Hans-Georg Maassen avanciert immer mehr zu einer der umstrittensten Personalien im Bundestagswahlkampf. Der ehemalige Verfassungsschutzchef hat sich in Thüringen als CDU-Kandidat aufstellen lassen und fischt dort aktiv am rechten Rand nach Stimmen. «Ich bemühe mich, sehr viele Stimmen der AfD wegzunehmen, weil ich es für wichtig finde, dass die AfD deutlich kleiner wird, wenn nicht sogar ganz verschwindet», sagte er «Spiegel TV» in einer am Dienstag erschienen Reportage, die für viel Wirbel sorgte.
«Spiegel TV» besuchte den CDU-Kandidaten, der wegen seiner Vergangenheit eine Strahlkraft weit über Thüringen hinaus hat, bei einer Wahlkampfveranstaltung im 900-Seelen-Dorf Crock. Der Politiker hatte sich das Restaurant «Schützenhof XXL» ausgesucht, wo er zur lokalen Bevölkerung sprechen wollte. Zunächst zeigte sich Maassen durchaus gesprächig und gab den Journalisten von «Spiegel TV» Auskunft. Doch die Stimmung kippte. Plötzlich tauchte der Wirt des Restaurants auf und schickte die Reporter weg: «Dort ist die Tür», raunte er.
Hans-Georg #Maaßen, ein Gastwirt, die Presse und der Neo-Nazi Tommy #Frenck. Hier die ganze #SPIEGELTV -Reportage: https://t.co/Ym2u0DvagC pic.twitter.com/gVDjO1WHWF
— SPIEGEL TV (@SPIEGELTV) September 14, 2021
Die Spiegel-Reporter fügten sich, beobachteten aber ausserhalb des Restaurants eine interessante Szene. In einem massigen Ford-Pickup kam der bekannte Neonazi Tommy Frenck angefahren, welcher in der Folge versuchte, die Wahlkampfveranstaltung des CDU-Politikers zu besuchen. Auffallend das Auto-Kennzeichen des Neonazis: Die 88 steht für «Heil Hitler».
In den Bildern von «Spiegel TV» ist zu sehen, wie sich Frenck mit dem Wirten des Restaurants abspricht. In der Reportage heisst es weiter, dass der Neonazi die Veranstaltung «etwas früher» verlassen habe.
Der Besuch des Neonazis an einer CDU-Veranstaltung befeuerte die Debatte um die Personalie Maassen weiter. Diese hatte in den vergangenen Wochen einen immer wichtigeren Stellenwert im Bundestagswahlkampf. Kritikerinnen wie die Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer werfen dem ehemaligen Verfassungsschutzchef vor, aktiv antisemitische Codes zu verwenden.
Selbst innerhalb der CDU gibt es Kritik am Rechtsaussen-Kurs von Massen. Karin Prien, Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und Mitglied von Armin Laschets Zukunftsteam, sagte in der ZDF-Sendung «Markus Lanz», dass sie überhaupt nicht begeistert sei von Maassens Kandidatur. Sie frage sich, was Maassen überhaupt in der CDU suche. Zudem gab sie zu verstehen, dass sie Maassen wohl nicht wählen würde, sondern seinen Kontrahenten von der SPD. Maassen forderte als Reaktion die Absetzung Priens aus Laschets Zukunftsteam.
Prien ist mit ihrer Distanzierung von Maassen zwar kein Einzelfall in der CDU. Doch die Partei-Granden sehen das anders. Wolfgang Schäuble, Präsident des Bundestags, sagte kürzlich, Maassen sei ein Mitglied der CDU und «unbestreitbarer Demokrat».
Bemerkenswert, was Schäuble heute über Maassen sagt. "Unbestreitbar Demokrat, das ist die ganze Bandbreite des politischen Spektrums"@SWRAktuellBW pic.twitter.com/asFJdq3Fee
— Ruben Moratz (@RubenMoratz) September 10, 2021
Auch Armin Laschet will sich nicht von Maassen distanzieren. Der Kanzlerkandidat sagte am Dienstag bei «Late Night Berlin» gegenüber Kinderreportern – die von Moderator Klaas Heufer-Umlauf per Ohrhörer instruiert wurden – dass er zwar andere Meinungen habe als Maassen. «Aber in der Partei gibt es solche und solche Leute.» Die CDU habe 400'000 Mitglieder, da könne er nicht jedes Mal intervenieren, wenn jemand was sage. Zudem meinte Laschet, wenn jemand sage, Maassen sei ein «Nazi», dann sei das «unfair». «Nazis dürfen nicht in der Partei sein.»
Doch wie ist es nun mit Maassen und dem Neonazi Frenck? Der CDU-Kandidat beteuerte, dass Frenck noch vor Beginn der Wahlkampfveranstaltung in Crock des Platzes verwiesen worden sei. Diese Version wird auch von einem Zeit-Reporter gestützt, der die Veranstaltung besuchte.
Und was sagt Frenck selber? Gegenüber den Spiegel-Reportern wollte er keine Auskunft geben. Einen Tag nach der Wahlkampfveranstaltung postete er auf Social Media jedoch eine Wahlkampfempfehlung – für Hans-Georg Maassen.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil meinte dazu: «Einer der krassesten Nazis Thüringens macht Werbung für Maassen/CDU. Der Armin Laschet schweigt lieber dazu, als Haltung zu zeigen. Das ist beschämend.»
Die Personalie Maassen dürfte also weiter zu reden geben.