International
Belgien

In Belgiens Gefängnissen riecht es nach Aufstand

In Belgiens Gefängnissen riecht es nach Aufstand

11.05.2016, 21:0912.05.2016, 08:52
Mehr «International»
Gefängnis in Brügge.
Gefängnis in Brügge.
Bild: STEPHANIE LECOCQ/EPA/KEYSTONE

Es riecht nach Aufstand in Belgiens Gefängnissen. Wärter und Strafvollzugsbeamte protestieren hartnäckig bereits in der dritten Woche gegen Stellenabbau und schlechter werdende Arbeitsbedingungen – mit üblen Folgen für die Häftlinge.

Die belgische Regierung schickte in ihrer Not bereits Soldaten, um die streikenden Wärter zu ersetzen. Aber das hat die ohnehin angespannte Lage in den überfüllten Haftanstalten nur noch weiter zugespitzt.

«Die Situation wird unerträglich», sagt Vincent Spross, Gefängnisdirektor der Haftanstalt Forest im Grossraum Brüssel. Die Spannungen im Inneren seiner Anstalt seien mittlerweile enorm.

«Die Jungs kommen nicht an die frische Luft, müssen in ihren Zellen bleiben, ihre Wäsche wird nicht mehr gewechselt, Besuche finden nicht statt», sagt der Direktor. «Das geht so nicht – die Krise muss jetzt endlich beendet werden!»

Ähnlich wie in Forest sieht es auch in den anderen, insgesamt 17 bestreikten Gefängnissen Belgiens aus. Sie liegen ausschliesslich in Wallonien, dem französischsprachigen Süden des Landes, und in der Hauptstadtregion Brüssel.

Der Knast von Bruges.
Der Knast von Bruges.
Bild: ERIC VIDAL/REUTERS

Mehrere Zwischenfälle wurden aus diesen Haftanstalten bereits gemeldet. Es rieche quasi nach Aufstand in einigen Anstalten, sagt Alexis Deswaef, Präsident der französischsprachigen Liga für Menschenrechte in Belgien.

Stillstand bei Verhandlungen

Die Streikenden zeigen sich davon unbeeindruckt. Eine Ende vergangener Woche ausgehandelte Einigung zwischen Justizminister Koen Geens und Gewerkschaften zur Beendigung des Streiks wurde von einer übergrossen Mehrheit zurückgewiesen.

Seitdem herrscht Stillstand in den Verhandlungen. Geens gibt an, keinen finanziellen Spielraum für Zugeständnisse mehr zu haben. Ministerpräsident Charles Michel schweigt sich bislang aus. Auch auf die Aufforderung der Opposition, sich zu der Lage zu äussern, reagierte der liberale Politiker bislang nicht.

Die Entscheidung der Regierung, in diesem aufgewühlten Klima Soldaten zur «humanitären Hilfe» für die Gefangenen in drei Haftanstalten zu schicken, steigerte nochmal das Ausmass der Empörung.

«Das erinnert mich an die dunklen Zeiten in Osteuropa, oder an die aktuellen Zustände in Russland oder Nordkorea», kritisiert Marc Dizier, Präsident des Verbands der französischsprachigen Gefängnisdirektoren. Der Einsatz von Soldaten schaffe einen gefährlichen Präzedenzfall, sagt Dizier.

Porto Alegre: Dieser Knast ist die Hölle

1 / 19
Porto Alegre: Dieser Knast ist die Hölle
Kleider hängen aus den Fenstern der überfüllten Zellen des Zentralgefängnisses in Porte Alegre. Mit mehr als 600'000 Häftlingen hat Brasilien hinter den USA, China und Russland am viertmeisten Gefangene.
quelle: ap/ap / felipe dana
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Auch für Olivier Masset, Gewerkschaftsvertreter der Streikenden in Forest, ist es «völlig unverantwortlich, Soldaten mit Pfefferspray und Schlagstöcken in das Gefängnis zu schicken». Die Lage dort sei sowieso schon äusserst angespannt.

Unverständnis in Flandern

«Gibt es überhaupt noch etwas, was in unserem Land funktioniert?», fragt sich unterdessen die flämische Tageszeitung «Het Laatste Nieuws». Das Ansehen Belgiens habe im Ausland schon genug gelitten.

Verantwortlich dafür seien die zahlreichen Sozialkonflikte sowie die schlechte Arbeit von Polizei und Justiz, die es den Attentätern von Paris und Brüssel erlaubt habe, ihre Anschläge völlig unbehelligt von Belgien aus vorzubereiten.

In Flandern ruft der Streik ohnehin weitgehend Unverständnis hervor. Im niederländischsprachigen Norden Belgiens streikte das Gefängnispersonal nur einen Tag lang. Das mag an den besseren Bedingungen liegen, die in den flämischen Haftanstalten herrschen.

Auch die Überbelegung hält sich dort in Grenzen. Im Süden des Landes erreicht sie dagegen Ausmasse, die den Europarat regelmässig dazu veranlasst, mit mahnendem Finger auf Belgien zu zeigen.

Forest ist dafür ein gutes Beispiel: Die Haftanstalt bietet Platz für 280 Menschen, doch derzeit befinden sich dort 370 Gefangene. Häftlinge, die sich zu dritt eine neun Quadratmeter grosse Zelle teilen, gehören zum Alltag. Wegen fehlender Betten muss einer der drei auf einer Matratze auf dem Boden schlafen.

(sda/afp)

Bescherung im brasilianischen Frauenknast

1 / 14
Bescherung im brasilianischen Frauenknast
Im Gefängnis Nélson Hungria in Rio de Janeiro wurde zum sechsten Mal in Folge ein Weihnachtswettbewerb veranstaltet – gekürt wurden ...
quelle: ap/ap / silvia izquierdo
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
«Gänsehaut»: Ex-Polizist findet 12 unveröffentlichte Michael-Jackson-Songs

In einem Lagerraum in Südkalifornien sind bisher unveröffentlichte Aufnahmen von Popstar Michael Jackson (1958 – 2009) entdeckt worden, wie US-Medien berichteten. Gregg Musgrove, ein früherer Streifenpolizist, stiess demnach auf Musikkassetten und DAT-Bänder mit zwölf Aufzeichnungen. Der «King of Pop» soll diese um 1990 herum, vor der Veröffentlichung seines Albums «Dangerous», aufgenommen haben.

Zur Story