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In Nordkorea beleidigt ein Graffiti Kim Jong Un

«Kim, du H**sohn» – Nordkorea sucht Graffiti-Künstler per Handschriftenproben

In Nordkorea ist ein Graffiti aufgetaucht, das den Obersten Führer Kim Jong Un beleidigt und anklagt. Die Regierung hat umgehend Massnahmen getroffen, um den Schmierfinken zu finden. Dabei beschreibt das Graffiti in erster Linie die traurige Realität.
05.01.2022, 08:5105.01.2022, 15:36
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Was haben die kleinsten Dörfchen und die grössten Metropolen der Welt gemeinsam? Graffitis! Manche davon sind lästige Kritzeleien und andere wiederum regelrechte Kunstwerke. Und einige dieser Graffitis sind offensiv regierungs- und autoritätskritisch.

Und genau ein solches regierungskritisches Graffiti ist nun in Nordkorea entdeckt worden, wie Daily NK berichtet:

«Kim Jong Un, du H***sohn. Die Menschen hungern zu Tode wegen dir.»

Ein Bürger soll die Schmiererei an einer Hauswand in Pjöngjang im gehobenen Stadtteil Pyongchon entdeckt haben – am 22. Dezember um 4.20 Uhr morgens. Das Graffiti scheint also ein seltenes Zeichen der Unzufriedenheit unter der Elite in der Hauptstadt zu sein.

Daily NK
Die Daily NK ist eine Newsseite mit Sitz in Seoul, Südkorea. Sie publiziert auf Koreanisch, Englisch, Chinesisch und Japanisch. Daily NK hat einen thematischen Schwerpunkt auf Nordkorea. Die Journalisten sind ehemalige nordkoreanische Flüchtlinge, die unter Pseudonym schreiben und ein Netzwerk von «Bürgerreportern» in Nordkorea und China unterhalten.

Daily NK wird von mehreren Institutionen und privaten Spendern finanziert – unter anderem auch vom «National Endowment for Democracy», der durch den US-Kongress gegründet wurde und Finanzierung aus dem US-Bundeshaushalt erhält.

Nach der Entdeckung dieser Quasi-Majestätsbeleidigung sollen die örtlichen Behörden das Gebiet abgeriegelt und das Graffiti von der Wand geschrubbt haben.

FILE - In this June 29, 2021, file photo provided by the North Korean government, North Korean leader Kim Jong Un speaks during a Politburo meeting of the ruling Workers' Party in Pyongyang, Nort ...
Kim Jong Un im Juni 2021.Bild: keystone

Den Quellen von Daily NK zufolge würden Beamte nun von Tür zu Tür gehen, um Handschriftenproben zu sammeln. Zudem ist es wahrscheinlich, dass auch Kamera-Aufzeichnungen ausgewertet werden. Denn seit Kims Amtsantritt im Jahr 2011 wurden in der ganzen Stadt Tausende von Sicherheitskameras installiert.

Dem Schmierfinken droht Lagerhaft oder Tod

Laut Gesetz ist jegliche Kritik an der Familie Kim oder der Partei verboten. Wer auch nur im Verdacht steht, das Regime zu kritisieren, kann wegen «Aufwiegelung» oder «Verbrechen gegen den Staat» angeklagt werden – was in der Regel einer Haftstrafe in einem der berüchtigten Lager für politische Gefangene gleichkommt.

Nach einem ähnlichen Graffiti-Vorfall im Jahr 2018 wurde ein Oberst des Militärs sogar öffentlich hingerichtet, nachdem er für schuldig befunden worden war, Parolen an eine Hauswand in Pjöngjang geschrieben zu haben.

Die Botschaft des Graffitis ist Realität: Die Menschen hungern

Das Graffiti beschreibt die dramatische Situation in Nordkorea auf den Punkt genau, denn das Land ist mit einer schweren Nahrungsmittelkrise konfrontiert. Die Menschen im Land hungern aufgrund von Grenzschliessungen aufgrund der Covid-19-Pandemie sowie schwerer Überschwemmungen in den letzten Jahren. Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation (FAO) fehlten Nordkorea allein im Jahr 2021 860'000 Tonnen Lebensmittel – was 2,3 Monaten Nahrungsrationen entspreche. Die Regierung greift mittlerweile sogar zu seltsam anmutenden Strategien, um die Hungersnot auch nur ansatzweise in den Griff zu bekommen – und hat begonnen, schwarze Schwäne zu züchten, deren Fleisch laut Propaganda «köstlich schmecken» soll und «gesundheitliche Vorteile» mit sich bringe.

Selbst wohlhabende Menschen in der Hauptstadt leiden zunehmend unter einem Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten sowie Material, um ihre Häuser in den bitterkalten Wintermonaten zu heizen, sagt Toshimitsu Shigemura, Professor an der Waseda-Universität in Tokio.

Ob der Graffiti-Künstler dank der Handschriftenproben bereits gefasst wurde, ist zurzeit unbekannt.

(yam)

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89 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ihr Kommentar hat 20min Niveau
05.01.2022 09:08registriert August 2017
Da! Liebe Schwurbler und SVPianer: das ist eine Diktatur!
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Nach der Welle ist vor der Welle
05.01.2022 09:25registriert März 2020
Und sie werden einen Schuldigen finden der mitsamt seiner Familie in Gras beissen muss. Egal ob er es wirklich war oder nicht.
Ja ihr Glöcklibuben, trinkt lieber noch etwas Tee und geniesst eure Freiheit, "Diktatur" schreien zu dürfen.
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Hirngespinst
05.01.2022 09:29registriert August 2019
Letztendlich wird einfach jemand willkürlich zum Täter bestimmt und an diesem - zwecks Abschreckung - ein entsprechendes Exempel statuiert.
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