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Scholz gegen Merz: So verlief das TV-Duell

epaselect epa11884980 Incumbent German Chancellor and Social Democratic Party (SPD) leader Olaf Scholz (L) and Christian Democratic Union (CDU) leader Friedrich Merz (R) pose for a picture before thei ...
Olaf Scholz und Friedrich Merz sind wohl die beiden Spitzenkandidaten für die kommende Wahl in Deutschland.Bild: keystone

Scholz und Merz unversöhnlich – das TV-Duell in 7 Punkten

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz haben am Sonntagabend in der ersten von zwei geplanten TV-Debatten debattiert. Die wichtigsten Punkte des Schlagabtauschs findest du hier.
09.02.2025, 22:4710.02.2025, 01:49
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Zusammenarbeit mit der AfD

Scholz warf Merz erneut einen «Wortbruch» und einen «Tabubruch» vor, weil die Union im Bundestag ihren Fünf-Punkte-Plan zur Migration mit den Stimmen der AfD durchgesetzt hat. Er traue dem CDU-Vorsitzenden zu, nach der Wahl eine Koalition mit der AfD einzugehen. «Das ist meine ernste Sorge.»

Merz wies das zurück: «Es wird diese Zusammenarbeit nicht geben», sagte er.

«Wir werden das nicht tun, uns (Union und AfD) trennen in den Sachfragen Welten.»

Die gemeinsame Abstimmung von Union, FDP und AfD hatte Ende Januar zu einem Eklat im Bundestag geführt. Einen Gesetzentwurf brachte Merz zwei Tage später wegen Abweichlern in seiner eigenen Fraktion und in der FDP aber nicht durch den Bundestag. Scholz hatte den Unions-Kanzlerkandidaten im Bundestag als «Zocker» bezeichnet.

Dem Versprechen der Union, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD geben werde, vertraut nach einer Umfrage nur jeder zweite Wähler. Nach dem aktuellen ZDF-Politbarometer glauben 50 Prozent, dass die CDU an ihrem Parteitagsbeschluss von 2018 festhalten und auf Bundesebene weiterhin eine politische Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen wird, 43 Prozent sind gegenteiliger Ansicht.

Wirtschaftspolitik

Auch in der Wirtschaftspolitik gerieten Scholz und Merz aneinander. Merz warf Scholz eine gestörte Wahrnehmung bei der krisenhaften Lage der deutschen Wirtschaft vor. «Ich bin einigermassen erschüttert, mit welcher Wahrnehmung Sie hier heute Abend den Zustand unserer Wirtschaft beschreiben», sagte der Unions-Kanzlerkandidat.

Er fügte direkt an den Kanzler gewandt hinzu: «Das hat mit der Realität da draussen – ehrlich, Herr Scholz – gar nichts zu tun.» Scholz hatte zuvor erklärt, es gebe in Deutschland keine Deindustrialisierung. Merz hielt Scholz entgegen, es gebe im Land eine Insolvenzwelle wie nie in den letzten 15 Jahren. «50'000 Unternehmen sind in Ihrer Amtszeit in Deutschland in die Insolvenz gegangen, fast die Hälfte davon im letzten Jahr», sagte Merz.

Scholz räumte ein: «Es ist was los und wir müssen was tun.» Der Kanzler verwies aber unter anderem auf eine steigende Zahl von Erwerbstätigen. Zudem gebe es in Deutschland die zweitniedrigste Arbeitslosigkeit unter allen wirtschaftsstarken Demokratien der G7-Gruppe.

Sozialpolitik

Merz bekräftigte die Absicht, das Bürgergeld grundlegend zu reformieren.

«Das System muss geändert werden. Wir wollen eine neue Grundsicherung.»

Merz rechnete vor, dass der deutsche Staat mit 100'000 Bürgergeldempfängern, die auf den Arbeitsmarkt zurückkämen, «mindestens 1,5 Milliarden Euro» sparen könne. In Deutschland gebe es 1,7 Millionen Bürgergeld-Empfänger, die arbeiten könnten.

Scholz verwies darauf, dass im Bundestag ein Gesetz zur Verschärfung von Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger liege, das «spätestens nach der Wahl» beschlossen werden könne. Er stehe für sehr klare Regeln beim Bürgergeld, betonte Scholz. «Ich bin der Politiker, der in Deutschland am meisten für harte Sanktionen im Bürgergeld und auch bei der früheren Grundsicherung steht», erklärte er.

Migration

Scholz trat in dem Duell deutlich aggressiver auf als Merz. Für die Zeit nach der Wahl versprach er, einen «harten Kurs» in der Migrationspolitik fortzusetzen. Er stehe für einen «restriktiven Kurs, was irreguläre Migration betrifft», sagte er. Deutschland dürfe Gewalttaten wie die von Aschaffenburg nicht akzeptieren. «Wir können uns niemals abfinden mit solchen Taten und deshalb muss klar und entschieden gehandelt werden.»

Merz warf Scholz vor, «weit über zwei Millionen irreguläre Migranten nach Deutschland» gelassen zu haben. Das entspreche mehr als den Einwohnern der Stadt Hamburg, so der CDU-Vorsitzende. «Sie kriegen es in Ihrer Koalition nicht so hin, wie es notwendig wäre», hielt er Scholz vor.

Asylrecht

Ankündigungen seines Unions-Herausforderers zu einem härteren Migrationskurs mit einem faktischen Einreiseverbot für Asylsuchende hat Scholz derweil scharf kritisiert. «Das, was Sie machen, widerspricht europäischem Recht», sagte Scholz beim TV-Duell von ARD und ZDF zu Merz. Er warnte, dass Nachbarländer zurückgewiesene Menschen nicht aufnehmen würden.

«Schon haben wir eine europäische Krise.»

Scholz kritisierte: «Es ist gegen deutsche Interessen, was Herr Merz hier vorschlägt.» Er fügte mit Blick auf europäisch beschlossene Regeln hinzu: «Warum soll man so doof sein, dass in dem Augenblick, in dem Deutschland endlich unter meiner Führung nach vielen, vielen Jahren durchgesetzt hat, wofür wir lange gekämpft haben, dass die anderen diejenigen, die in ihren Ländern das Verfahren durchführen müssen, wieder zurücknehmen, dass wir dann sagen, aber kurz vor Schluss halten wir uns nicht an das Recht.»

US-Zölle

Die EU wird nach Darstellung von Olaf Scholz umgehend reagieren, wenn US-Präsident Donald Trump Zölle gegen europäische Produkte verhängen sollte. «Wir sind darauf vorbereitet», sagte der SPD-Politiker.

«Wir können in einer Stunde handeln als Europäische Union.»

Scholz nannte «klare Worte und freundliche Gespräche» als seine Strategie gegenüber Trump. Er rief zu Realismus auf:

«Wir sollten uns nichts vormachen: Das, was der amerikanische Präsident sagt, meinte er auch. Und da sind einige hier ziemlich leichtfüssig unterwegs und sagen: Wird schon nicht so kommen.»

Merz mahnte eine gemeinsame europäische Strategie gegenüber den USA und Trump an. Dafür würde er im Fall seiner Wahl viel Zeit und Mühe investieren. EU und Grossbritannien seien sehr viel grösser als die USA und Kanada zusammen.

«Wir dürfen uns nicht kleiner machen als wir sind.»

Schuldenbremse

Scholz plädierte weiter für eine Reform der Schuldenbremse. Er verwies auf die Notwendigkeit steigender Verteidigungsausgaben, um das Zwei-Prozent-Ziel der Nato einhalten zu können – das bedeutet zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung. Das sei ohne eine Reform der Schuldenbremse nicht zu schaffen.

Merz konterte, bereits mit der bestehenden Schuldenbremse seien Milliarden mehr neue Schulden möglich. «Wir haben hier auch eine Verpflichtung unseren Kindern gegenüber, die müssen das irgendwann mal zurückzahlen», so Merz.

Scholz verteidigte Pläne der SPD, dass sehr Reiche mehr Steuern zahlen sollen. Das halte er für gerecht. Der Spitzensteuersatz solle um zwei Prozentpunkte steigen, aber viel «später» erhoben werden als heute, sodass auch Familien mit sehr hohen Einkommen entlastet würden. Merz sagte, die Einkommenssteuer werde auch von Personengesellschaften und dem Mittelstand gezahlt. Durch höhere Steuern würde die Insolvenzwelle in Deutschland noch einmal nach oben gehen.

(cpf, mit Material der sda/dpa)

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143 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hierundjetzt
09.02.2025 23:03registriert Mai 2015
Gings im Gespräch wieder um Semantik? Oder gabs auch Handfestes?

Oder müssen wir in Zürich schon wieder eine Deutsche Migrantenwelle verdauen und müssen wir dann wieder jahrelang deren seltsamen Hang zur Hierarchie abtrainieren? (Zürich hat bereits jetzt 10% Deutsche)

Don't get me wrong: Wir haben ganz viele tolle Deutsche bei uns. Schön, dass Ihr da seid!

Aber es gibt langsam einen zu grossen Prozentsatz an sehr seltsamen Menschen aus dem grossen Kanton mit sehr merkürdigem Superioranspruch.
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Zanzibar
09.02.2025 23:15registriert Dezember 2015
Das ganz grosse Problem am deutschen Politsystem ist doch, dass egal wer Kanzler wird, die Person von einer Mehrheit des Volkes abgelehnt wird. Man kann bei Merz sagen dass ihn 30% als Kanzler sehen möchten oder aber das 70% ihn nicht möchten. Bei Weidel ist es 20/80 und bei Scholz 15/85.
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Migeek
10.02.2025 06:54registriert Dezember 2022
Zu Aschaffenburg «Wir können uns niemals abfinden mit solchen Taten und deshalb muss klar und entschieden gehandelt werden.»

Aber genau dass wurde die letzten 10 Jahre getan...
Demo gegen rechts, dann grosse Töne spucken und direkt zun Tagesprogramm zurück.

Scholz hat 3 Jahre nichts gemacht, man soll ihm jedoch glauben, dass nach der Wahl alles anders wird?

lächerlich
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