International
Deutschland

Deutschland Wahlen: 5 Lehren aus den Wahlen in Baden-Württemberg

Social democratic prime minister of Rhineland-Palatinate Malu Dreyer blows a kiss next to her husband Klaus Jensen after hearing first results of the federal state elections in Mainz, Germany, Sunday, ...
Malu Dreyer, SPD-Regierungschefin in Rheinland-Pfalz, reagiert auf die ersten Hochrechnungen.Bild: keystone

«Regierung ohne CDU/CSU möglich» – 5 Lehren aus den Wahlen im Grossen Kanton

Superwahljahr in Deutschland: Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gelten als Stimmungstest für die kommenden nationalen Wahlen. Wer hat gewonnen? Was kann man daraus ableiten? Hier kommen 5 Erkenntnisse.
15.03.2021, 04:1715.03.2021, 13:23
Mehr «International»

Mit Spannung wurden die ersten zwei von sechs Landtagswahlen in Deutschland erwartet. Sie gelten als Stimmungstest für die Bundestagswahlen in einem halben Jahr, bei der das Kanzleramt neu vergeben wird.

Wer hat gewonnen?

Mit dem 72-jährigen Kretschmann, seit zehn Jahren erster und einziger Ministerpräsident der Grünen, gewann die Öko-Partei in Baden-Württemberg dem vorläufigen Ergebnis zufolge 32,6 Prozent und 58 Sitze – ein Rekord sowohl im Land als auch deutschlandweit.

Die CDU mit Kulturministerin Susanne Eisenmann an der Spitze schaffte nur 24,1 Prozent (42 Sitze) – ein historisch schlechtes Wahlergebnis in der einstigen CDU-Hochburg Baden-Württemberg.

Das vorläufige Endergebnis in Baden-Württemberg:

Bild

In Rheinland-Pfalz kommt die SPD mit der 60-jährigen Dreyer an der Spitze laut vorläufigem Ergebnis auf 35,7 Prozent und 39 Sitze.

Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Christian Baldauf rutscht dagegen auf 27,7 Prozent (31 Sitze) ab – das schlechteste Ergebnis für die Christdemokraten in dem Bundesland. Die Grünen konnten mit 9,3 Prozent und 10 Sitzen ihr Ergebnis von 2016 erheblich verbessern.

Das vorläufige Endergebnis in Rheinland-Pfalz:

Bild

Was bedeutet das für CDU?

In den deutschen Medien wird die CDU als Hauptverliererin bezeichnet. Nicht etwa wegen der Prozentpunkte, da hat die AfD nämlich höhere Verluste eingefahren. Vielmehr wäre jetzt in beiden Bundesländern eine sogenannte Ampel-Koalition möglich.

Das bedeutet: Rot (SPD) regiert gemeinsam mit Gelb (FDP) und Grün. Die CDU, die in beiden Ländern die zweitgrösste Partei ist, würde aussen vorgelassen. In Baden-Württemberg hat der Grüne Kretschmann bereits angekündigt, dass man sich eine Zusammenarbeit mit allen Parteien vorstellen könne – ausser mit der AfD.

epa09074450 Baden-Wuerttemberg Prime Minister Winfried Kretschmann speaks to media following the Baden-Wuerttemberg state elections in Stuttgart, Germany, 14 March 2021. The state elections in Baden-W ...
Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann gehört zu den Gewinnern. Bild: keystone

Ein Wechsel bei den Koalitionsfarben? Bei der CDU kommen nun Befürchtungen hoch, dass diese Trendwende auch auf nationaler Ebene passieren könnte. Ob Rot, Gelb und Grün genügend Stimmen holen, sei dahingestellt.

Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) resümierte am Abend: «Es ist ein guter Tag.» Denn: «Es sind Regierungsbildungen ohne die CDU/CSU in Deutschland möglich.» Er gibt sich optimistisch: «Eine Regierung, die von einem Sozialdemokraten geführt wird, ist möglich.»

Das ist aber nicht die einzige Möglichkeit, wie die CDU das Kanzleramt verlieren könnte. Innerhalb der Union herrscht immer noch die ungelöste Machtfrage, wer am 26. September als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl zieht: der erst seit wenigen Wochen amtierende CDU-Chef Armin Laschet oder doch CSU-Chef Markus Söder? Die Entscheidung soll nach Ostern fallen – für Laschet könnten die beiden Landtagswahlen eine schwere Bürde bedeuten.

epa09046434 Prime Minister of North Rhine-Westphalia Armin Laschet reacts as he speaks to the media after his visit at NAL VON MINDEN pharmaceutical company in Moers, Germany, 02 March 2021. The compa ...
Für CDU-Chef Armin Laschet könnten die verlorenen Landtagswahlen zur Hypothek werden.Bild: keystone

Persönlichkeit vor Partei

«It's personality, stupid!», schreibt die Zeit Online in einer Analyse der Wahlen. Es ist weder ein grüner noch ein roter Trend, sondern viel eher gewannen mit Winfried Kretschmann und Malu Dreyer bewährte Ministerpräsidenten – unabhängig von der Partei.

An election poster shows social democratic prime minister and top candidate for the Rhineland-Palatinate federal state elections Malu Dreyer in Frankenthal, Germany, Wednesday, March 10, 2021. The ele ...
Malu Dreyer ist in Rheinland-Pfalz äusserst beliebt.Bild: keystone

So hätten in Baden-Württemberg selbst die CDU-Wählerinnen und -Wähler eher den amtierenden Kretschmann als ihre Spitzenkandidatin gewählt. Die Corona-Krise habe diesen Trend bestätigt: Wer sich als Regierungschef keine grossen Patzer leistet, hat sehr gute Chancen auf die Wiederwahl.

Auf die nationale Ebene umgemünzt hilft dies auf den ersten Blick wenig: Die amtierende Kanzlerin tritt ab. Klar ist auf jeden Fall: Die CDU ist angeschlagen, ihr wird auf nationaler Ebene Versagen in der Corona-Pandemie vorgeworfen, ausserdem gerieten zuletzt mehrere Bundesabgeordnete unter Korruptionsverdacht bei Geschäften mit Masken.

Die AfD kann nicht an den Erfolg von 2016 anknüpfen

Die AfD ist eine der grossen Verliererinnen. Sie blieb jeweils deutlich hinter den Ergebnissen von 2016 zurück, die politisch stark unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise standen. In Baden-Württemberg erreichte die AfD 9,7 bis 9,8 Prozent (2016: 15,1 Prozent), in Rheinland-Pfalz 8,3 Prozent (2016: 12,6 Prozent). Verantwortlich für die Wahlverluste könnte die radikale Oppositionspolitik in Bezug auf die Coronapolitik sein, die teils an Realitätsverweigerung grenzt.

28.11.2020, Nordrhein-Westfalen, Kalkar: Alice Weidel, stellvertretende Bundessprecherin, steht beim Bundesparteitag der AfD auf dem Podium. Die Partei entscheidet
Alice Weidel sieht die Schuld bei allen – ausser sich selbst.Bild: keystone

Verantwortung für die Niederlage will man aber nicht übernehmen. AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel sagte, ihrer Partei sei «rechtswidrig der Verfassungsschutz auf den Hals gehetzt worden». Zudem habe es «Repressalien auch gegen unsere Wahlkämpfer» gegeben.

Ebenfalls nicht überzeugen konnte man auf der anderen Seite des politischen Spektrums. Die Linkspartei in beiden Bundesländern blieb unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde, die Veränderung der Wählerstimmen war im Nachkomma-Bereich.

Das Comeback der Liberalen?

Die FDP könnte bald wieder mehr zu sagen haben. In Baden-Württemberg legten sie deutlich zu. FDP-Chef Christian Lindner sieht die Gründe auch in ihrer Politik: «Unsere Themen wirtschaftliche Erholung, Bürgerrechte in Zeiten der Pandemie, die grossen Freiheitseinschränkungen, die Beseitigung der digitalen Defizite beim Staat, in der Verwaltung bis hin zu den Schulen, all das brennt den Menschen auf den Nägeln.»

Lindner und sein Generalsekretär Volker Wissing sind gegenüber der Ampel-Koalition grundsätzlich offen eingestellt. Ob dies nun aber tatsächlich auch auf nationaler Ebene umgesetzt wird, ist noch offen. Beide betonen, dass Inhalte wichtiger seien als Farbenspiele. Wissing doppelte nach: «Alle wissen, dass die FDP nicht für einen Linksruck zur Verfügung steht.»

Und FDP-Chef Christian Lindner wandte am Sonntagabend im TV ein, dass man mit der CDU immer noch mehr Schnittmengen habe als mit der SPD. Solange man liberale Inhalte setzen und was bewirken könne, dann sei man gut aufgehoben. Aber:

«Wir treten in Regierungen ein, wenn wir inhaltlich was bewirken können. Wenn man uns nur als Mehrheitsbeschaffer braucht, dann nehmen wir uns die Freiheit, Nein zu sagen.»

Fakt ist aber, dass man dieses Jahr auch mit der FDP rechnen sollte.

Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So lustig sind die Deutschen: 20 witzige Bilder
1 / 22
So lustig sind die Deutschen: 20 witzige Bilder
bild: imgur

Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Spalter», «Spielverderber» – Wer ist Christian Lindner?
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
34 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Borki
15.03.2021 08:26registriert Mai 2018
Die AfD ist da angekommen, wo sie hingehört: Eine U-10% Partei für Schwurbler, Verschwörungstheoretiker und Demokratiefeinde.
13035
Melden
Zum Kommentar
avatar
Weiter denken!
15.03.2021 07:52registriert März 2020
Hoffentlich erwachen die Wähler in der Schweiz auch wieder einmal und erinnern sich an die peinliche Rhetorik der Milliardärs- und Millionärspartei.

Dermassen neben der Realität vorbei zu politisieren sollte doch auch dem letzten Stammtischphilosophen auffallen.
10224
Melden
Zum Kommentar
avatar
trichie
15.03.2021 09:45registriert Mai 2017
Erfreulichste Erkenntnis: sowohl prozentual als auch absolut am meisten verloren hat in beiden Bundesländern die AfD... hoffentlich schwappt dieser Trend, dass Rechtspopulisten die nichts machen (oder können?) ausser Ängste schüren und unqualifiziert gegen die Regierung schiessen, endlich die Quittung für ihr destruktives Auftreten bekommen, auch zu uns rüber;-)
9423
Melden
Zum Kommentar
34
Trump-Getreue und Verschwörungstheoretikerin Kari Lake soll US-Auslandsrundfunk leiten

Der designierte US-Präsident Donald Trump will seine loyale Unterstützerin Kari Lake aus Arizona zur Leiterin des staatlichen US-Auslandsrundfunkdienstes «Voice of America» machen. Das gab der Republikaner auf seiner Plattform Truth Social bekannt.

Zur Story