Dass Friedrich Merz' Kanzlerschaft, die voraussichtlich am Dienstag beginnen wird, kein Spaziergang werden dürfte, zeichnete sich bereits am Abend der Bundestagswahl ab. Der Entscheid des deutschen Verfassungsschutzes, die AfD für «gesichert rechtsextrem» zu erklären, dürfte die Sorgen des Christdemokraten noch einmal vergrössert haben.
Bisher stellte sich Merz auf den Standpunkt, die Rechtsradikalen müssten politisch bekämpft werden, vor allem durch eine strengere Asylpolitik. Nun wächst der Druck auf den künftigen Kanzler, der Einleitung eines Verbotsverfahrens zuzustimmen.
Diejenigen, die der AfD schon lange durch ein solches zu Leibe rücken wollen, haben mit der Einschätzung der Verfassungsschützer ein weiteres Argument zur Hand. Wer Bedenken anmeldet, ob ein Verbotsversuch wirklich der richtige Weg wäre, sieht sich dem Verdacht ausgesetzt, die AfD verharmlosen zu wollen oder sogar mit ihr zu sympathisieren.
Ein Verbot fordern vor allem Politiker der Grünen und der Linkspartei, aber auch solche der künftigen Koalitionspartner SPD und CDU. Die SPD-Chefin Saskia Esken hat sich schon vor längerer Zeit dafür ausgesprochen; ihr Co-Parteichef Lars Klingbeil, der als neuer starker Mann der Sozialdemokraten gilt, hat AfD-Mitglieder auch schon als Nazis bezeichnet.
In Merz' eigener Partei, der CDU, tritt unter anderem der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, einer der Wortführer des linken Parteiflügels, für ein AfD-Verbot ein. Merz selbst hat sich noch nicht geäussert, seit die Verfassungsschützer am Freitag ihr Verdikt bekannt gemacht haben; sein Adlatus Thorsten Frei hat seither allerdings bekräftigt, er halte es nach wie vor für besser, die AfD politisch zu stellen.
Dass die Frage für die künftige Koalition zur Zerreissprobe wird, ist möglich, aber nicht unausweichlich. Auch in der SPD gibt es eher nachdenkliche Stimmen: So sieht der scheidende Kanzler Olaf Scholz ein Verbotsverfahren nach wie vor skeptisch, und auch Klingbeil gibt sich zurückhaltender, als seine «Nazi»-Äusserung hätte erwarten lassen.
Den Bericht des Verfassungsschutzes nehmen wir sehr ernst. Wir werden ihn in der Koalition auswerten und mögliche Konsequenzen mit der nötigen Sorgfalt beraten. Auch zum Umgang mit der AfD in den parlamentarischen Abläufen werden sich Union und SPD selbstverständlich eng…
— Jens Spahn (@jensspahn) May 4, 2025
Eine kalte Dusche muss die Einschätzung des Inlandsgeheimdiensts für Jens Spahn, den künftigen Chef der Unions-Fraktion im Bundestag, gewesen sein: Er forderte vor kurzem noch, der AfD Chefposten in Parlamentsausschüssen, die ihr aufgrund ihrer Stärke zustünden, nicht länger vorzuenthalten. Am Sonntag erklärte er, eine Empfehlung, AfD-Politiker zu Ausschussvorsitzenden zu machen, werde es von Seiten der Unionsparteien nicht geben.
Einen Verbotsantrag müsste entweder die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat stellen. Bis das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung fällen würde, würden mindestens zwei Jahre vergehen, wie der Verfassungsrechtler Ulrich Battis letztes Jahr gegenüber CHMedia sagte.
Um die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags beurteilen zu können, müsste man den Inhalt des Gutachtens kennen, das der Verfassungsschutz erstellt, aber noch nicht veröffentlicht hat. Dass sich Repräsentanten der AfD immer wieder extremistisch äussern, weiss jeder aufmerksame Zeitungsleser; entscheidend dürfte sein, ob Mitglieder der Partei im Geheimen an einem Umsturz der Verhältnisse arbeiten.
Eine Meinung zu einem möglichen AfD-Verbot haben auch JD Vance und Marco Rubio, der Vizepräsident und der Aussenminister der USA: Rubio nannte das Vorgehen des Verfassungsschutzes bereits am Freitag «verdeckte Tyrannei»; Vance behauptete, «das deutsche Establishment» sei dabei, eine neue Berliner Mauer zu errichten.
Das deutsche Aussenministerium wies dies zurück, doch sorgten die Äusserungen in Berlin für relativ wenig Aufregung: Die Provokationen der Trump-Regierung scheinen sich mit der Zeit abzunutzen.
Kritik wird immer bleiben, aber bei vernünftigen Resultaten wird diese abnehmen.
Klar wollen die Grünen, Linken und auch Teile der Sozen die AfD am Liebsten weg haben, aber umgekehrt genauso.
Nur ganz so einfach ist das allerdings auch nicht.
Warten wir doch erst ein mal die Sache mit der Klage seitens der AfD ab und hören, was die Gerichte dahingehend zu sagen haben.
Erst dann kann man sich ggfs., wenn überhaupt Gedanken über einen Verbotsantrag machen.