Die Bundesanwaltschaft (BA) hat die Anklage gegen Gulnara Karimova und einen weiteren Beschuldigten beim Bundesstrafgericht eingereicht. Sie wirft der Tochter des Ex-Präsidenten Usbekistans und ihm Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung vor.
Gemäss Anklageschrift waren Karimova und der Ex-Geschäftsführer eines russischen Telekomunternehmens in Usbekistan an der kriminellen Vereinigung beteiligt.
Wie die BA am Donnerstag nach Abschluss ihrer Strafuntersuchung mitteilte, erstreckten sich die Taten über einen Zeitraum von 2005 bis 2013. Zum Vorwurf der Beteiligung an der kriminellen Organisation kommen Geldwäscherei, Bestechung fremder Amtsträger und Urkundenfälschung hinzu.
Die BA weitete die Strafuntersuchung gegen Karimova und mehrere ihr unterstellte Personen zwischen 2012 und 2014 aus. Zuvor war Karimovas Immunität in Zusammenhang mit ihrer Diplomatentätigkeit bei den Vereinten Nationen in Genf aufgehoben worden.
Zwischen 2018 und 2021 verurteilte die BA im Rahmen der Untersuchung mehrere Personen per Strafbefehl wegen Geldwäscherei und Urkundenfälschung. Sie beschlagnahmte dabei über 340 Millionen Franken zur Rückführung nach Usbekistan.
Aktuell sind den Angaben zufolge im Strafverfahren gegen Karimova und den zweiten Beschuldigten Vermögenswerte von über 440 Millionen Franken gesperrt.
Gemäss der Anklageschrift soll Karimova mindestens von 2001 bis 2013 eine kriminelle, hierarchisch strukturierte Organisation namens «Office» aufgebaut haben und geleitet haben. Das kriminelle Netzwerk umfasste mehrere Dutzend Personen und etwa hundert Unternehmen.
In der Schweiz nahm die Organisation die Tätigkeit demnach 2005 auf. Sie versteckte insbesondere Gelder aus kriminellen Machenschaften in Bankverbindungen, Tresoren und Immobilien. Die Organisation handelte nach Erkenntnissen der BA wie ein professionelles Unternehmen.
Dabei befolgten die Akteure verbindliche Regeln und eine strikte Aufgabenteilung. Sie griffen zu Gewalt und Einschüchterung.
Karimova und ihre Komplizen bereicherten sich an der Telekommunikationsbranche in Usbekistan, die in den 2000er-Jahren stark wuchs. Unternehmen, die einsteigen wollten, mussten an Unternehmen von «Office» respektive an Karimova Schmiergelder zahlen.
Karimova nutzte dabei ihren Status als Tochter des damaligen Präsidenten Islam Karimov und als usbekische Amtsträgerin. Sie verfügte über einen unbeschränkten Einfluss auf die Beamten des Landes. Über komplexe Organisationen wurden gemäss der Anklage die Korruptionsgelder verteilt und landeten durch Überweisung auf «Office»-Konten insbesondere in der Schweiz.
Inhaber waren Strohmänner zur Verschleierung der wirklichen Besitzerin Karimova. Insgesamt beschlagnahmte die BA 780 Millionen Franken an Bankguthaben, eine Immobilie sowie Bargeld und Wertgegenständen aus Tresoren.
Die internationale Tragweite veranlasste zahlreiche Staaten aufgrund von Informationen der BA zu eigenen Ermittlungen. Strafverfahren wurden in Schweden, Frankreich, Norwegen, den Niederlanden und Grossbritannien eröffnet. Gerichtsentscheide liegen in der Schweiz und im Ausland vor.
Die BA hat in dem Verfahren bei 19 Ländern um Rechtshilfe ersucht oder diese erhalten. In der Anklage fordert die BA die Einziehung der gesperrten 440 Millionen Franken. Das Strafverfahren wegen Verdachts auf mangelnde Sorgfalt gegen die Privatbank Odier & Co. sowie gegen Unbekannt läuft weiter.
Bis zum endgültigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung. Die Schweiz und Usbekistan unterzeichneten am 11. September eine rechtlich unverbindliche Vereinbarung zur Rückerstattung von bereits eingezogenen 131 Millionen Dollar und weiteren gesperrten Geldern aus dem Karimova-Fall.
(hah/sda)