Essentials
09.02.2025, 13:3709.02.2025, 14:24
Der Grosse Kanton, auch genannt Deutschland, ist für die Schweiz zusammen mit den USA der wichtigste Handelspartner. Doch nicht nur deswegen ist das Nachbarland im Norden für die Schweiz von grosser Bedeutung. Deshalb gehört es hierzulande zu einer guten Allgemeinbildung, den einen oder anderen Fakt über Deutschland zu kennen, bevor man im Navi «Legoland Günzburg» oder «Europa-Park Rust» eintippt. Und dafür gibt es unser Deutschland-Essential.
Was ist ein Essential?
Essentials sind zeitlose Artikel & Videos, die dir Grundwissen zu verschiedenen Themen vermitteln. Dieses Grundwissen wird dir helfen, Newsartikel besser zu verstehen, zu interpretieren und zu deuten.
Kennzahlen

Neujahrsschwimmen der «Seehunde Berlin».Bild: keystone
- Die Fläche Deutschlands beträgt 357’588 km2. Das ist 8,5-mal so gross wie die Schweiz (41’285 km2).
- 84,75 Millionen Einwohner leben in Deutschland – mehr als neunmal so viel wie in der Schweiz (9 Millionen). Damit ist Deutschland das bevölkerungsreichste Land der EU.
- Hauptstadt ist seit 1990 wieder Berlin (nachdem Bonn zuvor die Hauptstadt der BRD gewesen war).
- Der Gini-Index für die Einkommensungleichheit beträgt in Deutschland 0,296 Punkte (nach Steuern). Damit ist das Einkommen in Deutschland etwas weniger ungleich (also gleicher) verteilt als in der Schweiz (0,316).
- In der Liste der menschlichen Entwicklung (HDI) befindet sich Deutschland weltweit auf dem siebten Platz (0,95 Punkte). Die Schweiz belegt in dieser Kategorie zwar die Spitzenposition (0,967), vor Deutschland klassieren sich aber nur Länder mit einer wesentlich geringeren Bevölkerung.
- Deutschland ist hinter den USA und China, aber noch vor Japan, die drittgrösste Wirtschaft der Welt.
- In der Liste der Länder mit den glücklichsten Einwohnern klassiert sich Deutschland auf dem 24. von 143 Plätzen. Die Schweiz liegt auf Platz 9.
Gut zu wissen: In Sachen Einwohner und Fläche ist Deutschland Handgelenk mal Pi neunmal so gross wie die Schweiz.
Wirtschaft und Energie
- Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland machen die Land-, Forstwirtschaft und Fischerei 0,7 Prozent des BIP aus. Unterschiede gibt es bei den sekundären (Industrie) und tertiären (Dienstleistungen) Sektoren. In Deutschland ist der Anteil der Industrie höher (30,7 Prozent vs. 25,7). In der Schweiz ist entsprechend der Dienstleistungssektor dominanter als in Deutschland (73,7 vs. 68,6 Prozent).
- Ca. 5 Prozent des gesamten deutschen BIP fallen auf den bedeutendsten Industriezweig, die Automobilindustrie. Sie setzte 2023 rund 564 Milliarden um.
- Deutschlands Primärenergieverbrauch liegt bei 3170 TWh. Das ist weltweit der elfte und innerhalb der EU der erste Rang. Fast genau dem Grössenunterschied entsprechend benötigt die Schweiz rund zehnmal weniger (315 TWh).
- Deutschland ist auf Energieimporte aus dem Ausland angewiesen: Der Anteil der Nettoimporte am Energieverbrauch belief sich laut Eurostat 2022 auf 69 Prozent. In der Schweiz sind es mehr als 70 Prozent.
- Rund ein Sechstel der Energie (507 TWh im Jahr 2022) kommt in Deutschland in Form von Strom zum Einsatz. In der Schweiz ist dieser Anteil etwas höher (56,1 TWh im Jahr 2023). Auch beim Strom ist Deutschland (neu) ein Nettoimporteur (31,1 TWh im Jahr 2024). Die Schweiz erzielte 2023 einen Überschuss.
- Erneuerbare machen 59 Prozent der Stromerzeugung in Deutschland aus (2024), Tendenz steigend. In der Schweiz sind es knapp 79 Prozent (2022).
- Seit dem Abschalten der letzten Atomkraftwerke im April 2023 wurde die Energiewende im grossen Kanton immer wieder zum Politikum. In den teilweise populistisch geführten Debatten leiden oftmals die Fakten. Zum Beispiel beim Strompreis. Trotz Rekordimporten und den Turbulenzen nach Russlands Einmarsch in die Ukraine befindet sich der Preis des Industriestroms in Deutschland heute im Bereich von 2014.

Stromerzeugung in Deutschland nach Energiequelle.
Gut zu wissen: Deutschlands Energiewende ist im vollen Gang und erfolgreicher als vielfach kolportiert.
Entstehungsgeschichte
- In seiner heutigen Form existiert Deutschland erst seit Beginn der 1990er-Jahre. Damals, am 3. Oktober 1990, kam es im Zuge der Wiedervereinigung zum Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zur Bundesrepublik Deutschland (BRD).
- Zum ersten Mal von einem «Deutschen Reich» wird ab der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 gesprochen. Drei Kaiser regierten nacheinander bis 1918 monarchisch über ein Gebiet, das deutlich grösser war als das heutige Deutschland.

Das Deutsche Kaiserreich vor dem Ersten Weltkrieg.bild: Wikimedia/Alphathon
- Abgelöst wurde dieses Gebilde am Ende des Ersten Weltkriegs 1918 von der Weimarer Republik – und damit von einer Demokratie. Lange hatte diese aber nicht Bestand.
- Denn von einer Demokratie wollten Adolf Hitler und seine Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) nichts wissen. Nachdem die NSDAP bereits gescheitert schien, nutzte Hitler die Wut der gepeinigten Deutschen während der Weltwirtschaftskrise (ab 1929) geschickt. 1932 wurde die NSDAP bei den Reichstagswahlen im Juli zum ersten Mal stärkste Partei. Die darauffolgenden Versuche einer Regierungsbildung scheiterten. Als Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Kanzler ernannte, begann die Transformation zur Diktatur. Verschiedene Artikel der Verfassung, beispielsweise derjenige zur Gewaltenteilung, wurden aufgehoben. Die Wahlen im März 1933, bei denen die NSDAP eine absolute Mehrheit an Sitzen erreichte, gelten bereits als unfrei. NSDAP-Mitglieder hatten während des Wahlkampfs verschiedene politische Gegner ungestraft terrorisiert.
- Hitlers Herrschaft endete 1945 mit seinem Tod, der militärischen Niederlage des NS-Staates gegen die Alliierten und dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Bei der Konferenz von Jalta teilten die Siegermächte Frankreich, Grossbritannien, USA und Sowjetunion Deutschland in vier Besatzungszonen auf. Genauso erging es der Hauptstadt Berlin.
- 1949 entstanden aus dem von Frankreich, Grossbritannien und den USA kontrollierten Teil die Bundesrepublik Deutschland und aus dem sowjetisch kontrollierten Teil die Deutsche Demokratische Republik. Die beiden Staaten wurden bis kurz vor der Wiedervereinigung durch eine 1400 Kilometer lange Grenzanlage getrennt.
Gut zu wissen: Deutschland ist erst seit 1949 eine Demokratie – und der Teil der Bevölkerung, der 1990 mit der DDR hinzukam, kennt demokratische Abstimmungen erst seit wenigen Jahrzehnten.
Wichtigste Politiker
- Deutschland zeichnet sich seit seiner Demokratisierung durch politische Stabilität aus. Seit 1949 wurde das KanzlerInnen-Amt nur gerade neunmal neu besetzt. Zum Vergleich: Grossbritannien und Italien setzten in derselben Zeit mehr als 20 bzw. 30 PremierministerInnen und MinisterpräsidentInnen ein.
- Von den neun KanzlerInnen seit 1949 blieben drei (Konrad Adenauer, Helmut Kohl, Angela Merkel) mehr als zehn Jahre im Amt. Am längsten (16 Jahre – 5870 Tage) hielt sich Helmut Kohl (CDU) vom 1. Oktober 1982 bis 27. Oktober 1998. Das sind neun Tage mehr als Angela Merkel (CDU), die von November 2005 bis Dezember 2021 regierte.

Obere Reihe von links: Konrad Adenauer, CDU, 1949–1963 (Foto von 1963); Ludwig Erhard, CDU, 1963–1966 (Foto von 1972); Kurt Georg Kiesinger, CDU, 1966–1969 (Foto von 1980); Willy Brandt, SPD, 1969–1974 (Foto von 1973). Untere Reihe von links: Helmut Schmidt, SPD, 1974–1982 (Foto von 1976); Helmut Kohl, CDU, 1982–1998 (Foto von 1998); Gerhard Schröder, SPD, 1998–2005 (Foto von 2005); Angela Merkel, CDU, 2005–2021. Es fehlt: Olaf Scholz.Bild: DPA
- Fünfmal stellte die CDU den oder die KanzlerIn, viermal die SPD. Bis 2021 gingen die beiden Parteien bei sämtlichen Bundestagswahlen als wählerstärkste Parteien hervor. Das könnte sich nun ändern. Die rechtsextreme AfD liegt nach den jüngsten Umfragen vor der SPD und könnte sie bei den Wahlen im März 2025 überflügeln. Auch die Grünen könnten die SPD überholen.
Gut zu wissen: Deutschland zeichnete sich ab 1949 durch eine ausgesprochene politische Stabilität aus.
Bedeutende Unterschiede der politischen Struktur zur Schweiz

Das Bundesverfassungsgericht tagt in Karlsruhe zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Bild: kaltura://1789921/178992100/169000/1_d0rbd5zr
- Während die Schweiz viele direktdemokratische Elemente wie die Volksabstimmung kennt, existieren in der parlamentarischen Demokratie Deutschlands solche Elemente auf nationaler Ebene nicht – dafür aber auf kommunaler Ebene (Gemeinde, Landkreis, Bezirk). Dabei handelt es sich um sogenannte Bürgerentscheide. Auch auf Länderebene sind Volksinitiativen, Begehren und Referenden möglich. In der Praxis kommen sie aber seltener vor – und nur in gewissen Bundesländern (vor allem in Bayern). In diversen Bundesländern wurde noch nie ein Volksentscheid durchgeführt.
- Während in der Schweiz die Macht auf sieben Bundesräte verteilt wird, geniesst der Kanzler weit mehr Individualmacht. Als Regierungschef in Deutschland bildet er das Kabinett und leitet die Kabinettssitzungen. Ausserdem bestimmt er die Richtlinien der Regierungspolitik (Richtlinienkompetenz/Kanzlerprinzip). Dabei erlässt er den einzelnen Ministerien Vorgaben, an die sie sich zu halten haben.
- Mit dem Bundesverfassungsgericht verfügt Deutschland über ein juristisches Organ, das als Hüterin der deutschen Verfassung angesehen werden kann. Die Entscheidungen dieses Gerichts sind nicht anfechtbar. Der Schweiz fehlt ein ähnliches Werkzeug.
Gut zu wissen: Die politischen Strukturen von Deutschland unterscheiden sich deutlich von denjenigen der Schweiz.
Strukturelle und gesellschaftliche Unterschiede zur Schweiz

Die Skyline von Frankfurt. Frankfurt ist (noch) keine Millionenstadt.Bild: keystone
- Deutschland besteht aus 16 Bundesländern – die Schweiz aus 26 Kantonen.
- Das grösste Bundesland ist Bayern – es grenzt am Bodensee indirekt an die Schweiz und ist mit 70’500 km2 weit grösser als die gesamte Schweiz.
- Das bevölkerungsreichste Bundesland ist hingegen Nordrhein-Westfalen mit 18,2 Millionen EinwohnerInnen (vor Bayern mit 13,4 Millionen).
- Eine Landgrenze (meist über den Rhein) zur Schweiz besitzt allerdings nur das Bundesland Baden-Württemberg.
- Im Gegensatz zur Schweiz verfügt Deutschland über vier Millionenstädte. Das sind der Grösse nach Berlin (3,8 Millionen), Hamburg (1,9 Millionen), München (1,5 Millionen) und Köln (1,1 Millionen).
- Um sich für den ordentlichen Einbürgerungsprozess zu qualifizieren, müssen Ausländer mindestens fünf Jahre in Deutschland gelebt haben. In der Schweiz sind es (bei ordentlichen Verfahren) zehn Jahre.
Gut zu wissen: Die Einbürgerungsbedingungen in Deutschland sind niederschwelliger als die in der Schweiz.
Fun Facts

Schweizer Einkaufstouristen haben es in Deutschland seit Januar 2025 schwerer.Bild: KEYSTONE
- In der Schweiz leben laut Ausländerstatistik 326’033 Personen aus Deutschland. Doch nach Angaben des BfS lebten 2022 auch 98’100 Schweizerinnen und Schweizer im grossen Kanton.
- Seit 1. Januar 2025 sind Einkäufe (pro Kopf und Tag) in Deutschland nur noch bis zu 150 Franken steuerfrei. Der Betrag wurde von zuvor 300 Franken halbiert.
- Deutschland war bereits mehrfach Fussball-Europa- und -Weltmeister.
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1. Die Weimarer Republik, nach dem ersten Weltkrieg, war ganz sicher eine Demokratie.
2. Das Deutsche Kaiserreich nach dem Deutsch-Französichen Krieg 1870/71, war das 2. Reich. Als erstes gilt das heilige römische Reich deutscher Nation. Dazu hat die Schweiz auch lange gehört.
3. Die Steuerfreihait der Einkäufe in Deutschland hat nichts mit Deutschland zu tun, sonder ist eine Einfuhrregelung der Schweiz. Die gilt für jede persönliche Einfuhr in die Schweiz.
Gibt sicher noch mehr.
Wahl ist nicht im März wie geschrieben sondern am 23.02.25
Etwas mehr Kritik, Einwände, Ergänzungen etc. fände ich schon toll 😜.
Wenn ich auf einem deutschen Portal so etwas über die Schweiz lesen würde, wäre dies für mich vermutlich wie eine Einladung, meinen Senf (zwischen mild und sehr scharf) abzudrücken 🤭.