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Im Südpazifik sollen Wale juristische Personen werden

This photo provided by Samuel Lam shows a humpback whale and her calf in Papeete, French Polynesia in September 2022. Humpbacks are known to compose elaborate songs that travel across oceans and whale ...
Buckelwale.Bild: keystone

Indigene fordern: Im Südpazifik sollen Wale juristische Personen werden

Die majestätischen Wale könnten bald eine neue Art des Schutzes geniessen. Indigene Anführer im Pazifik haben sich dafür zu einer bemerkenswerten Aktion zusammengeschlossen. Was dahinter steckt.
07.04.2024, 19:29
Anna-Lena Janzen / t-online
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t-online

Indigene Völker haben eine enge Verbindung zur Natur und betrachten Tiere auch als Vorfahren oder sogar als Verwandte. Ihr Glauben besagt, dass alles Leben miteinander verwoben ist. Sie sehen sich heute als Beschützer ihrer Umwelt.

Dies ist auch bei den Ureinwohnern Australiens und Neuseelands der Fall. Erst im vergangenen Jahr hatte eine Ureinwohnerin Australiens auf dieser Basis erfolgreich gegen die Pläne eines Öl- und Gaskonzerns geklagt, der neue Erdgasfelder im Meer erschliessen will. Die geplanten Arbeiten könnten Auswirkungen auf bedrohte Tierarten wie Schildkröten und Wale haben, die für ihre Gruppe von spiritueller Bedeutung seien, hatte die indigene Aktivistin hatte vor einem Bundesgericht geklagt.

So gelten etwa Wale in vielen indigenen Kulturen als heilig. Überlieferungen der neuseeländischen Māori besagen, dass die Menschen einst auf ihren Reisen über den Ozean von den Tohorā, wie die Ureinwohner Wale nennen, beschützt wurden. Die Tiere waren der Schlüssel zur Entwicklung des Navigationssystems der Māori, denn die Menschen folgten den Wanderungen der Wale von Insel zu Insel.

«Fühlende Wesen und unsere Vorfahren»

Das Meer sei nicht nur eine Nahrungsquelle, «sondern ein lebendiger Vorfahre, ein Wissensspeicher, der über Generationen weitergegeben wird», schreibt die indigene Umweltschützerin Mere Takoko im Umweltmagazin Atmos. Wale seien «fühlende Wesen und unsere Vorfahren», die nicht ausgebeutet, sondern für künftige Generationen geschützt werden müssten.

Eine neue Initiative von Ureinwohnern aus Neuseeland und Polynesien soll den Schutz von Meeressäugern nun voranbringen. Dafür haben sich Anführer indigener Gruppen aus Neuseeland, Tahiti und den Cookinseln zusammengeschlossen. Sie fordern einen neuen Status für Wale: Die Tiere sollen künftig als juristische Personen anerkannt werden.

Walpopulationen könnten so besser geschützt und Verstösse gegen ihr Wohlergehen mit hohen Geldstrafen geahndet werden. «Dieses bahnbrechende Dokument – ein Zeugnis unserer gemeinsamen Bemühungen – stellt einen Paradigmenwechsel in der rechtlichen Beziehung zwischen Menschen und Walen dar», schreibt Umweltschützerin Takoko über die Initiative. Lelei LeLaulu vom Umweltschutz-Netzwerk «Earth Council Alliance» bezeichnete die Initiative als grossen Fortschritt: «Das ist ein riesiger Schritt und ich glaube, dass dies Aktionen in anderen Teilen der Welt anregen wird.»

«Der Klang des Gesangs unserer Vorfahren ist schwächer geworden»

Der geforderte juristische Status umfasst, dass Wale wie Personen mit inhärenten Rechten anerkennt werden, wie etwa das Recht auf Bewegungsfreiheit oder auf eine gesunde Umwelt. Würde ein Schiff einen Wal verletzen oder gar töten, würde dies vermutlich mit hohen Geldstrafen verbunden sein. Versicherungen könnten dann etwa bei Kollisionen mit Schiffen von den Eignern verlangen, spezielle Überwachungsgeräte zu installieren.

Unterzeichnet wurde die Erklärung «He Whakaputanga Moana» (Deklaration für den Ozean) von bedeutenden indigenen Führungsfiguren: Māori-König Tuheitia Paki aus Neuseeland und Tou Travel Ariki, der Oberhaupt des Hauses Ariki in den Cookinseln.

Die Unterzeichner zielen darauf ab, schwindende Walpopulationen zu erhalten, marine Schutzgebiete einzurichten und wissenschaftliche Erkenntnisse mit traditionellem Wissen der Māori zu verknüpfen. Die beiden Führer hoffen, dass die historische Vereinbarung Druck auf die Landesregierungen ausübt, die Initiative gesetzlich zu verankern. Sie luden andere polynesische Länder dazu ein, sich ihrem Anliegen anzuschliessen. Letztendlich ist die Hoffnung, diesen Status für die Tiere auch internationaler Ebene zu erreichen.

«Der Klang des Gesangs unserer Vorfahren ist schwächer geworden und ihr Lebensraum ist bedroht. Deshalb müssen wir jetzt handeln», erklärte König Tuheitia bei der Unterzeichnung auf der Insel Rarotonga. «Wir können nicht länger die Augen verschliessen. Wale spielen eine entscheidende Rolle für die Gesundheit unseres gesamten Meeresökosystems. Ihr Rückgang stört das empfindliche Gleichgewicht, das alles Leben in Te Moana nui a Kiwa (Pazifischer Ozean) aufrechterhält. Wir müssen dringend handeln, um diese grossartigen Geschöpfe zu schützen, bevor es zu spät ist». Letztlich sei die Vereinbarung für künftige Generationen, die es verdienten, einen Ozean zu erben, «in dem es von Leben wimmelt und in dem die Gesänge der Wale weiterhin in den Weiten des Meeres erklingen».

Bei der Aktion handelt es sich nicht um den ersten Vorstoss. So hat Ecuador bereits einen ähnlichen rechtlichen Schutz für Gebiete eingeführt, in denen bedrohte Delfine leben. Auch gibt es dort einen gerichtlichen Streit über die Rechtspersönlichkeit eines Affen. Auch Neuseeland hat hier bereits eine Vorreiterrolle eingenommen; so wurden schon dem Whanganui River eigene Rechte zugesprochen sowie den Urewera-Bergketten und dem Hauraki Gulf Marine Park.

Wale nehmen tonnenweise Kohlenstoff auf

Indigene Anführer betonten in diesem Zusammenhang die Bedeutsamkeit der Wale für einen gesunden Planeten. So ist das Leben eines Wals ist im Kampf gegen die Klimakrise etwa 1,8 Millionen Euro wert. Das rechneten Wirtschaftswissenschaftler des Internationalen Währungsfonds im Jahr 2019 aus.

Die IWF-Wissenschaftler um Ralph Chami gingen für ihre Rechnung davon aus, dass Wale etwa ein Prozent des Phytoplanktonwachstums fördern. Weiterhin besagen Studien, dass ein Wal bis zu seinem Tod – und darüber hinaus – etwa 33 Tonnen Kohlenstoff bindet. Diese Schätzwerte verrechnen sie mit dem aktuellen Kohlenstoffpreis.

Vor allem die grossen Walarten, etwa Barten- und Pottwale, lagern in ihren massiven Körpern voller Fett und Protein sowie in ihrem Skelett massenhaft Kohlenstoff ein. Wenn sie sterben, auf den Meeresboden sinken und dann Teil des Sediments werden, landet dort auch der eingelagerte Kohlenstoff. Und er bleibt dort und entweicht nicht in die Atmosphäre, wo er dem Klima schadet.

  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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skeptic_
07.04.2024 21:41registriert Februar 2017
Die Initiative, Wale im Südpazifik als juristische Personen anzuerkennen, ist ein wichtiger Schritt zum Schutz dieser Tiere. Mit Rechten wie Bewegungsfreiheit könnten Bedrohungen durch Schiffe, Verschmutzung & Überfischung besser unterbunden werden. Die Anerkennung als "juristische Personen" wäre ein bahnbrechender Schritt, der Tiere nicht mehr nur als Objekte, sondern als Wesen mit eigenen Interessen sieht. Dass indigene Führungsfiguren diese Initiative vorantreiben, ist bemerkenswert. Wenn andere Länder folgen würden, könnte dies den globalen Schutz bedrohter Meeressäuger deutlich voranbring
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Blüemli_ 45
07.04.2024 21:11registriert Juni 2022
...auch wenn die Idee uns zunächst etwas befrenden mag ...whynot?
wir wissen dass wir handeln mpssen
So eine Petition würde ich sofort unterschreiben - mutig : diese Indigenen !

+ danke fürArtikel :-))
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