Es riecht nach Aufstand in Belgiens Gefängnissen. Wärter und Strafvollzugsbeamte protestieren hartnäckig bereits in der dritten Woche gegen Stellenabbau und schlechter werdende Arbeitsbedingungen – mit üblen Folgen für die Häftlinge.
Die belgische Regierung schickte in ihrer Not bereits Soldaten, um die streikenden Wärter zu ersetzen. Aber das hat die ohnehin angespannte Lage in den überfüllten Haftanstalten nur noch weiter zugespitzt.
«Die Situation wird unerträglich», sagt Vincent Spross, Gefängnisdirektor der Haftanstalt Forest im Grossraum Brüssel. Die Spannungen im Inneren seiner Anstalt seien mittlerweile enorm.
«Die Jungs kommen nicht an die frische Luft, müssen in ihren Zellen bleiben, ihre Wäsche wird nicht mehr gewechselt, Besuche finden nicht statt», sagt der Direktor. «Das geht so nicht – die Krise muss jetzt endlich beendet werden!»
Ähnlich wie in Forest sieht es auch in den anderen, insgesamt 17 bestreikten Gefängnissen Belgiens aus. Sie liegen ausschliesslich in Wallonien, dem französischsprachigen Süden des Landes, und in der Hauptstadtregion Brüssel.
Mehrere Zwischenfälle wurden aus diesen Haftanstalten bereits gemeldet. Es rieche quasi nach Aufstand in einigen Anstalten, sagt Alexis Deswaef, Präsident der französischsprachigen Liga für Menschenrechte in Belgien.
Die Streikenden zeigen sich davon unbeeindruckt. Eine Ende vergangener Woche ausgehandelte Einigung zwischen Justizminister Koen Geens und Gewerkschaften zur Beendigung des Streiks wurde von einer übergrossen Mehrheit zurückgewiesen.
Seitdem herrscht Stillstand in den Verhandlungen. Geens gibt an, keinen finanziellen Spielraum für Zugeständnisse mehr zu haben. Ministerpräsident Charles Michel schweigt sich bislang aus. Auch auf die Aufforderung der Opposition, sich zu der Lage zu äussern, reagierte der liberale Politiker bislang nicht.
Die Entscheidung der Regierung, in diesem aufgewühlten Klima Soldaten zur «humanitären Hilfe» für die Gefangenen in drei Haftanstalten zu schicken, steigerte nochmal das Ausmass der Empörung.
«Das erinnert mich an die dunklen Zeiten in Osteuropa, oder an die aktuellen Zustände in Russland oder Nordkorea», kritisiert Marc Dizier, Präsident des Verbands der französischsprachigen Gefängnisdirektoren. Der Einsatz von Soldaten schaffe einen gefährlichen Präzedenzfall, sagt Dizier.
Auch für Olivier Masset, Gewerkschaftsvertreter der Streikenden in Forest, ist es «völlig unverantwortlich, Soldaten mit Pfefferspray und Schlagstöcken in das Gefängnis zu schicken». Die Lage dort sei sowieso schon äusserst angespannt.
«Gibt es überhaupt noch etwas, was in unserem Land funktioniert?», fragt sich unterdessen die flämische Tageszeitung «Het Laatste Nieuws». Das Ansehen Belgiens habe im Ausland schon genug gelitten.
Verantwortlich dafür seien die zahlreichen Sozialkonflikte sowie die schlechte Arbeit von Polizei und Justiz, die es den Attentätern von Paris und Brüssel erlaubt habe, ihre Anschläge völlig unbehelligt von Belgien aus vorzubereiten.
In Flandern ruft der Streik ohnehin weitgehend Unverständnis hervor. Im niederländischsprachigen Norden Belgiens streikte das Gefängnispersonal nur einen Tag lang. Das mag an den besseren Bedingungen liegen, die in den flämischen Haftanstalten herrschen.
Auch die Überbelegung hält sich dort in Grenzen. Im Süden des Landes erreicht sie dagegen Ausmasse, die den Europarat regelmässig dazu veranlasst, mit mahnendem Finger auf Belgien zu zeigen.
Forest ist dafür ein gutes Beispiel: Die Haftanstalt bietet Platz für 280 Menschen, doch derzeit befinden sich dort 370 Gefangene. Häftlinge, die sich zu dritt eine neun Quadratmeter grosse Zelle teilen, gehören zum Alltag. Wegen fehlender Betten muss einer der drei auf einer Matratze auf dem Boden schlafen.
(sda/afp)