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Brasilien

Deutschlands Kanzler Friedrich Merz bringt Brasilien gegen sich auf

epa11968230 An artist going by the name of 'Jesheshua' makes a giant soap bubble in front of the Brandenburg Gate in Berlin, Germany, 16 March 2025. EPA/CLEMENS BILAN
Deutschlands Bundeskanzler Merz ist lieber in Berlin als in Belém.Bild: keystone

«Sohn von Hitler»: Deutschlands Kanzler Merz macht Brasilien hässig

20.11.2025, 15:02

Kaum ist in Deutschland die Debatte über die umstrittene «Stadtbild»-Aussage von Friedrich Merz abgeebbt, bringt dieser ein ganzes Land gegen sich auf.

Merz war an der Klimakonferenz in Brasilien und machte keinen Hehl daraus, dass er sich freute, wieder nach Deutschland zurückkehren zu dürfen.

Eine Übersicht:

Darum geht's

Merz hatte sich nach seinem Besuch bei der Klimakonferenz in Belém auf einem Handelskongress in Berlin zu seinen Eindrücken von der armen Millionenstadt am Amazonas geäussert.

«Ich habe einige Journalisten, die mit mir in Brasilien waren, letzte Woche gefragt: Wer von euch würde denn gerne hierbleiben? Da hat keiner die Hand gehoben.»

«Die waren alle froh, dass wir vor allen Dingen von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.» Die Botschaft, die Merz mit diesen Äusserungen verband, war: Man lebe in Deutschland «in einem der schönsten Länder der Welt». In Brasilien hatten seine Worte Empörung ausgelöst.

Belém gehört zu den ärmsten Städten Brasiliens. Für die Klimakonferenz ist allerdings viel Geld in die Stadt geflossen, in verschiedenen Stadtvierteln ist vieles neu gebaut und renoviert worden. Trotzdem gibt es an vielen Stellen verfallene Häuser, kaputte Strassen und vermüllte Gewässer.

Activists participate in a climate protest during the COP30 U.N. Climate Summit, Saturday, Nov. 15, 2025, in Belem, Brazil. (AP Photo/Andre Penner)
Climate COP30
Blick auf Belém während einer Demonstration am 15. November.Bild: keystone

Brasilien tobt

Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zeigte sich verärgert. Merz hätte in eine Bar gehen, dort tanzen und die lokale Küche probieren sollen, «denn dann hätte er gemerkt, dass Berlin ihm nicht einmal zehn Prozent der Qualität bietet, die der Bundesstaat Pará und die Stadt Belém bieten». Jeder wisse, dass die Stadt arm sei, aber «ein so grosszügiges Volk» habe «wie kaum ein anderer Ort auf der Welt».

Eduardo Paes, Bürgermeister von Rio de Janeiro, bezeichnete Merz auf X als «Sohn von Hitler, Mistkerl, Nazi», löschte den Beitrag aber später wieder. Er schrieb stattdessen: «Das war mein heutiger Frustabbau. Bleibt ruhig im Aussenministerium. Es lebe die Freundschaft zwischen Brasilien und Deutschland.»

Merz sei «arrogant und voreingenommen», sagte Beléms Bürgermeister. Der Gouverneur des Bundesstaates Helder Barbalho meint:

«Es ist merkwürdig, dass diejenigen, die zur Erwärmung des Planeten beigetragen haben, die Hitze des Amazonas seltsam finden.»

Die Botschaft Brasiliens in Berlin erklärte auf Anfrage von t-online: «Wir werden uns zu dem Vorgang nicht äussern.» Die Bemerkung des Kanzlers griffen etliche brasilianische Medien auf. Das Nachrichtenportal «Diário do Centro do Mundo» schrieb von einem «unverschämten Vergleich».

epa12536959 Brazilian President Luiz Inacio Lula da Silva holds the lens of a camera during a press conference at the Hangar Convention Center, where COP30 is being held, in Belem, Brazil, 19 November ...
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva weiss, wie man in Belém eine gute Zeit hat.Bild: keystone

Kritik auch aus Deutschland

Die deutsche Grünen-Politikerin Lisa Badum geht bei der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém auf Distanz zu Kanzler Friedrich Merz (CDU). «Als deutsche Abgeordnete auf der COP30 schäme ich mich für Ihre Worte und musste mich in Gesprächen mit Menschen aus Pará schon mehrfach dafür entschuldigen», schreibt sie in einem Brief an den Kanzler. «Denn das ist nicht das Deutschland, das ich repräsentieren möchte.» Pará ist die brasilianische Region, in der die Konferenz stattfindet.

Merz solle sich beim brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und den Menschen von Belém entschuldigen, verlangte Badum. Zudem solle er sich gemeinsam mit den brasilianischen Gastgebern für eine erfolgreiche Konferenz einsetzen.

«Die Klimakrise erfordert internationale Solidarität und Zusammenarbeit statt engstirniger Arroganz. Korrigieren Sie Ihren Fehltritt und stellen Sie klar, wofür unser Land wirklich steht: Freundschaft und Weltoffenheit.»

Deborah Düring, aussenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, sagt gegenüber t-online:

«Mit seinem arroganten und vollkommen deplatzierten Kommentar zeigt Friedrich Merz einmal mehr, dass er den Anforderungen des Amtes des Bundeskanzlers nicht gewachsen ist.»
German Chancellor Friedrich Merz waits for the arrival of the Prime Minister from Sweden Ulf Kristersson and Sweden's Crown Princess Victoria, for a meeting at the chancellery in Berlin, Germany, ...
Friedrich Merz kann mit Brasilien wenig anfangen.Bild: keystone

Die Sprecherin für Klimagerechtigkeit der Linken im Bundestag, Violetta Bock, verlangte eine Entschuldigung des Kanzlers:

«Merz' Aussagen zu Brasilien sind respektlos, von oben herab und vorurteilsvoll. Deutschland blamiert sich damit auf internationaler Bühne. Man könnte meinen, dass er in Trump-Manier von Deutschlands fehlendem Einsatz für den Klimaschutz ablenken will.»

Derya Türk-Nachbaur, stellvertretende aussenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion war selbst im Amazonasgebiet unterwegs und wurde dort nach eigenen Angaben mit «offenen Armen» empfangen. Sie sagt gegenüber t-online:

«Für mich steht fest: Brasilien ist für Deutschland ein zentraler Partner – demokratisch, wirtschaftlich und als starke Stimme des globalen Südens.»

Auch in der Zivilgesellschaft stösst Merz mit seinen Aussagen auf Unmut. Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace, Martin Kaiser, forderte: «Friedrich Merz muss sich bei den Menschen von Belém entschuldigen.» Dem Bundeskanzler habe offenbar die Zeit gefehlt, die grosse Gastfreundschaft der Menschen in Belém kennenzulernen, die in einem der Kipppunkte des globalen Klimas leben.

Merz bleibt bei seiner Aussage

Merz hält dennoch an seiner Aussage fest. Er will sich nach Aussagen seines Sprechers Stefan Kornelius nicht entschuldigen. «Er hat gesagt, wir leben in einem der schönsten Länder der Welt und das hat er auf Deutschland bezogen», erläuterte Kornelius. Doch steht der Kanzler seit Wochen in der Kritik. Der Europapolitiker Dennis Radtke, Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, sagte, er sei entsetzt über die «Fettnapfquote» des Kanzlers.

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An dieser Umfrage haben insgesamt 1142 Personen teilgenommen

(rbu) mit Material von sda/dpa und t-online

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95 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Peter Hengartner
20.11.2025 15:15registriert September 2025
Das hört man von den Schweizern auch immer, wenn sie in den Ferien waren: «War schön, aber sind wir wieder froh zurück in der Schweiz zu sein».
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flegenheimer
20.11.2025 16:51registriert August 2023
Eine wirklich dämliche Aussage die nicht nur nichts bringt, sondern im Gegenteil nur kontraproduktiv ist.
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stronghelga
20.11.2025 16:12registriert März 2021
Solche Sprüche wirken super herablassend gegenüber Brasilien, gegenüber den Gastgebern. Es schiesst völlig am diplomatischen Ton vorbei. Insbesondere, wenn er dabei noch Journalistinnen und Journalisten quasi als Beweisstück für die eigene Meinung heranzieht, ist das einfach nur noch billig.

Einem Kanzler sollte sowas nicht passieren. Das klingt eher nach Stammtisch als nach Staatsoberhaupt. Extrem ungeschickt. Aber vielleicht ist er ja tatsächlich durch und durch arrogant.
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