Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft spricht, obwohl inzwischen jeder Primarschüler weiss, was ein Green New Deal ist, werden mehr fossile Brennstoffe verbraucht denn je. In den USA hat die Ölförderung einen Höchststand erreicht. Indien will sich auf dem Buckel von Kohlekraftwerken zum nächsten Wirtschaftswunder entwickeln; und China baut zwar am meisten Solarzellen, aber auch am meisten neue Kohlekraftwerke.
Joe Biden hat das bisher grösste Programm für einen ökologischen Umbau der Gesellschaft in die Wege geleitet. Trump würde es umgehend killen, genauso wie er das Pariser Umweltabkommen ein zweites Mal verlassen würde. Er mag Verbrennungsmotoren und steht auf die dümmliche Losung: «Drill, baby, drill.»
Trump rühmt sich, der «Tariff Man» zu sein, will heissen, er ist ein Fan von Schutzzöllen. Deshalb hat er in seiner ersten Amtszeit den TPP, ein von seinem Vorgänger Barack Obama bereits ausgehandeltes Handelsabkommen mit den asiatischen Staaten, abgewürgt und die Verhandlungen über ein ähnliches Abkommen mit Europa eingestellt. Auch eine von der Biden-Regierung verhandelte, verwässerte Ausgabe des TPP will Trump am ersten Tag seiner Amtseinführung wieder rückgängig machen.
Das sind keine leeren Drohungen. Bereits in seiner ersten Amtszeit hat Trump mit Strafzöllen für Unruhe in den multinationalen Konzernen gesorgt. Im Auge hat er dabei primär China, das gemäss seinem damaligen Wirtschaftsberater Robert Lighthizer ein «tödlicher Rivale» der USA geworden ist. In seiner zweiten Amtszeit will Trump noch eine Schippe drauflegen; er will einen Strafzoll für alle in der Höhe von zehn Prozent verordnen und damit ein neues Zeitalter der wirtschaftlichen Abschottung, des Protektionismus, einläuten.
Derzeit überqueren rund 10’000 illegale Einwanderer die südliche Grenze zu den USA, täglich wohlgemerkt. Die Republikaner spielen dabei ein zynisches Spiel: Im Abgeordnetenhaus verweigern sie einen Kredit, um die Bewachung der Grenze massiv aufzustocken. Gleichzeitig schüren sie die Panik vor Zuwanderung nach Kräften.
Trump hat seinen ersten Wahlkampf mit dem Kampf gegen illegale Zuwanderer eröffnet («Mexikaner sind Verbrecher und Vergewaltiger») und mit einer Mauer seinen stärksten Trumpf ausgespielt. Auch in dieser Frage will er nun einen grossen Schritt weitergehen. Er verspricht, illegale Zuwanderer in einer Art Konzentrationslager zu versammeln und danach die «grösste Deportations-Aktion in der amerikanischen Geschichte» durchführen zu lassen.
Sollte es tatsächlich dazu kommen, wäre dies ein Albtraum für die Mexikaner. Sie müssten über Nacht Millionen von Menschen aufnehmen.
Kein Wunder also, sind Vertreter von Regierung und Wirtschaft besorgt, ja geradezu schockiert, wenn sie sich das Szenario eines Trump-Sieges vor Augen führen. Es könnte sich jedoch auch um einen heilsamen Schock handeln, vor allem für die Europäer. Wie der Historiker Robert Kagan schon vor zwei Jahrzehnten in seinem Besteller «Mars und Venus» beschrieben hat, hat man auf dem alten Kontinent viel zu lange auf den militärischen Schutzschirm der Amerikaner vertraut und die Verteidigungsausgaben auf ein Minimum beschränkt.
Wegen des Krieges in der Ukraine sprechen inzwischen selbst die Deutschen von einer «Zeitenwende» und haben für die Bundeswehr einen Sonderetat in der Höhe von 100 Milliarden Euro bereitgestellt.
Obwohl das Wetter und die Jahreszeit dafür suboptimal sind, sollte man sich trotzdem das Sprichwort vor Augen führen: «Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.» Trumps Sieg in Iowa muss relativiert werden. Er fand in einem ländlichen Bundesstaat statt, dessen Bevölkerung überwiegend weiss, alt und konservativ ist. Selbst da hat Trump letztlich nur die Hälfte der republikanischen Wähler für sich gewonnen, und selbst da hat eine Befragung ergeben, dass rund ein Drittel aller, die sich an der Vorwahlen beteiligt haben, Trump nicht wählen werden, sollte er von einem Geschworenengericht verurteilt werden. Das würde reichen, um dem Ex-Präsidenten erneut eine krachende Niederlage zu bereiten.
Nikki Haley hingegen schlägt Joe Biden in den Umfragen deutlich. Kein Wunder also ist Trump nach wie vor der Wunschgegner der Demokraten.