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Coronavirus

35 Tote in US-Altersheim nach Corona-Ausbruch

A staff member blocks the view as a person is taken by a stretcher to a waiting ambulance from a nursing facility where more than 50 people are sick and being tested for the COVID-19 virus, Saturday,  ...
Erst nach einem Monat wurde das Heim abgeschottet – Rettungskräfte versorgen einen Patienten.Bild: AP

35 Menschen tot, 1/3 des Personals erkrankt: Dieses US-Altersheim ist ein Corona-Herd

Ein Altersheim im Bundesstaat Washington befindet sich in den landesweiten Schlagzeilen, nachdem innerhalb kurzer Zeit 35 Menschen am Coronavirus gestorben sind und Pflegende trotz Symptomen weitergearbeitet haben.
20.03.2020, 14:3121.03.2020, 16:56
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Für viele in den USA steht der Schuldige für die dortige Ausbreitung des neuartigen Coronavirus fest: Das Altersheim Life Care Center in Kirkland nahe Seattle. 35 Menschen, hauptsächlich Bewohner, starben dort an der Infektion. Mittlerweile gibt es in den USA nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität 205 Todesfälle sowie mehr als 14'000 Infizierte.

«Es gibt hier keine Quarantäne, die Krankheit greift rasend schnell um sich.»

Ein Bericht der US-Gesundheitsbehörde befeuert die Vorwürfe gegen die Einrichtung im nordwestlichen US-Bundesstaat Washington. Demnach arbeiteten Pfleger weiter, als sie selbst bereits Symptome einer Coronavirus-Infektion zeigten. Ausserdem moniert die Behörde mangelnde Ausrüstung und ungenügende Schulungen der Mitarbeiter.

Die Angehörigen sind aufgebracht, sie fürchten um das Leben ihrer Eltern und Grosseltern, die nach wie vor in dem Heim leben. Sie berichten von einem totalen Chaos in der Einrichtung. «Es gibt hier keine Quarantäne, die Krankheit greift rasend schnell um sich», beanstandete Kevin Connolly bereits vor einigen Tagen.

Workers from a Servpro disaster recovery team wearing protective suits and respirators wait before entering the Life Care Center in Kirkland, Wash. to begin cleaning and disinfecting the facility, Wed ...
Erst eineinhalb Wochen nach dem ersten bestätigten Fall wurden Virus-Tests geliefert.Bild: AP

Sein 81 Jahre alter Schwiegervater ist einer der einst 120 Senioren in dem Heim. «Wir haben Fragen und wir verlangen Antworten», sagte Connolly. Vor allem wollen die Angehörigen wissen, warum es so lange dauerte, bis die durch das Coronavirus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 diagnostiziert, alle Bewohner getestet und das Heim abgeschottet wurde. Anfangs war das Personal von Grippefällen ausgegangen.

Einrichtung abgeschottet

«Es ist ziemlich verheerend», sagte Clancy Devery der Zeitung «Seattle Times». Auch sein Schwiegervater ist infiziert. «Wir glauben, dass wir jetzt nicht in dieser Lage wären, wenn sie ihn gleich getestet und rausgeholt hätten.» Das Heim stellte nach eigenen Angaben am 10. Februar fest, dass sich Atemwegserkrankungen unter den Bewohnern häuften. Erst einen Monat später wurde die Einrichtung abgeschottet.

«Wir hatten einfach das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.»

Auswertungen von Notrufprotokollen und Interviews zeigen, dass nicht nur die Mitarbeiter des Heimes, sondern auch die lokalen und nationalen Behörden sehr langsam reagierten. «Es ist einfach für die Leute, die Schuld auf dieses eine Altersheim zu schieben», sagt der Sprecher von Life Care Center, Tim Killian. «Aber auch die Regierung war nicht richtig darauf vorbereitet um die richtigen Schritte zur Eindämmung der Epidemie zu unternehmen».

So seien die Virus-Tests erst eineinhalb Wochen nach dem ersten bestätigten Fall geliefert worden, sagt Killian. «Und es dauerte etwa eine Woche, bis wir zusätzliches medizinisches Personal für das Heim bekamen.» Das Heim sei erst spät isoliert worden, weil es Unklarheiten mit der behördlichen Genehmigung dafür gegeben habe, sagt der Sprecher. Auch jetzt werde der Zugang immer noch nicht von Polizisten kontrolliert.

«Zur falschen Zeit am falschen Ort»

Nur Familienmitglieder, deren Angehörige im Sterben liegen, dürfen das Altersheim derzeit noch betreten. Die örtlichen Behörden weisen die Verantwortung allein dem Heim zu. «Wir hatten einige Schwierigkeiten mit Life Care und langsam verliere ich die Geduld», sagte Dow Constantine, Leiter des Verwaltungsbezirks King County.

Heim-Sprecher Killian verweist darauf, dass das Altersheim eine der ersten Einrichtungen in den USA war, die von der Epidemie betroffen waren. «Nicht unsere Pfleger, sondern das Virus ist der Grund für die Epidemie. Und unser Personal zahlt einen hohen Preis dafür.» Ein Drittel von ihnen hat sich infiziert.

Manche Angehörige äussern Verständnis für die überlasteten Pflegekräfte. Zum Beispiel Scott Sedlacek, der sich mit dem Coronavirus ansteckte, als er seinen Vater im Heim besuchte. «Wir hatten einfach das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein», sagt er. (wst/sda/afp)

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Butschina
20.03.2020 16:01registriert August 2015
Kunststück, der Mann der America great again machen will bestätigte ja bis vor kurzem ständig, dass es kein Problem ist und man arbeiten kann. Ihm gebührt die Wut. Zeigt es ihm indem ihr ihn nicht mehr unterstützt.
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BlickvonAussen
20.03.2020 15:37registriert Dezember 2019
Wenn ich an die USA denke, dann kommt mir nur eines in den Sinn. Jahrhunderte sind Millionen von Europäern nach Amerika ausgewandert, um eine bessere Welt zu schaffen. Was ist daraus geworden? Eine failed world. Während bei uns in Europa eine Solidaritäts-Welle nach der anderen gestartet wird, stürmen die hoffnungslos verrückten Amis die Waffenläden. Das nennen sie dann ein Land von Gottes Gnaden. Danke Trump, dass du den Flugverkehr zwischen Europa und deinem America den Garaus gemacht hast. Wenigstens einmal eine kluge Entscheidung.
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P. Meier
20.03.2020 19:47registriert März 2017
Habe ich das richtig verstanden? Seit dem 10. Feb. Ist eine Verbreitung im Umfeld des Heims anzunehmen? Da nützten wohl die vorausschauenden Massnahmen der Bundesregierung mit Einreisreperre und Warnungen vor anderen (unfähigen) Ländern nicht mehr sehr viel.
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5 Menschen erschossen – mutmasslicher Täter stellt sich in Frankreich
In Nordfrankreich sind am Samstag fünf Menschen erschossen worden. Der mutmassliche Täter stellte sich am Abend der Polizei in Ghyvelde in der Nähe der Hafenstadt Dünkirchen, wie die Gendarmerie und die Präfektur mitteilten.

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