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Er schrieb es kurz vor seinem Tod: «Charlie Hebdo»-Chefredaktor rechnet in Buch mit Medien und Radikalreligiösen ab

«Charb» in einer Aufnahme von 2012: Ein kritischer Geist gegenüber allen Denkweisen und Akteuren.
«Charb» in einer Aufnahme von 2012: Ein kritischer Geist gegenüber allen Denkweisen und Akteuren.Bild: Michel Euler/AP/KEYSTONE

Er schrieb es kurz vor seinem Tod: «Charlie Hebdo»-Chefredaktor rechnet in Buch mit Medien und Radikalreligiösen ab

Der ermordete Chef des Satiremagazins «Charlie Hebdo» schrieb kurz vor seinem Tod ein Buch. Eine Zeitung veröffentlicht es posthum. Darin rechnet er mit den Medien ab – und unterstreicht seine Kritik am religiösen Extremismus.
15.04.2015, 22:1916.04.2015, 08:59
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Auch posthum macht er noch mit scharfen Worten auf sich aufmerksam. Der Karikaturist und Chef der französischen Satirezeitung «Charlie Hebdo», Stéphane «Charb» Charbonnier, hat in einem kurz vor seiner Ermordung beendeten Buch den Vorwurf der Islamfeindlichkeit zurückgewiesen.

Drei Monate nach dem Anschlag islamistischer Terroristen auf «Charlie Hebdo» veröffentlichte das französische Nachrichtenmagazin «L'Obs» (ehemals «Le Nouvel Observateur») Auszüge aus dem Buch – überschrieben mit den Worten «Charbs Testament».

Den Vorwurf der Islamophobie lässt «Charb» nicht gelten – wer die Zeichnungen so kritisiere, unterstütze den radikalen Islam.
Den Vorwurf der Islamophobie lässt «Charb» nicht gelten – wer die Zeichnungen so kritisiere, unterstütze den radikalen Islam.Bild: IAN LANGSDON/EPA/KEYSTONE

«Was ist das, wenn nicht Diskrimierung?»

In seinem Buch übt Charbonnier Kritik an der Berichterstattung der Medien über die von «Charlie Hebdo» veröffentlichten Mohammed-Karikaturen und betont, die Zeichnungen hätten nie allen Muslimen gegolten – eine Interpretation, die aus seiner Sicht viele Medien vertreten hätten: «Eine andere Interpretation war möglich, aber sie interessierte die Medien weniger», heisst es in dem Text.

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So hätte man zum Beispiel die bekannte Karikatur, auf welcher der Prophet Mohammed eine Bombe auf dem Kopf trägt, nicht als Beleidigung aller Muslime lesen sollen, sondern als ein Anprangern der «Instrumentalisierung der Religion durch Terroristen», so Charbonnier.

In dem Text verteidigt Charbonnier seine Sicht, den Islam in der Berichterstattung nicht anders zu behandeln als andere Religionen: «Wenn man signalisiert, dass man über alles lachen kann, ausser über bestimmte Aspekte des Islam, weil die Muslime viel empfindlicher sind als der Rest der Bevölkerung, was ist das dann, wenn nicht Diskriminierung?»

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Und er geht in seiner Verteidigung noch einen Schritt weiter: «Diejenigen, die den Zeichnern von ‹Charlie Hebdo› jedes Mal, wenn eine Figur einen Bart trägt, Islamophobie vorwerfen, sind nicht nur unehrlich oder böswillig, sie zeigen ihre Unterstützung für den sogenannten radikalen Islam.»

In der Satire von «Charlie Hebdo» gehe es laut Charbonnier nicht um alle Muslime, sondern um religiöse Extremisten; das Problem seien Gläubige, die den Koran oder die Bibel wie «die Montageanleitung eines Ikea-Regals» lesen.

Die Brüder Chérif und Saïd Kouachi hatten Anfang Januar die Redaktionsräume von «Charlie Hebdo» gestürmt und zwölf Menschen erschossen, darunter neun Journalisten, zu denen auch Charbonnier gehörte. Er hatte «L'Obs» zufolge noch zwei Tage vor seinem Tod an seinem Buch gearbeitet. (tat/skr/dpa)

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