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Riesen-Verkehrsstreik in Deutschland – ÖV steht still

Deutschland steht still: Was du zum Riesen-Streik wissen willst – in 7 Punkten

Um Mitternacht hat in Deutschland ein 24-stündiger Verkehrswarnstreik der deutschen Gewerkschaften begonnen. Die Hintergründe.
27.03.2023, 07:1127.03.2023, 13:16
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Seit Mitternacht stehen in Deutschland Bahnen und Busse still, Flugzeuge sind am Boden geblieben – allein die Swiss strich 42 Flüge von der Schweiz nach Deutschland. Mit einem bundesweiten Warnstreik machen die Gewerkschaften EVG und Verdi Druck in ihren Tarifverhandlungen. Vom 24-stündigen Ausstand sind Millionen von Menschen betroffen. Eine Übersicht.

26.03.2023, Baden-W
Ein Mann in Baden-Württemberg betrachtet ein Schild, auf dem auf den Streik hingewiesen wird.Bild: keystone

Worum geht es?

Der Verkehr mit Zügen, Bussen und Flugzeugen in Deutschland ist am Montagmorgen weitgehend zum Erliegen gekommen. Seit Mitternacht läuft ein grosser Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Gewerkschaft Verdi. Von dem 24-stündigen Arbeitskampf sind Millionen Berufspendler und Reisende sowie weite Teile des Güterverkehrs betroffen. In Folge der Arbeitsniederlegungen werden erhebliche Ausfälle und Staus im Verkehr erwartet.

Auf der Schiene ist der Fernverkehr komplett und der Regionalverkehr grösstenteils eingestellt. Bestreikt werden nahezu sämtliche deutsche Flughäfen. Wasserstrassen und Häfen sowie die Autobahngesellschaft sind ebenfalls betroffen. In sieben Bundesländern wird zudem der öffentliche Nahverkehr bestreikt.

Was soll der Streik nützen?

Mit den ganztägigen Warnstreiks wollen Verdi und EVG den Druck in ihren Tarifverhandlungen erhöhen. Parallel zum Ausstand kommen an diesem Montag Gewerkschaften und Arbeitgeber im öffentlichen Dienst wieder zu Gesprächen zusammen. Bei der EVG stehen weitere Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und anderen Bahnunternehmen erst später an.

Verdi-Chef Frank Werneke betonte: «Mit dem Streiktag im Verkehrsbereich soll den Arbeitgebern noch einmal unmissverständlich klargemacht werden, dass die Beschäftigten eindeutig hinter unseren Forderungen stehen.»

Zu Vorwürfen der Arbeitgeberseite, die Warnstreiks belasteten die Verhandlungen, sagte Werneke: «Als Belastung empfinden die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bis hin in die mittleren Einkommensgruppen vor allem die enormen Preissteigerungen für Strom, Gas und Lebensmittel.»

Gibt es Auswirkungen auf die Schweiz?

Alle Flüge nach Düsseldorf, Frankfurt, Hannover, München, Nürnberg und Stuttgart wurden annulliert, wie es beim Zürcher Flughafen am Montag hiess. Bereits am Sonntag wurden vier einzelne Flüge zwischen Zürich und München gestrichen, wie die Swiss auf Anfrage mitteilte. Auf dem Euroairport Basel-Mülhausen wurden die Lufthansa-Flüge nach Hamburg und Frankfurt annulliert, wie dem Flugplan zu entnehmen war.

Die deutschen Flughäfen Berlin und Dresden werden von der Swiss derweil weiterhin angeflogen, nach Hamburg gebe es nur Hinflüge. Zu einem Ansturm von wartenden Flugpassagieren sei es nicht gekommen. Die verschiedenen Airlines hätten die entsprechenden Flüge bereits am vergangenen Freitag annulliert, hiess es beim Flughafen Zürich.

Der nationale öffentliche Verkehr in der Schweiz war, abgesehen von grenzüberschreitenden Verbindungen, von den Warnstreiks in Deutschland nicht betroffen. Die SBB ersetzte ausfallende grenzüberschreitende Züge innerhalb der Schweiz, wie das Verkehrsunternehmen am Montag auf Anfrage mitteilte.

So richtete die SBB unter anderem in der Region Basel eine Ersatzbuslinie für die S6 ins deutsche Zell im Wiesental ein. Die S5 von Basel ins deutsche Weil am Rhein fiel hingegen ganz aus. Die Zugverbindungen der SBB nach Berlin, Hamburg, Kiel und München wurden nur bis zur Schweizer Grenze betrieben. Die Basler Verkehrsbetriebe (BVB) mussten eine mit dem deutschen Südbadenbus geteilte Buslinie ganz übernehmen.

Nichts mit den Streiks in Deutschland zu tun hatten die Verspätungen zwischen Olten SO und Bern am Montagmorgen. Grund für diese sei eine Störung auf der Bahn-2000-Strecke gewesen, teilte die SBB auf Anfrage mit. Diese wurde rasch behoben.

So ist die Lage beim Bahnverkehr

Die EVG bestreikt den Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr. Der Fernverkehr wird eingestellt, der Regionalverkehr grösstenteils zumindest zu Streikbeginn. Ob am Nachmittag im Regionalverkehr einzelne Linien aufgenommen werden, hängt laut Deutscher Bahn vom Streikverlauf ab. Auswirkungen dürften auch am Dienstag zu spüren sein. Fahrgäste, die für Montag oder Dienstag eine Reise gebucht haben, können das Ticket laut Bahn bis 4. April flexibel nutzen. Platzreservierungen könnten kostenlos storniert werden.

… bei den Flughäfen

Die Flughäfen werden von Verdi weitgehend bestreikt. 380'000 Geschäfts- und Privatreisende müssen laut Flughafenverband ADV am Boden bleiben. Betroffen ist auch der grösste Airport in Frankfurt, aber auch der Flughafen München, der bereits am Sonntag den Betrieb eingestellt hat. Der Hauptstadtflughafen BER war nicht direkt von dem Warnstreik betroffen. Da aber fast alle anderen deutschen Flughäfen bestreikt werden, waren dort alle innerdeutschen Flüge gestrichen.

Wegen der Streiks hat die Swiss am Montag 42 Flüge ab Zürich und Genf nach Deutschland gestrichen. Andere Fluggesellschaften strichen ihre Flüge von Zürich und Genf aus ebenfalls, wie der Flughafen Zürich auf Anfrage mitteilte.

Alle Flüge nach Düsseldorf, Frankfurt, Hannover, München, Nürnberg und Stuttgart wurden annulliert, wie es beim Zürcher Flughafen am Montag hiess. Zu einem Ansturm von wartenden Flugpassagieren sei es nicht gekommen, da die verschiedenen Airlines die entsprechenden Flüge bereits am vergangenen Freitag annulliert hätten.

… beim Nahverkehr

Erneut soll der Nahverkehr in den Bundesländern bestreikt werden, die direkt an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst angebunden sind. Das sind Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Gestreikt werden soll zudem in Bayern, wo ein Tarifvertrag Nahverkehr verhandelt wird. Aus mehreren Ländern hiess es, Schülerinnen und Schüler dürften zuhause bleiben, wenn sie nicht zur Schule kommen können.

Der Stand der Verhandlungen

Verdi und der Beamtenbund dbb verhandeln in Potsdam mit dem Bund und den Kommunen in der dritten Runde für 2,5 Millionen Beschäftigte. Beide Seiten sind noch weit voneinander entfernt, eine Einigung in den nächsten Tagen ist aber nicht ausgeschlossen.

Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, warnte vor einer Ausweitung der Arbeitskämpfe. «Entweder wir hauen den Knoten durch und finden eine Einigung, oder wir stehen vor einer weiteren Eskalations- und Streikwelle», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Hintergrund der Arbeitskämpfe sind verschiedene Tarifkonflikte. Bei der EVG stehen weitere Gespräche mit verschiedenen Bahnunternehmen ab Mitte der Woche an. Mit der Deutschen Bahn soll erst nach Ostern weiterverhandelt werden.

An Flughäfen sind Kommunalbeschäftigte des öffentlichen Dienstes einbezogen, es geht aber auch um örtliche Verhandlungen für Bodenverkehrsdienste sowie bundesweiten Gespräche für die Luftsicherheit. Bei Arbeitgebern stiess das koordinierte Vorgehen auf heftige Kritik – als reiner Warnstreik seien die Ausstände für die Bevölkerung so nicht mehr zu erkennen. (awp/sda/dpa)

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92 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sowhat
27.03.2023 08:05registriert Dezember 2014
Ich halte es für richtig und wichtig, dass von Arbeitnehmerseite her mal wieder ein deutliches Zeichen gesetzt wird.
Wenn die Schere zwischen Managements- und Mitarbeitervergütung so ausenandergeht, muss eine Bremse gezogen werden.
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El_Chorche
27.03.2023 09:30registriert März 2021
Da lobe ich mir die japanische Streikform im öffentlichen Dienst.

Da sind die Bahn- und Zugchauffeure zwar gefahren, haben aber keine Fahrpreise eingezogen. So konnten sie protestieren, ohne das der Normalbürger darunter leiden musste.

Go Japan!
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Küchelmännlein
27.03.2023 09:42registriert November 2019
Die bisherigen Angebote von Seiten der Arbeitgeber sind ein Witz, verglichen mit dem was sie sich selber auszahlen und sich selber erhöhen. Ich verstehe die Gewerkschaften, die das nicht hinnehmen wollen. Arbeitsniederlegungen in Form von Streik sind das einzig rechtlich zulässige Mittel um die Gegenseite unter Druck zu setzen.
Bei den derzeitig verhärteten Fronten wird das heute sicher nicht der letzte Streiktag sein. 🤷🏻‍♀️
Trotz persönlicher Betroffenheit muss ich sagen: ich bin auf Seiten der Mitarbeiter und Gewerkschaften.
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